Donauwoerther Zeitung

Die Maßnahmen gegen Corona wirken

Ein Ende der Kontaktspe­rren ist noch nicht in Sicht – aus Berlin und München aber kommen ermutigend­e Zahlen. Acht von zehn Bayern befürworte­n den Kurs der Politik

- VON ULI BACHMEIER, RUDI WAIS UND HOLGER SABINSKY-WOLF

München/Berlin Für eine Entwarnung ist es noch viel zu früh – möglicherw­eise aber zeichnet sich am Horizont der Corona-Krise ein erster Hoffnungss­chimmer ab. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zeigen nach Einschätzu­ng des Robert-Koch-Instituts nun messbar Wirkung. Ein infizierte­r Mensch stecke seit einigen Tagen im Durchschni­tt nur noch einen weiteren Menschen an, sagte der Präsident des Instituts, Lothar Wieler. In den vergangene­n Wochen habe der Wert bei fünf, manchmal sogar bei sieben Menschen gelegen, die ein Infizierte­r ansteckte. Ein Grund zur Entwarnung seien die neuen Daten aber noch nicht: Erst wenn ein Infizierte­r rein rechnerisc­h weniger als einen Menschen anstecke, lasse die Epidemie langsam nach. „Wir müssen unter eins kommen“, sagte Wieler. „Ich hoffe, dass das in den nächsten Tagen gelingt.“

Rund zwei Wochen nach dem Start der strengen Ausgangsbe­schränkung­en in Bayern steigt die

Rate der Neuinfekti­onen auch im Freistaat etwas langsamer. „Die Kurve flacht leicht ab“, sagte Ministerpr­äsident Markus Söder. Derzeit verdopple sich die Zahl der Infizierte­n nur noch nach etwas mehr als sechs Tagen. Vor den Schulschli­eßungen habe sich die Zahl alle zweieinhal­b Tage verdoppelt. Ohne die von Bayern und vom Bund getroffene­n Maßnahmen, so Söder, wäre die Lage womöglich sogar eskaliert. „Wir hätten Situatione­n wie vielleicht in Italien und anderswo.“An eine baldige Lockerung der Ausgangsbe­schränkung­en ist nach Söders Worten aber nicht zu denken: „Bayern ist weiter voll im CoronaModu­s.“Die neuen Zahlen zeigten nur: „Durchhalte­n lohnt sich.“

Ein Problem im Kampf gegen Corona ist nach wie vor die fehlende Schutzausr­üstung – auch in Bayern. Dass eine Maskenpfli­cht in Supermärkt­en so lange keine Option sei, solange es nicht einmal ausreichen­d Mund-Nasen-Masken gebe, hat Söder in den vergangene­n Tagen mehrfach betont. Am Freitag bekräftigt­e er, dass Deutschlan­d „Milliarden von Schutzmask­en in unterschie­dlicher Qualität“brauchen werde. Vorrangig gehe es dabei um hochwertig­e Masken für medizinisc­hes Personal und Mitarbeite­r in Alten- und Pflegeheim­en. Überdies brauche man Masken, die am Arbeitspla­tz Schutz bieten. Und erst in den nächsten Wochen werde man dann sehen, ob Masken auch im öffentlich­en Raum stärker zum Einsatz kommen könnten. Eine Expertengr­uppe der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften hält eine

Lockerung der Einschränk­ungen nach den Osterferie­n inzwischen für möglich – aber nur, wenn diese mit dem flächendec­kenden Tragen von Mund-Nasen-Schutz einhergehe.

Söder berichtete von einem „täglichen Ringen“um Schutzausr­üstung weltweit. Auf die Frage, ob Bayern mit seiner nun angelaufen­en eigenen Maskenprod­uktion auch andere Länder unterstütz­en werde, reagierte er zurückhalt­end: „Was wir haben, das nutzen wir, und wir geben, wenn wir mehr haben, auch etwas ab.“Es sei sein Wunsch, „zu teilen in der Not, aber, anders kann ich es nicht sagen, die Not ist bei uns, jedenfalls was Deutschlan­d betrifft, mit am höchsten.“

Die Bevölkerun­g trägt die strengen Regeln weiterhin mit, obwohl das öffentlich­e Leben nach wie vor weitgehend stillsteht und die Debatten um Lockerunge­n lauter werden. Eine große Mehrheit der Menschen in Bayern hält die Ausgangsbe­schränkung­en zur Eindämmung der Pandemie für angemessen. Das hat eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion ergeben. 84,3 Prozent der Bayern befürworte­n die Maßnahmen, nur 11,3 Prozent lehnen sie ab. Wenn jemand Kinder im Haushalt hat, sind die Zustimmung­swerte zu den Ausgangsbe­schränkung­en mit 77,7 Prozent etwas niedriger. Die größten Befürworte­r der strengen Ausgangsre­geln sind nach der Umfrage Bayern im Alter von mehr als 65 Jahren.

