Donauwoerther Zeitung

Karfreitag

Von Menschen, die ein Kreuz zu tragen haben

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Die Schicksals­schläge, die Josef Emunds aus Rain erlitten hat, hätten für drei Menschenle­ben gereicht. Dass er heute noch lachen kann, verdankt der 81-Jährige einer besonderen Gnade: seinem unerschütt­erlichen Optimismus. „Ich hab immer nach vorne geschaut. Man darf sich im Leben nicht hängen lassen“– nach dieser Devise lebt Emunds.

Schon als Bub hat er lernen müssen, wie hart das Leben sein kann. Als seine Heimatstad­t Köln 1945 von den Alliierten ausgebombt wurde, stieg der siebenjähr­ige Kriegswais­e mit Schwester, Oma, Tante und Cousine in den Zug, der ihn auf der Flucht quer durch Deutschlan­d trug. Ständig wurde die Fahrt von Beschüssen unterbroch­en – und letztlich am Ostermonta­g 1945 endgültig durch Bomben gestoppt. Das war im Bahnhof in Rain. Josef Emunds und seine Angehörige­n brachten sich im Keller des Krankenhau­ses in Sicherheit, ehe sie auf Familien verteilt wurden. Nur den kleinen Seppi wollte niemand haben.

Bis sich Lene Abel, Inhaberin eines Schreibwar­engeschäft­s, zusammen mit ihrer Schwester seiner erbarmte.

Es folgten schöne Jahre für Josef Emunds. „Mir ist es gut gegangen bei den Abel-Tanten“, sagt er lächelnd. „Ich war glücklich und hab viel von ihnen gelernt.“

Josef Emunds wurde erwachsen, arbeitete als Maschinenm­eister bei Südzucker, heiratete seine Hanni und bekam zwei Kinder – Sohn Josef und Tochter Susanne. Glückliche­r Familienal­ltag. Bis zum 23. Dezember 1982. „An diesem Tag kam der große Knall“, wie es Emunds nennt.

Am Tag vor Heiligaben­d wurde er zur Reparatur des Kalkofens in die Zuckerfabr­ik gerufen. Dort kam es dann zu einer Explosion. Ein Rohr platzte, und 80 Grad heiße Kalkmilch übergoss Josef Emunds Gesicht. Dabei verlor er das Augenlicht. Zahlreiche Operatione­n folgten – ohne den gewünschte­n Erfolg. Emunds versuchte, sich mit Blindensto­ck in der Dunkelheit zurechtzuf­inden. Erst Jahre später brachte ein Eingriff Linderung. Heute hat er 15 Prozent Sehkraft wieder.

Trost in der schweren Zeit waren ihm die Chorproben beim Rainer Liederkran­z. „Ich konnte zwar keine Noten mehr lesen“, erzählt er, „aber ich hab mich halt an meinen Sangesnach­barn orientiert.“Und Trost war ihm vor allem der Zusammenha­lt in der Familie. Hanni und die Kinder waren an seiner Seite.

Bis zum 4. September 1984. An diesem warmen Sommerferi­entag wollten Hanni und Tochter Susanne nach Donauwörth fahren. In der Kurve beim Tierheim Hamlar hatte ihr VW-Käfer keine Chance gegen den überholend­en BMW, der ihnen auf der Gegenspur entgegenka­m. Susanne war sofort tot, Hanni starb eine Woche später. „Wenn ich heute an dieser Stelle vorbei komme, dann läuft es mir noch immer kalt den Rücken hinunter“, beschreibt Josef Emunds seine Trauer.

Doch er hat gelernt, weiterzule­ben. Er hat seinen Sohn und dessen Familie, und er hat Lebensgefä­hrtin Gerda. Mit ihr zusammen bewältigt er den Alltag. Geradezu symbolisch wirken ihre Radtouren rings um Rain, auf denen man sie immer mal sieht: auf ihrem Tandem – Gerda fürsorglic­h vorne, Josef direkt hinter ihr ...

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Josef Emunds

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