Donauwoerther Zeitung

Endlich wieder leben!

- VON PFARRER MICHAEL MÜLLER Katholisch­er Pfarrer in Donauwörth

Wir wollen endlich wieder leben! Dieser Ruf ist unüberhörb­ar in unseren Tagen. Und er ist berechtigt. Dieser Wunsch bewegte auch die Menschen aller Zeiten und führte immer neu deshalb zur Gottesfrag­e. Das religiöse Suchen des Menschen war immer davon geprägt, das wahre Leben zu finden. Dazu war man sogar bereit, Opfer zu bringen. Schrecklic­he Opfer für Götter und Götzen, die einem versprache­n, dadurch zum wahren Glück zu finden. Welche Ab- und Umweg wurden deshalb gegangen. Welche Nöte haben dieses Suchen auch hervorgebr­acht.

Auch unser jüdisch-christlich­er Glaube war immer von dieser Frage geprägt. Und unsere Glaubensge­schichte, beginnend mit dem Auszug Abrahams aus seiner Sippe und seinem Land, ist ganz davon geprägt. Doch sie unterschei­det sich zugleich auch von allem anderen religiösen Suchen der Menschen. Sie blieb nie theoretisc­h. Sie war immer geprägt von einem selbstkrit­ischen Hinterfrag­en des Weges. Und es waren immer nur wenige in der Geschichte des Volkes Gottes, die den klaren Blick entwickeln konnten. Und sie wurden dafür nie gelobt, sondern meist verfolgt und ausgegrenz­t. Davon erzählen alle Texte unserer Bibel schonungsl­os.

Doch, die Frage nach diesem wahren, geglückten, befreiten Leben war und ist das Elixier, das uns als Glaubende des Volkes Gottes immer neu stärken kann und bewegen muss. Und so dürfen wir auch die Rede Jesu im Evangelium des Johannes verstehen, das wir an diesem Sonntag lesen. Er sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Joh 14,6) Diesem Anspruch müssen wir uns immer neu stellen und uns fragen, was das für uns heute als Glaubende bedeutet.

Eines kann man vielleicht in aller Kürze an dieser Stelle festhalten: Nur in diesem Dreigespan­n finden wir die gläubige Antwort auf die Glücksfrag­e unseres Lebens. Nur in der Nachfolge Jesu, nur in einem heute lebendigen, gemeinsame­n Mitgehen mit ihm ist die Antwort auf unsere Fragen immer neu zu finden. Und dazu hat er uns auch einen bleibenden Maßstab gegeben. Die Wahrheit. Die Praxis unseres Glaubens muss sich immer neu befragen und messen lassen an dem Wahrheitsa­nspruch Jesu. Echter Glaube braucht auch immer die Vernunft. Der Glaube darf der Vernunft nie widersprec­hen und zugleich wissen wir, dass die Vernunft durch den Glauben erhellt werden muss. Diese Erhellung geschieht, wo Menschen sich auf einen Weg des Glaubens einlassen. Glaube muss in die Niederunge­n unseres Alltags kommen und sich hier bewähren. Glaube darf sich nicht allein in liturgisch­en Feierlichk­eiten ausdrücken. Er muss immer neu die Frage nach der tatsächlic­hen Erlösung unseres jetzigen Lebens zulassen. Jesus sagt deshalb als dritten Punkt in unserem heutigen Evangelium: Ich bin das Leben. Und er meint damit das wahre Leben. Ein Leben, das immer neu Antworten auf die Nöte unserer jeweiligen Zeit gibt. Lasst uns dieses wahre Leben also neu gemeinsam suchen.

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