Videodreh auf Bauernhof
Wie ein Film die Unschuld des Anklagten beweisen soll
Wallerstein-Birkhausen Gülleantragungen im Inneren von Socken, Schmutz unter den Fingernägeln und an den Nagelfalzen – scheinbare Kleinigkeiten können im Prozess um den Tod einer 51-jährigen Frau an einer Güllegrube in Birkhausen eine wichtige Rolle spielen. Seit Wochen versucht die Verteidigung die Unschuld ihres Mandanten, eines 55-jährigen Landwirts, zu belegen. Dem Mann wird vorgeworfen, seine Ehefrau am 20. September 2018 aus Habgier umgebracht zu haben. Er selbst bestreitet dies nach wie vor. Die Frau war an der Güllegrube liegend tot gefunden worden.
In der jüngsten Sitzung beschäftigten sich die drei Berufs- und zwei Laienrichter des Augsburger Landgerichts mit einigen dieser Beweisanträge. So wurde ein Video, bestehend vorgeführt, das die Rechtsanwälte Peter Witting, Nico Werning und Martina Sulzberger hatten drehen lassen. Ein Regisseur und ein Kameramann aus Berlin waren dafür im Januar auf dem Hof des Angeklagten tätig.
Auch diese Filmstücke sollten die These eines Unfallgeschehens belegen helfen, das die Verteidigung als Ursache für den Tod der 51-jährigen Bäuerin verantwortlich macht. So wurde mithilfe eines Landwirts aus der Nachbarschaft und einem Traktorgespann nachgestellt, auf welche einzig plausible Weise die Zufahrt auf den Hof erfolgen könne, um dort einen Anhänger mit Gülle zu befüllen.
Gezeigt wurde mit dem Video auch, dass sich beim Abpumpen von Flüssigkeit aus der Güllegrube an der Wand ein Rand aus Anhaftungen abzeichnet. Nicht zuletzt demonstrierte Anwältin Sulzberger, welch anspruchsvolle Leiter-Kletterei die verstorbene Bäuerin täglich zu absolvieren hatte, um die Schweine auf dem Hof mit frischem Schrot zu füttern. Der angeklagte Landwirt bestätigte auf Nachfrage von Vorsitzender Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser, dass er selbst zum Gülle-Ausbringen immer auf die im Film gezeigte Weise gearbeitet habe und dass seine Frau wie gezeigt täglich zum Schweine-Füttern auf die Leiter gestiegen sei.
Ebenfalls angeschaut wurden Fotos, die ein Bausachverständiger zur Analyse der Güllegrube angefertigt hatte. Dieses von der Verteidigung beauftragte Gutachten soll belegen, dass die Güllegrube aus glatten Wänden ohne Betonschalungsfugen besteht, wo sich Ränder im Zusammenhang mit dem Güllepumpen abzeichnen.
Zu Beginn des Verhandlungstages hatte sich das Gericht mit Beweisanträgen
der Verteidigung aus vorangegangenen Verhandlungstagen auseinandergesetzt. So wurden Stellungnahmen der Gutachter Dr. Jiri Adamec und Professor Klaus Püschel verlesen. Sie haben auf Antrag der Verteidigung Angaben präzisiert, die sie in ihren Gutachten dargelegt hatten. Püschel verwies dabei auf seine große Erfahrung mit Gülle-Unfällen der verschiedensten Art, die sich oft durch den Kontakt mit Kloakengas ereignet haben. Die im vorliegenden Fall vertretene Hypothese des Todes eines Menschen durch nachträgliches Einflößen von Gülle und das Übergießen sei seines Wissens einzigartig und noch nie beschrieben worden. Auch diesmal warteten die Verteidiger Witting und Werning mit Beweisanträgen an das Gericht auf. Dabei sollte noch einmal die Verschmutzung der Finger der Bäuerin vom Gutachter untersucht werden. Auch die Reste von festen Güllebestandteilen sowohl innen als auch außen an den Socken der Frau solle vom Experten analysiert werden. So soll bewiesen werden, dass die Frau sich in der Gülle befunden habe und die Antragungen nicht durch Übergießen entstanden sein könnten. Am Ende der Verhandlung verfügte das Gericht, dass weitere Beweisanträge bis zum nächsten Verhandlungstag am Mittwoch gestellt werden müssen.