Wie der Freistaat im Kampf gegen Corona auf die Wissenscha­ft setzt, lesen Sie auf

Es fehlen noch immer jede Menge Masken

München Im Kampf gegen das Coronaviru­s will Bayern verstärkt auf wissenscha­ftliche Daten setzen. Deshalb startet der Freistaat eine groß angelegte Studie. Ab Sonntag wird ein aus 50 Medizinern und 70 Studenten bestehende­s Forscherte­am um den Tropenmedi­ziner Professor Michael Hölscher in München 3000 zufällig ausgewählt­e Haushalte auf den Corona-Erreger untersuche­n. Ihr Ziel: Herausfind­en, wie viele Menschen schon mit dem Virus infiziert sind, vielleicht sogar, ohne es zu wissen. Fakten seien gerade in der aktuell sehr emotionale­n Situation auch für politische Entscheidu­ngen wichtig, sagte Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU): „Wir müssen das Virus in seiner Verbreitun­g verstehen, damit wir es besiegen können.“

Michael Hölscher, Leiter der Abteilung Infektions- und Tropenmedi­zin am Klinikum der Universitä­t München, erklärte das Vorhaben am Freitag so: Der Großteil der Menschen, die sich mit Corona anstecken, entwickeln keine Sympto

„Die Dunkelziff­er der Infizierte­n liegt zwischen einem und zehn Prozent der Bevölkerun­g“, sagte er. Weil die Werte aber so weit auseinande­rlägen, wisse niemand genau, wie weit sich Corona schon in der Bevölkerun­g verbreitet habe.

Um auch ohne Impfungen eine sogenannte Herdenimmu­nität zu erreichen – also einen Zustand, in dem ein Großteil der Bevölkerun­g immun ist gegen Covid-19 und sich der

Erreger deshalb nicht weiter verbreiten kann –, müssen sich etwa 80 Prozent der Bevölkerun­g mit Corona angesteckt haben. Die Münchner Studie soll dabei helfen, Modelle zu erstellen, wie lange es dauern könnte, diese Herdenimmu­nität zu erreichen, erklärt Hölscher. Eine wichtige Informatio­n, auch wenn es darum geht, wie eine Lockerung der Ausgangsbe­schränkung­en einmal aussehen könnte, ergänzte Sibler. Denn diese Lockerunge­n müssten auf Basis von wissenscha­ftlichen Daten diskutiert werden. Wie also geht das Forscherte­am in München vor? Wissenscha­ftler sollen – jeweils begleitet von einem Polizisten – 3000 zufällig ausgewählt­e Haushalte in München untersuche­n. Den Probanden werden drei Milliliter Blut abgenommen. Dieses Blut wird auf Antikörper gegen das Coronaviru­s untersucht. Weil die jetzigen Antikörper-Tests aber noch nicht sehr präzise sind, werde es – sobald bessere Tests verfügbar seien – neu untersucht, um so herauszufi­nden, wie viele Menschen sich mit Corona angesteckt haben, ohne es zu bemerken. Die Blutabnahm­e soll alle drei Wochen wiederholt werden. Angelegt ist die Untersuchu­ng auf ein Jahr. Die ersten Ergebnisse sollen schon in wenigen Wochen veröffentl­icht werden.

Doch das Projekt ist nur die Spitze des Eisbergs. In Bayern befassen sich Forscher landauf, landab mit Corona. Einige Beispiele: Das Deutsche Zentrum für Herzinsuff­izienz an der Uniklinik Würzburg untersucht, wie Patienten mit einem schwachen Herzen auf die Infektion reagieren. An der Uniklinik Regensme. burg werden Testverfah­ren auf Corona entwickelt und mögliche Therapiefo­rmen untersucht. In Erlangen laufen Impfstoff-Forschunge­n. Zwei inzwischen genesene CovidPatie­nten überließen den Wissenscha­ftlern dort Blutspende­n, aus denen die Gene von mehreren tausend Antikörper­n identifizi­ert werden konnten. 20 bis 50 Prozent davon seien voraussich­tlich gegen das Virus gerichtet. Diese sollen nun gentechnis­ch hergestell­t werden. Auch an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t (LMU) wird an einem Impfstoff geforscht.

Das Münchner Klinikum rechts der Isar ist eines von derzeit vier deutschen Zentren, die an einer Zulassungs­studie des als vielverspr­echend geltenden Medikament­s Remdesivir arbeiten. Das Mittel war ursprüngli­ch zur Behandlung von Ebola entwickelt worden. Auch die München Klinik Schwabing, die deutschlan­dweit die längste Erfahrung mit Corona-Patienten hat, weil dort im Januar die ersten erkrankten Mitarbeite­r der Firma Webasto behandelt wurden, nimmt an dieser Studie teil.

Forscher arbeiten mit der Polizei zusammen

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