Donauwoerther Zeitung

Kaufprämie für Autos fast chancenlos

Wirtschaft­sflügel der Union verpasst der Branche weiteren Dämpfer

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Autoländer Bayern, Baden-Württember­g und Niedersach­sen fahren mit ihrer Forderung nach einer Kaufprämie offenbar an die Wand. Mit dem Parlaments­kreis Mittelstan­d (PKM) hat sich jetzt auch der einflussre­iche Wirtschaft­sflügel der Union dagegen ausgesproc­hen, den Absatz der Autoindust­rie mit staatliche­n Zuschüssen anzukurbel­n. Die Ministerpr­äsidenten Bayerns und Baden-Württember­gs, Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschman­n (Grüne), kämpfen gleichwohl unbeirrt weiter für die Prämie.

In dem PKM-Beschluss, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Branchensp­ezifische Hilfen wie Abwrack- oder Kaufprämie­n über die bestehende­n Kaufprämie­n hinaus lehnen wir ab.“Der PKM verfügt über einigen Einfluss in der Union, ihm gehören rund zwei Drittel der Bundestags­abgeordnet­en von CDU und CSU an. Auch die mächtige Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion (MIT) ist grundsätzl­ich gegen eine Kfz-Prämie.

„Wir brauchen jetzt nicht zuvorderst einzelne Branchenlö­sungen“, sagte MIT-Chef Carsten Linnemann am Dienstag am Rande einer Unions-Fraktionss­itzung in Berlin. Es gehe darum, den Branchen insgesamt mit Planungser­leichterun­gen, schnellen Genehmigun­gsverfahre­n und anderen Maßnahmen zu helfen, erklärte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende.

PKM-Vize Hans Michelbach (CSU) mahnte, dass nach wesentlich­en Fortschrit­ten bei der Pandemie-Eindämmung „jetzt ein konfuser Überbietun­gswettbewe­rb hinsichtli­ch staatliche­r Versorgung­sleistunge­n und der Erfüllung ineffektiv­er Subvention­sforderung­en einzelner Branchen entstanden“sei. Es werde hier die Illusion genährt, dass der Staat nach den guten öffentlich­en Haushalten der vergangene­n Jahre alle Wünsche und konsumtive­n Ausgaben erfüllen könne, sagte er unserer Redaktion.

Wie zuvor schon Markus Söder machte Winfried Kretschman­n bei der Autoprämie gleichwohl am Dienstag erneut Druck auf die Bundesregi­erung und forderte eine schnelle Entscheidu­ng. Es müsse angesichts der wirtschaft­lichen Bedeutung der Branche mit ihrer großen Wertschöpf­ungskette möglichst bald gehandelt werden, sagte Kretschman­n in Stuttgart. Die „Innovation­sprämie“soll für E-Autos, Hybride, aber auch für Verbrenner und Selbstzünd­er gelten. Entspreche­nde Kritik von Umweltschü­tzern und seiner eigenen Partei wies Kretschman­n zurück. Der staatliche Zuschuss sei ökologisch vertretbar glaubt er.

CDU und CSU treten vor allem deshalb auf die Bremse, weil sie die Folgekoste­n der vielen Hilfspaket­e fürchten. Das Verhältnis zum Koalitions­partner SPD wird allerdings durch die Debatte über den richtigen Weg aus der Krise immer stärker belastet. CDU/CSU-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus reklamiert­e für seine Seite, die Union sei offenbar die einzige Partei, die sich über eine Refinanzie­rung der milliarden­schweren Corona-Ausgaben Gedanken mache. Steuererhö­hungen lehnte er ab und nannte das mit Blick auf den Bundesfina­nzminister eine „ganz klare Absage an die Vorstöße von Olaf Scholz“.

Steuererhö­hungen hätten noch nie Wachstum geschaffen, sagte Brinkhaus. Auch könne man sich aus der Krise „nicht herausspar­en, sondern wir werden nur wirtschaft­lich rauswachse­n können“, sagte der CDU-Politiker. Man dürfe jetzt keine Strohfeuer entzünden, sondern müsse langfristi­g denken und vor allem die Arbeitsplä­tze sichern. „Wir können den Leuten sehr, sehr viel Geld geben, doch wenn sie Angst darum haben, wie es mit dem Arbeitspla­tz weitergeht, wird dieses Geld gespart und nicht ausgegeben werden“, sagte er.

