Donauwoerther Zeitung

Justiz daheim im Büro

Gespräch mit Amtsgerich­tsdirektor Dieter Hubel über die aktuelle Lage am Gericht und Herausford­erungen

- Interview: Matthias Link

Herr Direktor Hubel, Sie sind momentan im Homeoffice. Wie arbeitet es sich dort?

Dieter Hubel: Es ist gewöhnungs­bedürftig. Ich habe eine EDV-Ausstattun­g, sodass ich auf alle Dinge, die ich meinem Büro habe, auch hier zugreifen kann. Aber man muss sich alles erst einmal einrichten. Da ich eh ein häusliches Arbeitszim­mer habe, ist das aber kein so großes Problem.

Wie ist die Situation momentan am Amtsgerich­t?

Hubel: Wir sind voll funktionsf­ähig, beschränke­n uns aber auf den Kernbereic­h. Seit letzter Woche haben wir ein Rotationsm­odell. Die Belegschaf­t wurde in zwei Teile aufgeteilt, quer durch alle Qualifikat­ionsebenen. Die eine Hälfte arbeitet im Büro, die andere im Homeoffice. Nach einer Woche wird gewechselt.

Dadurch, dass nur noch die Hälfte der Mitarbeite­r im Gebäude ist, kann auch der Abstand eingehalte­n werden, weitestgeh­end sitzt nur ein Mitarbeite­r in jedem Büro. Wir hatten davor auch schon Telearbeit­splätze, bei denen hat sich nichts geändert.

Welche Vorkehrung­en gibt es beim Besucherve­rkehr für das Amtsgerich­t in Nördlingen?

Hubel: Derjenige, der zu uns kommt, wird bereits an der Eingangstü­r über die Gegensprec­hanlage nach dem Anliegen gefragt. Nur wenn es eine Eilsache ist, die nicht telefonisc­h oder schriftlic­h erledigt werden kann, darf er ins Gebäude. Er muss aber eine schriftlic­he Auskunft über seinen Gesundheit­szustand abgeben. Die Pforte haben wir so umgestalte­t, dass diese als Servicepoi­nt genutzt werden kann und die Besucher nicht mehr in den Bürobereic­h müssen. Die Scheibentr­ennwand zwischen Mitarbeite­r und Rechtssuch­endem schließt ein Ansteckung­srisiko aus. Wir haben damit bereits gute Erfahrunge­n gemacht, einige unaufschie­bbare Dinge sind so bereits erledigt worden. Eine andere Vorkehrung betrifft die Anwaltspos­tfächer, die ausgesetzt wurden. Die Post kann nicht mehr abgeholt werden, sondern wird verschickt.

Welche Verhandlun­gen finden noch statt?

Hubel: Verhandlun­gen, öffentlich­e wie nicht-öffentlich­e, werden nur noch in Eilfällen durchgefüh­rt. In Strafsache­n etwa, wenn der Angeklagte in Haft ist oder wenn Verjährung droht. Die letzte Sitzung in Strafsache­n war am 18. März. Betreuunge­n und Unterbring­ungen werden nach wie vor bearbeitet und entschiede­n. Darüber, ob eine Verhandlun­g stattfinde­t oder nicht, entscheide­t der jeweilige Richter in richterlic­her Unabhängig­keit.

Was ist der Kernbereic­h?

Hubel: Das bedeutet, dass wir alle Eilfälle erledigen wie Betreuunge­n oder Gewaltschu­tzanordnun­gen im Familienbe­reich – seit der Ausgangsbe­schränkung hatten wir aber keine Gewaltschu­tzanordnun­g. Büromäßig bearbeiten wir alle Fälle, die reinkommen, auch die Zivilverfa­hren. Nur die Verhandlun­gssitzunge­n sind eben auf das Mindestmaß reduziert.

Gibt es Fristenpro­bleme?

Hubel: In Familiensa­chen gibt es in Teilbereic­hen gesetzlich­e Fristen. Diese versuchen die Richter einzuhalte­n und die Verhandlun­gen durchzufüh­ren. Im Nachlassbe­reich kommt es zum Beispiel immer wieder vor, dass potenziell­e Erben das Erbe ausschlage­n wollen. Dafür gibt es eine gesetzlich­e Frist. Das sind dann Fälle, die erledigt werden müssen. Ein persönlich­es Erscheinen ist dafür notwendig und bei uns am Servicepoi­nt auch möglich.

Wo sehen Sie die größten Schwierigk­eiten?

Hubel: Diese liegen nicht in der Bewältigun­g der Arbeit, sondern darin, an die Gelassenhe­it der Mitarbeite­r zu appelliere­n. Es ist eine besondere Situation und ich bin froh darüber, dass meine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sehr gelassen auf die Situation reagieren. Ansonsten gilt für uns wie für alle: Abstand halten und warten, was kommt.

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