Kaufprämie für Autos fast chancenlos
Wirtschaftsflügel der Union verpasst der Branche weiteren Dämpfer
Berlin Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen fahren mit ihrer Forderung nach einer Kaufprämie offenbar an die Wand. Mit dem Parlamentskreis Mittelstand (PKM) hat sich jetzt auch der einflussreiche Wirtschaftsflügel der Union dagegen ausgesprochen, den Absatz der Autoindustrie mit staatlichen Zuschüssen anzukurbeln. Die Ministerpräsidenten Bayerns und Baden-Württembergs, Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne), kämpfen gleichwohl unbeirrt weiter für die Prämie.
In dem PKM-Beschluss, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Branchenspezifische Hilfen wie Abwrack- oder Kaufprämien über die bestehenden Kaufprämien hinaus lehnen wir ab.“Der PKM verfügt über einigen Einfluss in der Union, ihm gehören rund zwei Drittel der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU an. Auch die mächtige Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) ist grundsätzlich gegen eine Kfz-Prämie.
„Wir brauchen jetzt nicht zuvorderst einzelne Branchenlösungen“, sagte MIT-Chef Carsten Linnemann am Dienstag am Rande einer Unions-Fraktionssitzung in Berlin. Es gehe darum, den Branchen insgesamt mit Planungserleichterungen, schnellen Genehmigungsverfahren und anderen Maßnahmen zu helfen, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
PKM-Vize Hans Michelbach (CSU) mahnte, dass nach wesentlichen Fortschritten bei der Pandemie-Eindämmung „jetzt ein konfuser Überbietungswettbewerb hinsichtlich staatlicher Versorgungsleistungen und der Erfüllung ineffektiver Subventionsforderungen einzelner Branchen entstanden“sei. Es werde hier die Illusion genährt, dass der Staat nach den guten öffentlichen Haushalten der vergangenen Jahre alle Wünsche und konsumtiven Ausgaben erfüllen könne, sagte er unserer Redaktion.
Wie zuvor schon Markus Söder machte Winfried Kretschmann bei der Autoprämie gleichwohl am Dienstag erneut Druck auf die Bundesregierung und forderte eine schnelle Entscheidung. Es müsse angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Branche mit ihrer großen Wertschöpfungskette möglichst bald gehandelt werden, sagte Kretschmann in Stuttgart. Die „Innovationsprämie“soll für E-Autos, Hybride, aber auch für Verbrenner und Selbstzünder gelten. Entsprechende Kritik von Umweltschützern und seiner eigenen Partei wies Kretschmann zurück. Der staatliche Zuschuss sei ökologisch vertretbar glaubt er.
CDU und CSU treten vor allem deshalb auf die Bremse, weil sie die Folgekosten der vielen Hilfspakete fürchten. Das Verhältnis zum Koalitionspartner SPD wird allerdings durch die Debatte über den richtigen Weg aus der Krise immer stärker belastet. CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus reklamierte für seine Seite, die Union sei offenbar die einzige Partei, die sich über eine Refinanzierung der milliardenschweren Corona-Ausgaben Gedanken mache. Steuererhöhungen lehnte er ab und nannte das mit Blick auf den Bundesfinanzminister eine „ganz klare Absage an die Vorstöße von Olaf Scholz“.
Steuererhöhungen hätten noch nie Wachstum geschaffen, sagte Brinkhaus. Auch könne man sich aus der Krise „nicht heraussparen, sondern wir werden nur wirtschaftlich rauswachsen können“, sagte der CDU-Politiker. Man dürfe jetzt keine Strohfeuer entzünden, sondern müsse langfristig denken und vor allem die Arbeitsplätze sichern. „Wir können den Leuten sehr, sehr viel Geld geben, doch wenn sie Angst darum haben, wie es mit dem Arbeitsplatz weitergeht, wird dieses Geld gespart und nicht ausgegeben werden“, sagte er.
