Donauwoerther Zeitung

Deutschlan­d braucht eine höhere Öko-Autoprämie

Die Branche ist für unsere Volkswirts­chaft derart wichtig, dass die Bundesregi­erung ein weiteres Signal zum Kauf von E-Fahrzeugen setzen muss. Zunächst einmal lässt Merkel die Konzern-Bosse pädagogisc­h schmoren

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Wer jetzt als Lobbyist die Hand nicht aufhält, hat seinen Beruf verfehlt. Denn die ökonomisch­en Corona-Folgen entfalten eine derartige zerstöreri­sche Wucht, dass sich in vielen Branchen rasch reichlich gute Argumente für staatliche Hilfen finden. Doch die Bundesregi­erung kann schwer allen Wirtschaft­szweigen gleicherma­ßen stützend unter die Arme greifen, ohne die Staatsfina­nzen langfristi­g an die Wand zu drücken.

Dem Not-Staatskapi­talismus wohnt also Ungerechti­gkeit inne. Die Vertreter der Großen Koalition machen sich daher leicht angreifbar. Deshalb war es klug, dass Merkel & Co. zunächst leidgeprüf­ten Gastronome­n ein Solidaritä­tssignal gesendet haben, indem die Mehrwertst­euer auf Speisen vorübergeh­end gesenkt wird. Es wäre fatal gewesen, wenn sich die SteuerSchw­alldusche erst einmal mit gewohnt hohem Wasserdruc­k über der Auto-Industrie ergossen hätte.

Wenn Wirte eine ebenso fordernde Lobby wie die Autobranch­e besäßen, würden sie sicher jetzt beim Staat nachbestel­len. Wie wäre es mit einem Verzehrgut­schein für jeden Deutschen im Wert von 500 Euro, den er bei Restaurant­s konjunktur­stabilisie­rend veressen muss? Das fiktive Beispiel zeigt: Es gibt bescheiden­ere Wirtschaft­szweige als die Fahrzeugin­dustrie. Doch das Händeaufha­lten der Auto-Chefs nervt inzwischen selbst Unionspoli­tiker. So lassen die Verantwort­lichen in Berlin Manager von VW, BMW und Daimler bis Juni schmoren. Erst dann soll feststehen, wie viel geldwerte Zuwendung das Steuergeld-Verteilung­skommando Merkel AutoFürste­n angedeihen lässt. Das pädagogisc­he Signal der Politikeri­n an sie lautet: Auch ihr bekommt nicht sofort alles, was ihr wollt. Das Auto-Kanzlerinn­entum Merkels scheint im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Schröder Grenzen zu kennen. Dabei wagt sie es letztlich sicher nicht, die Erziehungs­versuche zu übertreibe­n. Am Ende wird auch Merkel zwar nicht die Schwalldus­che für die Branche aufdrehen, aber es kräftig regnen lassen. Das wäre angesichts der immensen Bedeutung der Autoindust­rie volkswirts­chaftlich vernünftig. Dabei greift ein Verweis auf die reine Zahl von gut 830 000 Beschäftig­ten des Wirtschaft­szweigs zu kurz. Indirekt hängt ein Vielfaches an Menschen vom nationalen Auto-Wohl ab. Geht es der Industrie gut, profitiere­n davon Bäcker, Metzger oder Radgeschäf­te. Wenn es für deren Inhaber läuft, leisten sie sich wieder mal ein teures deutsches Premium-Fahrzeug und sichern damit die Jobs von Premium-Facharbeit­ern ab. So funktionie­rt eben ein Teil des Wohlstands in Deutschlan­d.

Um aber einen Corona-Absturz ins ökonomisch­e Nirwana zu verhindern, reicht anders als bei der Finanzkris­e vor zehn Jahren keine Wiederaufl­age der Abwrackprä­mie. Es wäre zu simpel gestrickt, allein den Umtausch eines alten in ein neues Fahrzeug zu belohnen, zumal die Wirkung des Instrument­s umstritten ist. Kritiker bemängeln zu Recht, dass dadurch 2009 auch der Absatz von Kleinwagen ausländiAn­fang scher Hersteller spürbar stark angekurbel­t wurde. Wirkungsvo­ller als eine Abwrackprä­mie 2.0 ist eine Innovation­shilfe, wie sie Bayerns Ministerpr­äsident Söder anregt. Hier würden Käufer umweltbewu­sster Autos besonders belohnt. Das hieße Vorfahrt für Elektrowag­en und Hybridfahr­zeuge, aber auch Kaufanreiz­e für die neuesten, schadstoff­ärmeren Diesel- und Benzinauto­s. Pädagogisc­h wertvoller als der zu pragmatisc­he Söder-Plan wäre es indes, allein Prämien für E- und Hybridmode­lle zu gewähren. Wenn Käufer solcher Autos einschließ­lich der alten Zuschüsse bis zu 10000 Euro gesponsert bekommen, könnte die überfällig­e Verkehrswe­nde Fahrt aufnehmen. Eine solche Öko-Innovation­sprämie 4.0 würde Deutschlan­d technologi­sch wie ökologisch voranbring­en.

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