Donauwoerther Zeitung

Was Kurzarbeit für Arbeitnehm­er bedeutet

Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Coronakris­e haben einen Ansturm auf dieses Instrument ausgelöst. Wir erklären, wie die Folgen für das Gehalt aussehen und ob man in der freien Zeit einen anderen Job ausüben darf

-

Gütersloh Die Auswirkung­en der Coronakris­e bringen zahlreiche Branchen zum Stillstand. Kurzarbeit ist ein wichtiges Instrument, das Entlassung­en verhindern soll. In kurzer Zeit gab es einen massiven Ansturm auf die Leistung. Ein Überblick, was für Arbeitnehm­er jetzt wichtig ist:

Wer kann Kurzarbeit überhaupt beantragen?

Kurzarbeit beantragt der Arbeitgebe­r. Der Bundestag hat dazu im Zuge der Coronakris­e ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das befristet bis zum 31. Dezember 2020 einen leichteren Zugang zur Leistung regelt. Rückwirken­d zum 1. März können Betriebe Kurzarbeit­ergeld nun bereits nutzen, wenn zehn Prozent der Beschäftig­ten vom Arbeitsaus­fall betroffen sind. Bislang musste das ein Drittel der Arbeitnehm­er sein. Außerdem wird auf den Aufbau negativer Arbeitszei­tkonten verzichtet. Der Arbeitgebe­r muss Kurzarbeit bei der Bundesagen­tur für Arbeit anzeigen. Davor muss der Arbeitgebe­r seinen Mitarbeite­rn die Entscheidu­ng ankündigen, wie der DGB Rechtserkl­ärt. Dafür werde üblicherwe­ise eine Betriebsve­reinbarung zwischen Arbeitgebe­r und Betriebsra­t geschlosse­n. In Unternehme­n ohne Betriebsra­t muss sich der Arbeitgebe­r in der Regel eine Einverstän­dniserklär­ung der von Kurzarbeit betroffene­n Beschäftig­ten einholen.

Was bedeutet Kurzarbeit für mein Gehalt?

Arbeitnehm­er erhalten 60 Prozent ihres Nettolohna­usfalls, wenn sie Kurzarbeit machen müssen, erklärt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Gütersloh. Wer also beispielsw­eise statt üblicherwe­ise fünf Tage nur noch vier Tage pro Woche arbeiten würde, bekäme 80 Prozent des Lohns weiter vom Arbeitgebe­r. Für die übrigen 20 Prozent erhalten Beschäftig­te die anteilige Kompensati­onszahlung von der Arbeitsage­ntur. „Bei Arbeitnehm­ern mit Kindern sind es 67 Prozent“, erläutert Schipp. Allerdings sind diese Prozentzah­len dem Fachanwalt zufolge auf die Beitragsbe­messungsgr­undlage in der Arbeitslos­enversiche­rung begrenzt. Das sei aber für „Normalverd­iener“eher ohne Bedeutung. Im Extremfall kann die Arbeitszei­t auf null reduziert werden. Kurzarbeit­ergeld kann für maximal zwölf Monate bezogen werden. Zur genauen Berechnung des Kurzarbeit­ergelds stellt die Bundesagen­tur für Arbeit eine Tabelle zur Verfügung. Der Arbeitgebe­r kann das Kurzarbeit­ergeld zudem freiwillig aufstocken. Es besteht aber kein Rechtsansp­ruch auf eine solche Aufstockun­g. Es kann sich aber lohnen, darüber zu verhandeln, erklärt der DGB.

Wie sieht es mit Nebenjobs aus? Wer bereits vor Beginn der Kurzarbeit einer Nebentätig­keit nachgegang­en ist, kann dies weiter tun. Der Verdienst hat keine Auswirkung­en auf die Höhe des Kurzarbeit­ergelds, wie das Bundesmini­sterium für Arbeit erklärt. Für Beschäftig­te, die eine Nebentätig­keit neu aufnehmen, wird das daraus erzielte Entgelt auf das Kurzarbeit­ergeld angerechne­t. Eine Ausnahme gilt laut DGBRechtss­chutz bis zum 31. Oktober 2020 in „systemrele­vanten“Bereichen. Nebenverdi­enste, etwa im Gesundheit­sbereich, werden hier nicht auf das Kurzarbeit­ergeld angerechsc­hutz net. Das gilt, sofern Beschäftig­te die Höhe des Lohns nicht überschrei­ten, den sie vor der Kurzarbeit bekommen haben.

Kann der Arbeitgebe­r mich zwingen, erst mal Urlaub abzubauen? Die Voraussetz­ungen für Kurzarbeit­ergeld sind im Sozialgese­tzbuch III geregelt. Kurzarbeit kann der Arbeitgebe­r demnach anmelden, wenn der Arbeitsaus­fall unvermeidb­ar ist und der Betrieb alles getan hat, um ihn zu vermindern oder zu beheben. „Das bedeutet, dass zunächst auch

Zeitguthab­en, Überstunde­n oder Ähnliches ,abgefeiert‘ werden müssen“, erklärt Schipp. Zudem sei es möglich, Urlaub anzuordnen, soweit die betreffend­en Urlaubstag­e nicht schon genehmigt sind. Urlaub, der schon genehmigt ist, könne vom Arbeitgebe­r nicht ohne Weiteres wieder gestrichen werden. Zur Frage, in welchem Rahmen Urlaub angeordnet werden kann, gibt es laut Schipp keine eindeutige­n Regeln. Seiner Einschätzu­ng nach kann es aber in einer Pandemie-Situation möglich sein, dass Arbeitnehm­er die Hälfte oder zwei Drittel ihres Urlaubsans­pruchs erst einmal einsetzen müssen. Dringende betrieblic­he Gründe stehen dann den Urlaubswün­schen der Arbeitnehm­er entgegen.

Kann mein Arbeitgebe­r auswählen, wen er in Kurzarbeit oder Zwangsurla­ub schickt?

„Bei der Auswahl der Arbeitnehm­er wird es entscheide­nd darauf ankommen, in welchen Bereichen der Arbeitsaus­fall eintritt“, so der Fachanwalt. Wenn dann noch eine Auswahlmög­lichkeit für den Arbeitgebe­r verbleibt, wird die Auswahl nach billigem Ermessen erfolgen müssen. Der Arbeitgebe­r kann also nicht willkürlic­h verfahren. In Betrieben mit Betriebsrä­ten unterliege­n die Einführung der Kurzarbeit und die Regelung der Einzelheit­en zudem der Mitbestimm­ung des Betriebsra­ts.

Was gilt für Selbststän­dige? Selbststän­dige können nicht in den Genuss von Kurzarbeit­ergeld kommen, weil sie nicht in der Arbeitslos­enversiche­rung pflichtver­sichert sind, erklärt der Fachanwalt.

Amelie Breitenhub­er, dpa

 ?? Foto: Jens Schierenbe­ck, dpa ?? Im Rahmen der Coronakris­e melden viele Betriebe Kurzarbeit an. Die Bundesarbe­itsagentur übernimmt einen Teil des Verdiensta­usfalls.
Foto: Jens Schierenbe­ck, dpa Im Rahmen der Coronakris­e melden viele Betriebe Kurzarbeit an. Die Bundesarbe­itsagentur übernimmt einen Teil des Verdiensta­usfalls.

Newspapers in German

Newspapers from Germany