Schweden hofft
Weiter lockere Corona-Strategie
Stockholm Schwedens Hauptstadt ist derzeit die freieste Europas. Auch wenn das Land nicht weniger Probleme mit Covid-19 hat als andere Nationen, bleibt bislang fast alles geöffnet: Einkaufszentren, Cafés, Bars, Fitnessstudios, kleinere Klubs, Kindergärten, Schulen. Selbst Ansammlungen von unter 50 Leuten bleiben erlaubt – und Klopapier gibt es reichlich. Denn Schweden setzt im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus vor allem auf Freiwilligkeit und die Vernunft seiner Bürger, nur Senioren werden – so gut es geht – isoliert.
Die Unkenrufe aus dem In- und Ausland waren laut und zahlreich. Schweden würde ein gefährliches Experiment durchführen auf Kosten der Alten und Kranken. Entgegen aller Kritik scheint sich die Lage derzeit deutlich zu beruhigen – vorerst zumindest, wie das Gesundheitsamt vorsichtig betont. Ein riesiges Feldlazarett, das vorsorglich in Stockholm aufgestellt wurde, wo die meisten schwer kranken Infizierten leben, bleibt weiter geschlossen, wegen fehlenden Bedarfs. Laut den jüngsten Bekanntgaben des Gesundheitsamts ist die Zahl der neuen Intensivpatienten leicht rückläufig, 530 werden behandelt. Insgesamt sind 1033 Schweden gestorben. Das sind skandinavienweit zwar die meisten Fälle vor Norwegen (6600 Infektionen und 130 Todesfälle) und Dänemark (6500 Infektionen, 300 Tote). Allerdings hat Schweden auch fast doppelt so viele Einwohner wie seine Nachbarländer.
Am Stockholmer KarolinskaKrankenhaus sei die Situation auf der Intensivstation deutlich ruhiger geworden, so Oberarzt David Konrad gegenüber dem Sender SVT. Derzeit kümmert er sich um 127 Corona-Patienten. Täglich kämen nur um die „sechs bis zwölf“Patienten mit schwereren Symptomen hinzu. „Wir nähern uns der Abflachung der Erkrankungskurve.“
Schweden verfolgt eine andere Strategie als der Großteil der europäischen Nationen, die auf strenge Ausgangsbeschränkungen setzen und so die Infektionskurve niedrig halten wollen, nämlich eine Art Herdenimmunität. Die Idee: Wenn viele Menschen aus der Nicht-Risikogruppe immun sind, hat es das Virus schwer, sich weiter auszubreiten. Bis Ende April könnte laut Prognosen die Hälfte des Volkes das Coronavirus in sich getragen haben – und dann zeigt sich, ob der schwedische Weg wirklich funktioniert.