Berlin Das Coronavirus stürzt die deutsche Wirtschaft und die Steuereinnahmen ins Minus. So viel steht jetzt schon fest. Unklar ist noch, wie die Folgen der Epidemie am besten abgefedert werden können. Die einen fordern Kaufprämien, die anderen lehnen sie ab. Viele wollen Steuererleichterungen. Hier eine Übersicht der wichtigsten Forderungen:
● Belastungsmoratorium Der Parlamentskreis Mittelstand (PKM), also der Wirtschaftsflügel der Union, setzt sich dafür ein, dass Koalition und Regierung Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen möglichst vermeiden. Ein Beschluss wurde am 22. April im Koalitionsausschuss gefasst. Für einen solchen Schritt machen sich auch andere stark – etwa der Zentralverband des deutschen Handwerks, der Arbeitgeberverband Südwestmetall, die FDP oder die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT).
● Steuererleichterungen Grundsätzlich gibt es ein Verlangen in Politik und Wirtschaft, Steuerlasten in diesem Jahr zu reduzieren und sie aufs nächste beziehungsweise übernächste Jahr zu verschieben. Die Regierung hat bereits einige Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Steuervorauszahlungen sollen erstattet und angepasst werden, Steuerzahlungen können gestundet werden. Der PKM will darüber hinaus bisherige Gewinne mit aktuellen und künftigen Verlusten verrechnen lassen – eine sogenannte CoronaRücklage, welche den Gewinn 2019 mindert und anschließend 2020 und gegebenenfalls 2021 aufzulösen ist. Die FDP hat eine „negative Gewinnsteuer“ins Spiel gebracht. Die Liberalen wollen, dass Unternehmen von den Finanzämtern auf Antrag eine Liquiditätshilfe in Abhängigkeit von ihrer im Vorjahr gezahlten Gewinnsteuer überwiesen wird. ● Steuern rauf oder runter? Die SPD könnte sich vorstellen, Spitzenverdienern höhere Steuern aufzubrum
um die Kosten der CoronaHilfen aufzufangen. Der Koalitionspartner Union jedoch ist gegen Steuererhöhungen jedweder Art. Die Linken sind für eine Vermögensabgabe mit einem Freibetrag für Betriebsvermögen. Das wiederum halten Union und FDP für Teufelszeug. Die Liberalen treten für Steuersenkungen ein. Beide Parteien können sich wie die AfD vorstellen, aus der bereits beschlossenen
Teilabschaffung des Soli eine komplette Streichung zu machen. Die Grünen sind gegen „Steuersenkungen mit der Gießkanne“und für „ein umfangreiches Konjunktur- und Investitionspaket für einen sozial-ökologischen Neustart der Wirtschaft“. ● Sozialversicherungsbeiträge Arbeitgeber müssen im Fall einer finanziellen Notlage wegen Corona derzeit keine Sozialversicherungsbeiträge abführen. Auf Antrag des Arbeitgemen, bers können die Beiträge bis Mai gestundet werden. Der Wirtschaftsflügel der Union fordert auf Kulanzbasis eine Verlängerung der Frist bis Ende Juni. Diese Stundungsmöglichkeit sollte dann ab Juli durch das Ende der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge abgelöst werden. Die Arbeitgeberverbände finden die Idee prima.
● Kaufprämien Die Ministerpräsidenten der Autoländer sind, wen wundert es, für eine Autokaufprämie. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) oder auch sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Kretschmann haben für diese Forderung aber auch schon ordentlich Kritik einstecken müssen. Kanzlerin Angela Merkel sieht das Thema eher skeptisch, der Wirtschaftsflügel der Union unterstützt sie in dieser Auffassung. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vertritt den Mittelweg: Wenn Kaufprämie, dann nicht isoliert nur für die Automobilindustrie, sagt der CDUPolitiker. Die Linke lehnt Prämien als unnütz ab.
● Mehr Arbeit? Während sich die SPD der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes rühmt und Applaus von den Gewerkschaften bekommt, fürchten andere hier Fehlanreize. Der PKM geht noch einen Schritt weiter: Generell sollte an die Stelle einer werktäglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden treten. Das dürfte für Streit sorgen. Vor allem die Gewerkschaften sind wachsam. Sie fürchten, dass unter dem Corona-Deckmantel sozialund tarifpolitische Errungenschaften zurückgedreht werden.