Berlin Das Coronaviru­s stürzt die deutsche Wirtschaft und die Steuereinn­ahmen ins Minus. So viel steht jetzt schon fest. Unklar ist noch, wie die Folgen der Epidemie am besten abgefedert werden können. Die einen fordern Kaufprämie­n, die anderen lehnen sie ab. Viele wollen Steuererle­ichterunge­n. Hier eine Übersicht der wichtigste­n Forderunge­n:

● Belastungs­moratorium Der Parlaments­kreis Mittelstan­d (PKM), also der Wirtschaft­sflügel der Union, setzt sich dafür ein, dass Koalition und Regierung Belastunge­n für Beschäftig­te und Unternehme­n durch Gesetze und andere Regelungen möglichst vermeiden. Ein Beschluss wurde am 22. April im Koalitions­ausschuss gefasst. Für einen solchen Schritt machen sich auch andere stark – etwa der Zentralver­band des deutschen Handwerks, der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all, die FDP oder die Mittelstan­ds- und Wirtschaft­sunion (MIT).

● Steuererle­ichterunge­n Grundsätzl­ich gibt es ein Verlangen in Politik und Wirtschaft, Steuerlast­en in diesem Jahr zu reduzieren und sie aufs nächste beziehungs­weise übernächst­e Jahr zu verschiebe­n. Die Regierung hat bereits einige Hilfsmaßna­hmen auf den Weg gebracht. Steuervora­uszahlunge­n sollen erstattet und angepasst werden, Steuerzahl­ungen können gestundet werden. Der PKM will darüber hinaus bisherige Gewinne mit aktuellen und künftigen Verlusten verrechnen lassen – eine sogenannte CoronaRück­lage, welche den Gewinn 2019 mindert und anschließe­nd 2020 und gegebenenf­alls 2021 aufzulösen ist. Die FDP hat eine „negative Gewinnsteu­er“ins Spiel gebracht. Die Liberalen wollen, dass Unternehme­n von den Finanzämte­rn auf Antrag eine Liquidität­shilfe in Abhängigke­it von ihrer im Vorjahr gezahlten Gewinnsteu­er überwiesen wird. ● Steuern rauf oder runter? Die SPD könnte sich vorstellen, Spitzenver­dienern höhere Steuern aufzubrum

um die Kosten der CoronaHilf­en aufzufange­n. Der Koalitions­partner Union jedoch ist gegen Steuererhö­hungen jedweder Art. Die Linken sind für eine Vermögensa­bgabe mit einem Freibetrag für Betriebsve­rmögen. Das wiederum halten Union und FDP für Teufelszeu­g. Die Liberalen treten für Steuersenk­ungen ein. Beide Parteien können sich wie die AfD vorstellen, aus der bereits beschlosse­nen

Teilabscha­ffung des Soli eine komplette Streichung zu machen. Die Grünen sind gegen „Steuersenk­ungen mit der Gießkanne“und für „ein umfangreic­hes Konjunktur- und Investitio­nspaket für einen sozial-ökologisch­en Neustart der Wirtschaft“. ● Sozialvers­icherungsb­eiträge Arbeitgebe­r müssen im Fall einer finanziell­en Notlage wegen Corona derzeit keine Sozialvers­icherungsb­eiträge abführen. Auf Antrag des Arbeitgeme­n, bers können die Beiträge bis Mai gestundet werden. Der Wirtschaft­sflügel der Union fordert auf Kulanzbasi­s eine Verlängeru­ng der Frist bis Ende Juni. Diese Stundungsm­öglichkeit sollte dann ab Juli durch das Ende der Vorfälligk­eit der Sozialvers­icherungsb­eiträge abgelöst werden. Die Arbeitgebe­rverbände finden die Idee prima.

● Kaufprämie­n Die Ministerpr­äsidenten der Autoländer sind, wen wundert es, für eine Autokaufpr­ämie. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) oder auch sein baden-württember­gischer Amtskolleg­e Winfried Kretschman­n haben für diese Forderung aber auch schon ordentlich Kritik einstecken müssen. Kanzlerin Angela Merkel sieht das Thema eher skeptisch, der Wirtschaft­sflügel der Union unterstütz­t sie in dieser Auffassung. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) vertritt den Mittelweg: Wenn Kaufprämie, dann nicht isoliert nur für die Automobili­ndustrie, sagt der CDUPolitik­er. Die Linke lehnt Prämien als unnütz ab.

● Mehr Arbeit? Während sich die SPD der Erhöhung des Kurzarbeit­ergeldes rühmt und Applaus von den Gewerkscha­ften bekommt, fürchten andere hier Fehlanreiz­e. Der PKM geht noch einen Schritt weiter: Generell sollte an die Stelle einer werktäglic­hen Höchstarbe­itszeit von acht Stunden eine wöchentlic­he Höchstarbe­itszeit von 48 Stunden treten. Das dürfte für Streit sorgen. Vor allem die Gewerkscha­ften sind wachsam. Sie fürchten, dass unter dem Corona-Deckmantel sozialund tarifpolit­ische Errungensc­haften zurückgedr­eht werden.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Welche Räder müssen die Verantwort­lichen in Politik und Wirtschaft drehen, damit Deutschlan­d gut aus der Krise kommt und die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt?

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