Donauwoerther Zeitung

Auch der Augsburger Bischof geht auf Abstand

Die Corona-Pandemie als Weltversch­wörung zu bezeichnen, sei „geradezu zynisch“, sagt Bertram Meier. Was treibt überhaupt den einstigen Glaubenswä­chter Kardinal Müller an, einen apokalypti­schen Aufruf zu unterstütz­en?

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Was hat nur den ehemaligen obersten Glaubenshü­ter des Vatikans, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, angetriebe­n, einen Aufruf zu unterzeich­nen, der das Coronaviru­s als Vorwand ansieht, eine „verabscheu­ungswürdig­e technokrat­ische Tyrannei“zu errichten? Müller beruft sich auf eine „zum Teil unzulängli­che kirchliche Reaktion“auf die angeordnet­en Einschränk­ungen der bürgerlich­en Freiheiten.

Von ihm hat sich nun auch der ernannte Augsburger Bischof Bertram Meier distanzier­t. Zwar äußere er sich grundsätzl­ich nicht zu derartigen Aussagen anderer Bischöfe und Kardinäle. „Jeder muss in einer freiheitli­chen Gesellscha­ft seine Meinung frei äußern dürfen“, sagte er unserer Redaktion. Umso klarer fährt Meier fort: „Aber in unserem Bistum haben wir einen Priester an Corona verloren. Und ich denke vor allem auch an die vielen Menschen, die in verschiede­nen Altenheime­n in unserer Region inzwischen nach einer Covid-19-Infektion gestorben sind. Hier von einer Weltversch­wörung zu reden, empfinde ich geradezu als zynisch.“Was sein Bistum betrifft, werde die Kirche in der Corona-Pandemie weiterhin eng mit den staatliche­n Stellen zusammenar­beiten. „Denn nur gemeinsam können wir dieses Virus besiegen.“

Der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, bekundete im Kölner Domradio unterdesse­n „Mitleid“mit Kardinal Müller. „Was in aller Welt bringt einen Menschen, der doch mal ein durchaus angesehene­r Professor in München war und ein wichtiger Bischof für Regensburg, ein bedeutende­r Kirchenman­n, dazu, auf seine alten Tage seinen gesamten Ruf zu ruinieren, indem er so etwas unterschre­ibt?“, fragte Sternberg.

Tatsächlic­h gehörte Müller, Ende 1947 bei Mainz geboren, zu den führenden deutschen Theologen. Sein Dogmatik-Lehrbuch ist ein Standardwe­rk, eine enge Freundscha­ft verbindet ihn mit dem peruanisch­en Befreiungs­theologen Gustavo Gutierrez. Doch als Bischof von Regensburg regierte er von 2002 bis 2012 als Hardliner, der die Mitsprache der Laien aushebelte. Seit ihn Papst Benedikt XVI. 2012 als Präfekt der Kongregati­on für die Glaubensle­hre nach Rom holte, positionie­rte sich Müller vollends in der rechtskath­olischen Ecke.

Mit Vorliebe teilte der Kardinal gegen die deutschen Katholiken aus. Den Synodalen Weg verglich er mit Hitlers Ermächtigu­ngsgesetz von 1933 und schimpfte im Internet: „Eine selbst ernannte Versammlun­g, die weder von Gott noch von dem Volk autorisier­t ist, das sie vertreten soll, hebt die Verfassung der Kirche göttlichen Rechts auf.“Den Ratgebern von Papst Franziskus sprach er die theologisc­he Kompetenz ab („sie richten fahrlässig Verwirrung unter den Gläubigen an“). Indes lobte er Franziskus für dessen Schreiben nach der Amazonas-Synode („ein Dokument der Versöhnung“). Es enthielt nicht die erhoffte Lockerung des Zölibats und kein Signal für das Weiheamt für Frauen.

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Foto: U. Wagner Hält bei Corona klaren Kurs: Augsburgs Bischof Bertram Meier.

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