Donauwoerther Zeitung

Es ist kein richtiger Abschied

Jörg Fischer ist nicht mehr Bürgermeis­ter, doch als Quartiersm­anager hat er weiterhin eine wichtige Aufgabe in der Parkstadt. Was ihn nach seinem Stadtrats-Ausscheide­n bewegt

- VON HELMUT BISSINGER

Donauwörth Die Situation war angespannt. Die Parkstadt in Donauwörth, im Grunde eine gehobene Wohngegend, drohte zum Pulverfass zu werden. Deutsche aus Russland und Kasachstan waren dorthin gezogen und drohten nach der Einschätzu­ng der Einwohner die Balance aus dem Gleichgewi­cht zu bringen. Dabei fühlten sich auch die Neuankömml­inge unwohl. Daran erinnert sich noch einer sehr gut, dem es gelang, die Lage zu beruhigen: Jörg Fischer.

Seit einigen Tagen ist Fischer nicht mehr Bürgermeis­ter. Nach 18 Jahren als Zweiter Bürgermeis­ter war er es selbst, der den Abschied einleitete. So gehe er nicht mit Wehmut, aber doch mit Dankbarkei­t. Es sei ihm eine Ehre gewesen, den Menschen in Donauwörth dienen zu dürfen, sagt er.

„Soziale Stadt“nennt sich das Projekt, mit dessen Hilfe Fischer die Kulturen in der Parkstadt zusammenge­führt und das gegenseiti­ge Verständni­s gefördert hat. Als Berufsoffi­zier war er aus der Bundeswehr ausgeschie­den und sogleich der SPD beigetrete­n, „ausgerüste­t mit einem breiten Fundament an politische­r Bildung“. Fischers Interesse an der Politik war während seiner Zeit als Berufssold­at geweckt worden.

Im Jahre 2002 ging es schnell: Fischer wurde in den Stadtrat gewählt und von diesem sogleich auch als Bürgermeis­ter, also Stellvertr­eter von Oberbürger­meister Armin Neudert. Seither, behaupten nicht wenige, seien die beiden ein gutes Tandem gewesen. Fischer hat seinem OB über viele Jahre den Rücken freigehalt­en, dafür aber auch ein „Haus der Begegnung“bekommen. Es sei eminent wichtig, in das entspreche­nde Förderprog­ramm zu kommen, blickt er heute zurück. Nichtsdest­otrotz musste Jörg Fischer des Öfteren zu nächtliche­r Stunde ausrücken und zur Ruhe mahnen.

Für die Religion des Islam hat sich der in der damaligen DDR geborene Fischer besonders interessie­rt, „zunehmend“, wie er sagt. Er hatte erkannt, „dass wir im fairen Miteinande­r gut leben können“. Das Verständni­s für andere Kulturen zu wecken, ist eines seiner Hauptanlie­gen, weil ihm der Kontakt zu Menschen guttut. Ein klein wenig stolz ist Fischer, dass er sich immer um die Anliegen von Bürgerinne­n und Bürger gekümmert habe.

Dass das Zusammenle­ben in der

Parkstadt mittlerwei­le problemlos sei, freut Fischer. Er wird auch künftig Quartiersm­anager sein, so hat es der Stadtrat entschiede­n. So wird er wohl auch künftig viele Stunden im Bürgerhaus verbringen. Jetzt heißt es erst einmal abwarten, hat die Corona-Pandemie doch alle Aktivitäte­n im Haus gestoppt – und das waren viele. Fischer wünscht sich nichts mehr, als dass das Haus wieder belebt wird. Dann wird er auch wieder an der Lehrerakad­emie in Dillingen die Pädagogen von Klassen mit starker Integratio­nsprägung unterricht­en können. Und dann wird er auch wieder bei der Volkshochs­chule zu diesem Thema

Vorträge halten können. 94 Ethnien leben heute in der Parkstadt, 12,7 Prozent der Einwohner sind Ausländer. „Eine Herausford­erung“, weiß Fischer, der er sich aber gerne stelle. Mit Freude wolle er neue Ideen umsetzen und die anstehende­n Aufgaben bewältigen. Wenn dem 72-Jährigen doch einmal alles zu viel wird, legt er eine alte SchellackP­latte auf, um sich eine Elvis-Aufnahme anzuhören.

Apropos Elvis Presley: Der amerikanis­che Kult-Sänger hatte es bereits dem 16-jährigen Jörg Fischer angetan. Und das ist bis heute so geblieben. Als Schüler gründete er eine Rock’n-Roll-Band und auch jetzt ist er wieder Sänger in einer Rockband. „Fischer and Friends“sind Jörg Fischer, Michael Zinsmeiste­r, Martin Peter und Ralf Markuse.

Die vier rocken Klassiker der Rolling Stones, Eric Burdon, The Who, The Hollies, Manfred Mann, AC/DC oder Status Quo. Momentan ist nicht einmal eine Probe möglich. Einige Auftrittst­ermine fielen bereits dem Virus zum Opfer. Umso mehr freut sich Fischer auf die Zeit, „wenn wir wieder richtig rocken dürfen“– und wenn Fischer mit seinen Freunden wieder das „Gefühl einer ganzen Generation“aufleben lässt.

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Foto: Helmut Bissinger An diesem Ort wird Jörg Fischer weiterhin im Dienst der Stadt und ihrer Bewohner tätig sein: im Haus der Begegnung in der Donauwörth­er Parkstadt.

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