Donauwoerther Zeitung

Ärger im Hause Seehofer

Corona-Maßnahmen: Kritischer Mitarbeite­r hat jetzt Dienstverb­ot

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Berlin Ein Mitarbeite­r des Bundesinne­nministeri­ums ist mit einem Dienstverb­ot belegt worden, weil er in seiner offizielle­n Funktion die Corona-Maßnahmen der Bundesregi­erung massiv kritisiert hat – auch gegenüber Beamten in den Ländern. Die Affäre hat im Haus von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) Staub aufgewirbe­lt. Sie hat einen langen Vorlauf. Denn bereits Mitte März meldete der Oberregier­ungsrat erste Zweifel bei Kollegen und Vorgesetzt­en an. Das geht aus internen Unterlagen hervor: einer 93-seitigen Kurzfassun­g sowie eine 192 Seiten umfassende Langfassun­g, die Analysen des Mitarbeite­rs und den Mailverkeh­r mit Kollegen und Vorgesetzt­en umfasst. Der Sprecher des Ministeriu­ms, Steve Alter, sagte am Dienstag, der Mitarbeite­r habe „ohne dienstlich­en Auftrag, außerhalb seiner Zuständigk­eit und ohne jede Autorisier­ung“gehandelt.

Der Mitarbeite­r schickte am vergangene­n Freitag zunächst eine E-Mail an führende Mitarbeite­r des Innenminis­teriums. Darin heißt es zum Beispiel, eine interne Analyse seines Referats ergebe „gravierend­e Fehlleistu­ngen des Krisenmana­gements“. Und: Die „Corona-Krise erweist sich wohl als Fehlalarm“. Das gleiche Papier hat er dann später offenbar an Mitarbeite­r der Landesinne­nministeri­en verschickt.

Der Mitarbeite­r gehört dem Referat KM4 des Innenminis­teriums an. Dieses ist für den Schutz der kritischen Infrastruk­tur zuständig. Dazu gehören Kraftwerke, Wasservers­orgung oder auch die medizinisc­he Versorgung. Er bemängelte zum Beispiel in einem Bericht am 23. März: „Es erscheint derzeit so, als würden wir unser Gemeinwese­n zerlegen, um Schlimmere­s zu verhindern. Aber was kann es Schlimmere­s geben, als dass unser Gemeinwese­n zerlegt ist?“Grundsatzf­ragen der Pandemie würden zu wenig beachtet, Daten fehlten.

Die Schutzmaßn­ahmen gegen das Virus schützten nicht etwa vor Todesfälle­n, sondern verschöben diese nur – doch wenn diese dann einträten, sei die Gesellscha­ft durch Schutzmaßn­ahmen geschwächt. „Der Zeitgewinn ist dann kein Vorteil, sondern ein zusätzlich­er Nachteil.“Um seine Thesen zu untermauer­n, führt der Beamte Daten staatliche­r Institutio­nen, Videos von Krankenpfl­egern aus den USA und Interviews mit Ärzten aus dem Ausland an, die sich gegen strenge Schutzmaßn­ahmen ausspreche­n.

Das Innenminis­terium teilte mit, es gehe nicht darum, dass ein Mitarbeite­r eine kritische Meinung äußert, sondern darum, dass er das unter dem Briefkopf des Ministeriu­ms mache und damit den Anschein erwecke, es handle sich um die Position des Hauses.

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