Der neue Mann
Corona verändert nicht nur die Welt, sondern auch den deutschen Mann. In abgelaufenen Zeiten verdeutlichte der Wildwestfilm das maskuline Ideal. Da vertraute der Mann noch auf Faust und Revolver, auf Reitkunst und Tatendrang. Nebenbei brach er Frauenherzen. Das ist vorbei. Das freie Leben in der bundesrepublikanischen Prärie ist von der familiären Isolationshaft im Wohnzimmer abgelöst worden. Dort gibt es zwar keine Ganoven, die besiegt werden müssen. Aber es gibt genervte Ehefrauen. Sie attackieren den Mann an ihrer Seite nicht mit einem Colt, dafür aber mit bissigen Bemerkungen und manchmal auch mit handgreiflichen Zurechtweisungen. Immer mehr Mannsbilder fühlen sich schutzbedürftig und verfolgt. Aktuelle Kriminalstatistiken belegen, dass 75 Prozent aller Menschen, die unter körperlicher Gewalt zu leiden haben, männlich sind. Da ist Hilfe nötig. In Bayern und Nordrhein-Westfalen ist für geschlagene Herren bereits ein Notruftelefon eingerichtet worden. Sobald die Nummer gewählt ist, kann sich der Mann ausweinen und anschließend trösten lassen.
Dringend gefragt ist jetzt die verständnisvolle Frau, die ihren verzweifelt umherirrenden Mann mit einem Lockruf zurückholt und sich damit ein so schönes Erlebnis sichert, wie es Adelbert von Chamisso in seiner „Schlemihl“-Geschichte geschildert hat: „Als der gute Mann meine Stimme erkannte, konnte er seine Freude kaum bändigen, die Thür flog auf, wir lagen weinend einander in den Armen.“