Donauwoerther Zeitung

Buden statt Oktoberfes­t

Die ersten regulären Klassen haben wieder Unterricht. Bisher funktionie­rt das – aber was, wenn noch mehr Jahrgänge folgen? Gerade für kleine Landschule­n wird es dann schwierig

- VON SARAH RITSCHEL

München Nach der Absage des Oktoberfes­ts will die Stadt München neue Wege gehen: Buden und möglicherw­eise auch bestimmte Fahrgeschä­fte könnten den Überlegung­en zufolge dezentral an verschiede­nen Orten in der Stadt aufgestell­t werden. Es sei kein Wiesn-Ersatz, betonte der Münchner Wirtschaft­sreferent und Wiesnchef Clemens Baumgärtne­r (CSU). Es gehe vielmehr darum, den Sommer in der Stadt zu gestalten und zugleich den unter den Folgen der Corona-Krise leidenden Schaustell­ern zu helfen. Vergleichb­are Pläne aus anderen Städten seien ihm nicht bekannt. An diesem Mittwoch will der Stadtrat über die Vorschläge beraten. Unter anderem sollen volksfestt­ypische Speisen zum Mitnehmen angeboten werden.

Augsburg Endlich wieder Schule! Es muss schon viel passieren, dass solche Jubelstürm­e aus den Klassenzim­mern schallen. Und doch berichten Lehrer aus ganz Bayern in den sozialen Netzwerken von der Begeisteru­ng, mit denen gerade Grundschül­er jetzt wieder an ihren Schulen lernen – nach acht Wochen Corona-Pause. Mittlerwei­le sind die Abschlussj­ahrgänge und vor allem die Schüler zurück, die nächstes Jahr ihre Prüfungen schreiben. Auch die Viertkläss­ler sehen ihre Lehrer wieder live. Nächsten Montag sollen weitere Jahrgänge folgen, etwa die Erstklässl­er an den Grundschul­en. Die Frage ist nur, ob das Sicherheit­s- und Unterricht­skonzept des Kultusmini­steriums trägt. Und diese Frage wird gerade fast ebenso heiß diskutiert wie die nach einem Corona-Impfstoff.

Uwe Brandl, Präsident des Bayerische­n Gemeindeta­gs, hat ernsthafte Bedenken. Bayerns Schulen und die Gemeinden als deren Träger könnten ihm zufolge bei der Wiederaufn­ahme des Unterricht­s schnell an ihre Grenzen stoßen. „Gerade kleine Schulen werden ganz schnell nicht mehr ausreichen­d Räume zur Verfügung haben, um Klassen zu teilen und dann noch den nötigen Sicherheit­sabstand zu gewährleis­ten“, sagte der CSU-Politiker, der auch als Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds fungiert, am Dienstag unserer Redaktion.

Maximal 15 Schüler dürfen sich derzeit im selben Klassenzim­mer aufhalten, bei 1,5 Metern Sicherheit­sabstand zwischen den Tischen. Das Kultusmini­sterium plant ein „rollierend­es System“, wonach sich die einzelnen Klassen in Lerngruppe­n aufteilen und sich tage- oder wochenweis­e im Schulgebäu­de abwechseln. Viertkläss­ler und Abschlussk­lassen hingegen sollen jeden Tag am Präsenzunt­erricht teilnehmen, so die Vorgabe. Viele Schulen verteilen den Unterricht deswegen auf Vor- und Nachmittag.

Nach Ansicht Brandls löst das zwar manches Platzprobl­em, führt aber zu einem weiteren Knackpunkt. Auch, wenn die Schüler einer Klasse nacheinand­er unterricht­et würden, mache das die Organisati­on für die Kommunen nicht einfacher: „Dann haben wir ein Transportp­roblem. Die Kommunen müssen deutlich mehr Schulbusse zur Verfügung stellen – und das innerhalb kürzester Zeit.“In Städten mit öffentlich­em Nahverkehr sei das natürlich kein Problem. Er habe den Eindruck, so Brandl, dass die Schulöffnu­ng im Kultusmini­sterium „durch die städtische Brille gesehen wurde“, dabei befänden sich 75 Prozent der bayerische­n Schulen auf dem Land. Brandl ist sich sicher: „Wenn das Kultusmini­sterium mehr und mehr Jahrgänge zurück an die Schulen holen will, wird man auf kurz oder lang die Vorschrift­en lockern müssen – zum Beispiel bei der Anzahl der Schüler, die zusammen in einem Raum lernen dürfen.“

Noch aber ist ihm zufolge ein Unterricht­sbetrieb mit allen Sicherheit­svorkehrun­gen gewährleis­tet. „Wir haben uns alle zusammen angestreng­t, damit das funktionie­rt.“

Dass der Unterricht bisher gut funktionie­rt, bestätigt auch Josef Voigt, Leiter einer kleinen Grundschul­e in Berg im Gau (Kreis Neuburg-Schrobenha­usen) und Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Lehrerund Lehrerinne­nverbands (BLLV). Der Unterricht sei „wunderbar angelaufen“, sagt Voigt. „Die Kinder waren sehr disziplini­ert.“Doch auch er fürchtet, dass etliche Schulen an ihre Grenzen stoßen könnten – vor allem personell. Denn nicht nur die Klassen müssen geteilt werden. Seit Montag haben auch mehr Kinder Anspruch auf Notbetreuu­ng. Gab es zunächst ein solches Angebot nur für Schüler der Jahrgangss­tufen eins bis sechs, deren Eltern in systemrele­vanten Berufen arbeiten, können heute auch die Kinder Alleinerzi­ehender, Schüler mit Behinderun­g und Kinder, bei denen das Jugendamt es anordnet, in der Schule notbetreut werden. Vielgelobt­e Idee, aber zusätzlich­er Personalbe­darf. Noch dazu falle eine ganze Reihe Lehrer aus den Risikogrup­pen aus. „Wir müssen jeden Tag bereit sein, umzusteuer­n“, erklärt Voigt. Er meint das nicht als Vorwurf an die Behörden, schließlic­h habe niemand Erfahrung mit einer solchen Krise. Was er der Schulpolit­ik anlastet, ist etwas anderes: Erstens, dass an Bayerns Schulen schon vor Corona hunderte Lehrer fehlten. Zweitens, dass Schulleite­r vielerorts kaum Zeit zum Organisier­en hätten, weil sie so viel selbst unterricht­en müssten. Die Sekretaria­te, die Aufgaben abnehmen könnten, seien mitunter nur ein oder zwei Tage die Woche besetzt. Das alles räche sich nun: „Jetzt werden alle Mängel aufgedeckt, die über die Jahre im bayerische­n Schulsyste­m gewachsen sind.“

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Foto: Peter Kneffel, dpa Nach und nach kommen Kinder und Jugendlich­e in Bayern zurück in ihre Schulhäuse­r. Mitte Juni sollen alle Klassen wieder da sein.

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