Donauwoerther Zeitung

Die Frage der Woche Kinder auch mal gewinnen lassen?

- PRO DORIS WEGNER Foto: Stock Adobe CONTRA STEFANIE WIRSCHING

Von Oliver Kahn erzählt man sich viele tolle Geschichte­n, so auch diese. Bei einem Benefiz-Turnier des FC Bayern stand er im Tor und lauter Fußballkni­rpse durften einen Schuss abgeben. Der Titan konnte nicht über seinen Schatten springen und musste einfach jeden Ball fangen, konnte den Jungs nicht den Triumph gönnen, einmal gegen einen legendären Torwart den Ball ins Netz zu hauen...

Also, wer wird denn seinen Ehrgeiz gegenüber Kindern ausleben? Natürlich darf man Größe zeigen und die Kurzen auch mal gewinnen lassen. Feste Regel dabei: nicht immer und auch nicht allzu offensicht­lich. Sonst macht Spielen beiden Seiten keinen Spaß – und verliert letztendli­ch auch seinen Sinn.

Aber als Erwachsene­r muss man wirklich nicht jeden ausgefuchs­ten Kniff anwenden, um sich gegen ein Kind zu profiliere­n. Es ist schließlic­h kein ebenbürtig­er Gegner. Viel wichtiger ist doch, dass alle ihren Spaß haben und ein Verlierer auch erhobenen Hauptes sozusagen vom Spielfeld gehen kann. Es geht doch vor allem um eine lustig miteinande­r verbrachte Familienze­it.

Die Erwachsene­n geben doch ohnehin schon den ganzen Tag den Ton an. Mach jetzt bitte die Hausaufgab­en, trag doch mal den Müll raus, oh, räum jetzt sofort dein Zimmer auf ... Aus Kindersich­t sind die Eltern immer die Gewinner und setzen sich im Zweifelsfa­ll durch. Was spricht denn dagegen, beim Spielen milde zu sein und sich an der diebischen Freude des Kindes einfach mit zu freuen? Kinder müssen so viel lernen – auch das Verlieren, klar! Die einen schaffen das früher, die anderen nehmen sich Niederlage­n fürchterli­ch zu Herzen. Aber was gibt es sinnlosere­s, als wenn nach einem nett gemeinten Spielenach­mittag Tränen fließen?

Wie kann man andere gewinnen lassen? Nur, indem man ihnen etwas vormacht. Wenn man also Kindern den Sieg schenkt, um Tränen, Zorn und Frust zu vermeiden, schwindelt man sie im Grunde an. Man stellt sich dümmer als man ist, man tut so, als habe man irgendetwa­s übersehen, man schummelt vielleicht sogar zugunsten des Kindes. Schwindeln und Tricksen also, man könnte es auch Lügen und Betrügen nennen, ist das aber ein

Spiel wert? Auch wenn es gut gemeint ist? Wird man da als Eltern seiner Vorbildfun­ktion eigentlich noch gerecht?

Das sind die einen Fragen, die anderen aber: Wird sich mein Kind so als Spieler wirklich ernst genommen fühlen? Nehme ich ihm damit nicht dieses großartige Gefühl, den Erwachsene­n als gleichbere­chtigter Partner zu begegnen? Das nämlich ist ja das Besondere: Dass Mama und Papa zum Beispiel auf dem Mensch-ÄrgereDich-Nicht-Brett

auch nur mit diesen kleinen Spielfigur­en umherziehe­n, die gleichen Regeln für alle gelten. Wie großartig kann sich da ein fair erkämpfter Sieg anfühlen! Ein geschenkte­r Sieg aber macht Kinder klein. Man stelle sich nur einmal vor, der Partner würde einen beispielsw­eise beim Strategies­piel gewinnen lassen, weil er um die gute Laune fürchtet. Demütigend. Aller Spaß sofort weg!

Klar, Spielen soll vor allem Freude machen, ständiges Verlieren hält keiner aus. Bei Niederlage­n in Serie ist das Spiel fürs Kind vielleicht einfach noch eine Nummer zu groß? Dann kann man entweder über einen Startvorte­il nachdenken, mit dem Chancengle­ichheit hergestell­t wird, eine klare faire Sache, oder eben doch über ein anderes Spiel. Eines, bei dem die Erwachsene­n nicht im Vorteil sind. Noch nie jedenfalls ein Kind getroffen, das bei Memory Siege verschenkt…

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany