Regierung bei Ladenschluss uneins
Wer hat das letzte Wort – Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) oder Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU)? Für Demos soll ein Konzept erarbeitet werden
München Die bayerische Staatsregierung spricht gerne mit einer Stimme. In der Corona-Krise gilt das ganz besonders. Aber das gelingt CSU und Freien Wählern nicht immer. Gestern waren es einmal mehr die umstrittenen Ladenöffnungszeiten, die für Dissonanzen sorgten. Weitgehend Einigkeit herrscht dagegen bei den Regeln zur Wiedereröffnung der Gastronomie und zu den Konsequenzen, die aus den Demonstrationen vom Wochenende für den Vollzug des Versammlungsrechts zu ziehen sind.
Beim Ladenschluss aber hakt es zwischen den Koalitionspartnern. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) äußerte sich sehr wohlwollend zu der Forderung nach einer Lockerung der Sonntagsregeln, die der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, Wolfgang Puff, im Gespräch mit unserer Zeitung gestellt hatte. „Da ist mit Sicherheit das letzte Wort noch nicht gesprochen“, sagte Aiwanger in der Pressekonferenz nach der Sitzung des Kabinetts. Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU), der direkt neben ihm stand, konterte umgehend: „Was den Sonntag betrifft, ist meiner Meinung nach das letzte Wort schon gesprochen.“Eine Debatte über den Ladenschluss sei zum jetzigen Zeitpunkt „fragwürdig, ich würde sie fast als unredlich bezeichnen“, sagte Herrmann und fügte hinzu: „Die Staatsregierung hat eine klare Haltung. Dieses Thema steht nicht auf der Tagesordnung.“
Der Handelsverband hatte sich, wie berichtet, für „Corona-Sonntage“ausgesprochen. „Wir müssen den Kunden ein Einkaufserlebnis bieten, um die Geschäfte und die Innenstädte zu beleben“, sagte Hauptgeschäftsführer Puff und schlug vor, die rechtlichen Auflagen für verkaufsoffene Sonntage für eine vorübergehende Zeit zu lockern. bekam der Handelsverband von den Parteien, die schon immer für längere Ladenöffnungszeiten plädieren. Aiwanger zum Beispiel brachte erneut seinen Vorschlag ins Spiel, wenn schon nicht an Sonntagen, so doch zumindest an Werktagen abends eine längere Öffnung zu erlauben. Prinzipiell begrüßt hat den Vorstoß auch der Fraktionsvize der Freien Wähler, Johann Häusler. Er verstehe die Ausweitung verkaufsoffener Sonnund Feiertage „als zeitweise Regelung während der Corona-Pandemie“– allerdings dürfe es weder zu Konflikten mit den üblichen Gottesdienstzeiten kommen, noch zu einer „Aushöhlung des freien Sonntags zulasten der Arbeitnehmer führen“.
Auch die FDP springt dem Handel zur Seite. Fraktionschef Martin Hagen erklärte: „Wenn die Coronakrise nicht zu verödeten Innenstädten führen soll, müssen wir den Einzelhandel stärken.“Die FDP fordere schon länger eine Regelung für bis zu sechs verkaufsoffene Sonntage. Kommunen sollten sie unabhängig von bestimmten Anlässen genehmigen dürfen. „Wir unterstützen deshalb die Idee des Handelsverbands. Das würde auch die Kundenströme entzerren“, sagte Hagen.
Die CSU-Fraktion, die sich wie SPD und Grüne einer Ausweitung der Öffnungszeiten bisher mehrheitlich widersetzte, bleibt dagegen bei ihrem Nein. Zwar mache es Sinn, die bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, sagte der sozialpolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Huber. Er betonte aber: „Uns als CSU ist der Sonntag im Sinne der Beschäftigten und ihrer Familien heilig. Zusätzliche SonnUnterstützung tagsöffnungen sehen wir daher kritisch, zumal gerade der kleine und mittlere Einzelhandel davon unterm Strich oft nicht so stark profitiert.“
Abgesehen von diesem Disput waren sich CSU und Freie Wähler am Dienstag einig. Das betrifft sowohl die Regeln für die Wiedereröffnung der Gastronomie (siehe Seite 1), als auch die Handhabung des Versammlungsrechts. Nach den ausufernden Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen will die Staatsregierung Regeln für Versammlungen in Corona-Zeiten erarbeiten. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) werde zusammen mit den Kreisverwaltungsbehörden ein Konzept entwickeln, wie Versammlungen möglich sind, ohne Dritte zu gefährden oder „dem Rechtsstaat auf der Nase herumzutanzen“, sagte Florian Herrmann.