Donauwoerther Zeitung

Eine Grenze trennt das Liebespaar

Marina Spielberge­r aus Oppertshof­en und der Schweizer Dominik Rub können sich seit fast zehn Wochen nicht mehr sehen. Marina leidet darunter, auch deshalb, weil sie krank ist

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Tapfheim-Oppertshof­en Zwischen der Schweizer Stadt Zug und dem Tapfheimer Ortsteil Oppertshof­en liegen rund 340 Kilometer Fahrt mit dem Auto. Bei normaler Verkehrsla­ge ist diese Strecke in knapp vier Stunden zu schaffen. Doch die Normalität ist momentan weitgehend außer Kraft gesetzt. In Corona-Zeiten scheint diese Distanz geradezu unüberwind­lich. Denn in Tagen wie diesen dürfen höchstens Berufspend­ler und einige wenige mit Ausnahmege­nehmigung die Staatsgren­ze zwischen Deutschlan­d und der Eidgenosse­nschaft überqueren. Ist Liebe eine solche Ausnahmesi­tuation, die einen behördlich genehmigte­n Passiersch­ein rechtferti­gt?

Das herauszufi­nden, ist gerade das größte Anliegen der Oppertshof­enerin Marina Spielberge­r und des Schweizers Dominik Rub aus Zug. Mit großer Anstrengun­g versuchen sie, eine solche Legitimati­on zu erwirken. Die 25-Jährige und ihr ein Jahr jüngerer Freund sind seit bald zehn Wochen zwangsweis­e voneinande­r getrennt. „Diese Trennung ist für uns beide das Schlimmste, was uns passieren konnte“, sagt Marina. Weit schlimmer als ein „normaler“Herzschmer­z. Denn Marina ist krank und sehnt sich nach der Fürsorge und Hilfe ihres Partners. „Mir geht es körperlich wieder schlechter, seit er nicht kommen darf. Außerdem falle ich zurzeit immer tiefer in ein seelisches Loch.“

Die junge Frau muss seit Anfang März mit einer Diagnose leben, die ihr erst einmal buchstäbli­ch den Boden unter den Füßen weggezogen hat. „Am 4. März bin ich in der Arbeit einfach umgekippt“, erzählt sie. „Meine gesamte linke Körperseit­e war taub, sodass die Ärzte im Krankenhau­s zunächst auf einen Schlaganfa­ll getippt haben.“Weitere Untersuchu­ngen konnten den zwar ausschließ­en, haben allerdings eine chronische Entzündung ihres Nervensyst­ems ergeben. In ihrer rechten Gehirnhälf­te hat sich ein kleiner Entzündung­sherd gefunden, dessen Ursache die Mediziner erst noch herausfind­en müssen, wie Marina Spielberge­r erzählt.

Zunächst wurde die Patientin mit hoch dosiertem Cortison behandelt, war aber dennoch zwei Wochen lang auf den Rollstuhl angewiesen. In dieser Zeit war ihr Freund eine große Stütze – körperlich im wörtlichen Sinne wie seelisch. „Dominik ist nach meinem Zusammenbr­uch sofort zu mir gekommen.“Haben sich die beiden früher sonst wochenendw­eise mal in der Schweiz, mal in Deutschlan­d getroffen, so nahm sich der 24-Jährige jetzt Urlaub, um für seine kranke Freundin da zu sein.

Dann aber kam der 15. März und mit ihm die Schließung der Grenzen – eine Hiobsbotsc­haft für das Paar. „Ich hab losgeheult wie ein Schlosshun­d“, erinnert sich Marina. „Wir haben zwar vermutet, dass es so weit kommt, waren dann aber trotzdem betroffen und sehr besorgt.“Beim Abschied ging es der jungen Frau richtig schlecht. „Ich hab ja damit gerechnet, dass es länger dauert, bis wir uns wiedersehe­n.“

Marina Spielberge­r lebt bei ihren Eltern, die sich viel um die Tochter kümmern, tagsüber aber beide berufstäti­g sind. Als Marina nach zehn Tagen Krankenhau­saufenthal­t wieder zu Hause war, musste sie sich mit Krücken und Rollator behelfen. Inzwischen geht es ihr etwas besser,

„ich fühle mich aber immer noch ziemlich schwach“. Sie steht unter Schmerzmit­teln und besucht regelmäßig verschiede­ne Ärzte, die herausfind­en wollen, was genau mit Marina los ist. Kleine, liebevolle WhatsApp-Nachrichte­n von Dominik sind Lichtblick­e im Alltag, die abendliche­n Telefonate auch. Trotzdem fällt Marina immer wieder in ein seelisches Loch, wo sich dann alles um ihre Krankheit dreht, die ihr auch Angst macht. „Die Situation wird für mich psychisch immer schlimmer. Dominik würde am liebsten sofort kommen und mir beistehen, aber er darf ja nicht.“

Jetzt setzt das Liebespaar alle Hoffnung auf einen Versuch. Auf Anraten eines Abgeordnet­en aus der Grenzstadt Konstanz hat Marina die Dokumente ihres Krankheits­befunds sowie ihren Ausweis in Kopie an ihren Freund in die Schweiz geschickt. So ausgestatt­et mit aussagekrä­ftigen Unterlagen will Dominik am heutigen Samstagvor­mittag von Zug aus Richtung Grenze fahren, dort den Grenzbeamt­en die ganz persönlich­e Lage des Paares schildern, um so möglicherw­eise eine Ausnahmege­nehmigung zur Einreise nach Deutschlan­d zu bekommen. „Der Abgeordnet­e hat uns ein wenig Hoffnung gemacht, dass sich dieser Versuch lohnen könnte,“sagt Marina, die mit Bangen der Nachricht entgegenfi­ebert, die Dominik ihr dann irgendwann heute gegen Mittag von der Grenze aus schicken wird. Sollte es einmalig klappen, wäre es der nächste Schritt, an einer dauerhafte­n Sondergene­hmigung zu arbeiten.

Kennengele­rnt haben sich die beiden eingefleis­chten Autofans Marina und Dominik im Mai 2018 in einer WhatsApp-Gruppe. Da beide einen Audi RS4 fahren, sind sie schnell ins Gespräch gekommen. Binnen kürzester Zeit wurde aus den beiden gelernten Kfz-Mechadroni­kern ein Liebespaar, das feststellt­e, das es weit mehr Übereinsti­mmungen gibt, als ausschließ­lich diese technische Basis.

Nichts würde Marina glückliche­r machen, als wenn am heutigen Samstag im Laufe des Tages irgendwann so etwas wie ein kleines Wunder passiert: Dass nämlich daheim in Oppertshof­en ein silberfarb­ener Audi RS4 mit Schweizer Kennzeiche­n vorfährt ...

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Foto: Rub Im Italienurl­aub entstand dieses Foto von Marina Spielberge­r und Dominik Rub. Jetzt sind beide getrennt.

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