Justiz daheim im Büro
Gespräch mit Amtsgerichtsdirektor Dieter Hubel über die aktuelle Lage am Gericht und Herausforderungen
Herr Direktor Hubel, Sie sind momentan im Homeoffice. Wie arbeitet es sich dort?
Dieter Hubel: Es ist gewöhnungsbedürftig. Ich habe eine EDV-Ausstattung, sodass ich auf alle Dinge, die ich meinem Büro habe, auch hier zugreifen kann. Aber man muss sich alles erst einmal einrichten. Da ich eh ein häusliches Arbeitszimmer habe, ist das aber kein so großes Problem.
Wie ist die Situation momentan am Amtsgericht?
Hubel: Wir sind voll funktionsfähig, beschränken uns aber auf den Kernbereich. Seit letzter Woche haben wir ein Rotationsmodell. Die Belegschaft wurde in zwei Teile aufgeteilt, quer durch alle Qualifikationsebenen. Die eine Hälfte arbeitet im Büro, die andere im Homeoffice. Nach einer Woche wird gewechselt.
Dadurch, dass nur noch die Hälfte der Mitarbeiter im Gebäude ist, kann auch der Abstand eingehalten werden, weitestgehend sitzt nur ein Mitarbeiter in jedem Büro. Wir hatten davor auch schon Telearbeitsplätze, bei denen hat sich nichts geändert.
Welche Vorkehrungen gibt es beim Besucherverkehr für das Amtsgericht in Nördlingen?
Hubel: Derjenige, der zu uns kommt, wird bereits an der Eingangstür über die Gegensprechanlage nach dem Anliegen gefragt. Nur wenn es eine Eilsache ist, die nicht telefonisch oder schriftlich erledigt werden kann, darf er ins Gebäude. Er muss aber eine schriftliche Auskunft über seinen Gesundheitszustand abgeben. Die Pforte haben wir so umgestaltet, dass diese als Servicepoint genutzt werden kann und die Besucher nicht mehr in den Bürobereich müssen. Die Scheibentrennwand zwischen Mitarbeiter und Rechtssuchendem schließt ein Ansteckungsrisiko aus. Wir haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht, einige unaufschiebbare Dinge sind so bereits erledigt worden. Eine andere Vorkehrung betrifft die Anwaltspostfächer, die ausgesetzt wurden. Die Post kann nicht mehr abgeholt werden, sondern wird verschickt.
Welche Verhandlungen finden noch statt?
Hubel: Verhandlungen, öffentliche wie nicht-öffentliche, werden nur noch in Eilfällen durchgeführt. In Strafsachen etwa, wenn der Angeklagte in Haft ist oder wenn Verjährung droht. Die letzte Sitzung in Strafsachen war am 18. März. Betreuungen und Unterbringungen werden nach wie vor bearbeitet und entschieden. Darüber, ob eine Verhandlung stattfindet oder nicht, entscheidet der jeweilige Richter in richterlicher Unabhängigkeit.
Was ist der Kernbereich?
Hubel: Das bedeutet, dass wir alle Eilfälle erledigen wie Betreuungen oder Gewaltschutzanordnungen im Familienbereich – seit der Ausgangsbeschränkung hatten wir aber keine Gewaltschutzanordnung. Büromäßig bearbeiten wir alle Fälle, die reinkommen, auch die Zivilverfahren. Nur die Verhandlungssitzungen sind eben auf das Mindestmaß reduziert.
Gibt es Fristenprobleme?
Hubel: In Familiensachen gibt es in Teilbereichen gesetzliche Fristen. Diese versuchen die Richter einzuhalten und die Verhandlungen durchzuführen. Im Nachlassbereich kommt es zum Beispiel immer wieder vor, dass potenzielle Erben das Erbe ausschlagen wollen. Dafür gibt es eine gesetzliche Frist. Das sind dann Fälle, die erledigt werden müssen. Ein persönliches Erscheinen ist dafür notwendig und bei uns am Servicepoint auch möglich.
Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten?
Hubel: Diese liegen nicht in der Bewältigung der Arbeit, sondern darin, an die Gelassenheit der Mitarbeiter zu appellieren. Es ist eine besondere Situation und ich bin froh darüber, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gelassen auf die Situation reagieren. Ansonsten gilt für uns wie für alle: Abstand halten und warten, was kommt.