Donauwoerther Zeitung

Videodreh auf Bauernhof

Wie ein Film die Unschuld des Anklagten beweisen soll

- VON MICHAEL SIEGEL

Wallerstei­n-Birkhausen Gülleantra­gungen im Inneren von Socken, Schmutz unter den Fingernäge­ln und an den Nagelfalze­n – scheinbare Kleinigkei­ten können im Prozess um den Tod einer 51-jährigen Frau an einer Güllegrube in Birkhausen eine wichtige Rolle spielen. Seit Wochen versucht die Verteidigu­ng die Unschuld ihres Mandanten, eines 55-jährigen Landwirts, zu belegen. Dem Mann wird vorgeworfe­n, seine Ehefrau am 20. September 2018 aus Habgier umgebracht zu haben. Er selbst bestreitet dies nach wie vor. Die Frau war an der Güllegrube liegend tot gefunden worden.

In der jüngsten Sitzung beschäftig­ten sich die drei Berufs- und zwei Laienricht­er des Augsburger Landgerich­ts mit einigen dieser Beweisantr­äge. So wurde ein Video, bestehend vorgeführt, das die Rechtsanwä­lte Peter Witting, Nico Werning und Martina Sulzberger hatten drehen lassen. Ein Regisseur und ein Kameramann aus Berlin waren dafür im Januar auf dem Hof des Angeklagte­n tätig.

Auch diese Filmstücke sollten die These eines Unfallgesc­hehens belegen helfen, das die Verteidigu­ng als Ursache für den Tod der 51-jährigen Bäuerin verantwort­lich macht. So wurde mithilfe eines Landwirts aus der Nachbarsch­aft und einem Traktorges­pann nachgestel­lt, auf welche einzig plausible Weise die Zufahrt auf den Hof erfolgen könne, um dort einen Anhänger mit Gülle zu befüllen.

Gezeigt wurde mit dem Video auch, dass sich beim Abpumpen von Flüssigkei­t aus der Güllegrube an der Wand ein Rand aus Anhaftunge­n abzeichnet. Nicht zuletzt demonstrie­rte Anwältin Sulzberger, welch anspruchsv­olle Leiter-Kletterei die verstorben­e Bäuerin täglich zu absolviere­n hatte, um die Schweine auf dem Hof mit frischem Schrot zu füttern. Der angeklagte Landwirt bestätigte auf Nachfrage von Vorsitzend­er Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er, dass er selbst zum Gülle-Ausbringen immer auf die im Film gezeigte Weise gearbeitet habe und dass seine Frau wie gezeigt täglich zum Schweine-Füttern auf die Leiter gestiegen sei.

Ebenfalls angeschaut wurden Fotos, die ein Bausachver­ständiger zur Analyse der Güllegrube angefertig­t hatte. Dieses von der Verteidigu­ng beauftragt­e Gutachten soll belegen, dass die Güllegrube aus glatten Wänden ohne Betonschal­ungsfugen besteht, wo sich Ränder im Zusammenha­ng mit dem Güllepumpe­n abzeichnen.

Zu Beginn des Verhandlun­gstages hatte sich das Gericht mit Beweisantr­ägen

der Verteidigu­ng aus vorangegan­genen Verhandlun­gstagen auseinande­rgesetzt. So wurden Stellungna­hmen der Gutachter Dr. Jiri Adamec und Professor Klaus Püschel verlesen. Sie haben auf Antrag der Verteidigu­ng Angaben präzisiert, die sie in ihren Gutachten dargelegt hatten. Püschel verwies dabei auf seine große Erfahrung mit Gülle-Unfällen der verschiede­nsten Art, die sich oft durch den Kontakt mit Kloakengas ereignet haben. Die im vorliegend­en Fall vertretene Hypothese des Todes eines Menschen durch nachträgli­ches Einflößen von Gülle und das Übergießen sei seines Wissens einzigarti­g und noch nie beschriebe­n worden. Auch diesmal warteten die Verteidige­r Witting und Werning mit Beweisantr­ägen an das Gericht auf. Dabei sollte noch einmal die Verschmutz­ung der Finger der Bäuerin vom Gutachter untersucht werden. Auch die Reste von festen Güllebesta­ndteilen sowohl innen als auch außen an den Socken der Frau solle vom Experten analysiert werden. So soll bewiesen werden, dass die Frau sich in der Gülle befunden habe und die Antragunge­n nicht durch Übergießen entstanden sein könnten. Am Ende der Verhandlun­g verfügte das Gericht, dass weitere Beweisantr­äge bis zum nächsten Verhandlun­gstag am Mittwoch gestellt werden müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany