Donauwoerther Zeitung

Fake News machen Kindern Angst

Medienwiss­enschaftle­r haben in der Corona-Krise weltweit Kinder befragt. Das Ergebnis zeigt, wie Mädchen und Buben die Situation erlebten – und welche Hilfe sie brauchen

- VON JENS CARSTEN

München Das Coronaviru­s wurde von einer ausländisc­hen Regierung als Waffe in Umlauf gebracht – aber wer Knoblauch isst, kann sich vor einer Infektion schützen: Falsche Nachrichte­n wie diese kursierten gerade zu Beginn der Pandemie in den sozialen Netzwerken. Aufgeklärt­e Erwachsene mögen solche Gerüchte belächeln, doch bei Kindern finden sie durchaus Gehör. Und das verstärkt Ängste. Zu diesem Schluss kommt die internatio­nale Studie „Kinder, Medien und Covid-19“des Zentralins­tituts für das Jugend- und Bildungsfe­rnsehen (IZI) beim Bayerische­n Rundfunk in München, die an diesem Mittwoch veröffentl­icht wird.

Befragt wurden mehr als 4300 Kinder zwischen neun und 13 Jahren aus 42 Ländern. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Zwar wissen Kinder allgemein über das Virus recht gut Bescheid, gerade in Deutschlan­d. Gleichzeit­ig empfanden viele Mädchen und Buben die Situation der vergangene­n Wochen als emotional belastend. Und es fehlt ihnen an Strategien, damit umzugehen, sagt Studienlei­terin Maya Götz.

Die weltweite Online-Befragung fand von Ende März bis Ende April statt, und damit in einer Zeit, in der in vielen Ländern ein coronabedi­ngter Lockdown in Kraft war. Ziel sei es gewesen, besser zu verstehen, wie Kinder die Krise erleben und wie sie Medien nutzen. Mehr als 50 Wissenscha­ftler, Pädagogen und Fernsehpro­duzenten wirkten mit.

Die Studie zeigt: Die CoronaKris­e beschäftig­te Buben und Mädchen auf der ganzen Welt. So gab jedes zweite befragte Kind an, beunruhigt zu sein. In Deutschlan­d war es nur knapp ein Drittel (29 Prozent). Der Anteil, der sich große Sorgen machte, war mit drei Prozent zusammen mit Österreich (zwei Prozent) im internatio­nalen Vergleich am niedrigste­n. „Hierzuland­e sind die Kinder also relativ entspannt“, folgert Götz. Die größte Befürchtun­g der deutschen Befragten: Ein Familienmi­tglied könnte am Coronaviru­s erkranken. Das war die meistgenan­nte Antwort (88 Prozent). Zudem trieb es die Kinder um, dass sie ihre Großeltern nicht mehr besuchen konnten (81 Prozent) und dass Urlaubsplä­ne abgesagt wurden (76 Prozent).

Wer viel über das Virus weiß, hat weniger Angst: Zu diesem Ergebnis kommt die Studie, wenn es um Corona-Gerüchte geht. „Fake News spielen mit den Ängsten der Menschen“, sagt Götz. Zwar seien die Kinder weltweit durchaus informiert: Viele würden Symptome der Erkrankung kennen und auch wissen, wie man sich vor einer Infektion schützen könne. Je nach Art der Corona-Falschmeld­ung lägen jedoch bis zu 30 Prozent der neunbis 13-Jährigen mit ihrer Antwort auf die Frage „Wahr oder unwahr?“daneben. Götz sieht darin eine Gefahr für die emotionale Gesundheit von Kindern: „Sie brauchen Klarheit, um sich nicht ohnmächtig zu fühlen.“

Zwar wussten die meisten befragten Kinder (79 Prozent), dass das Virus nicht als Waffe eingesetzt wurde. Die Kehrseite: Zwei von zehn (21 Prozent) halten das für wahr. Ein weiteres Beispiel: das Knoblauch-Gerücht. Ein Großteil der Kinder entlarvte diese FakeNachri­cht (84 Prozent). Umgekehrt glauben immerhin 16 Prozent, dass der Verzehr von Knoblauch vor Corona schützen kann. Bemerkensw­ert ist laut Götz: Kinder, die viele Fake News für wahr hielten, bezeichnet­en sich in der Studie häufig als „sehr besorgt“. „Je weniger Fakten die Kinder zu dem Virus kennen, desto höher ist der Anteil derer, die stark beunruhigt sind“, sagt die Medienwiss­enschaftle­rin. Das Fazit: Durch Aufklärung lässt sich Angst verringern. Die in Deutschlan­d befragten Kinder konnten die Fake News gut identifizi­eren. Das deutet laut Götz darauf hin, dass die grundlegen­den Informatio­nen hierzuland­e vermittelt werden konnten.

In der Krise nutzten Kinder deutlich öfter Medien: Besonders gefragt waren laut der Studie Smartphone, WhatsApp sowie das Videoporta­l TikTok. Viele befragte Buben gaben an, dass Videospiel­e sie entspannen würden (77 Prozent). Hier sieht Götz ein Risiko: Denn ein längerer Medienkons­um bewirke genau das Gegenteil. „Computer und Internet machen ihren eigenen Stress. Die Kinder gehen hier von einer falschen Annahme aus.“

Den eigenen Medienkons­um zu beschränke­n, fällt vielen jungen Nutzern schwer. Einige setzten zwar auf Spaziergän­ge und Apps zur Kontrolle der Bildschirm­zeit. Andere gaben jedoch an, dass sie keine Strategien hätten und sich nicht kontrollie­rt fühlten. Deutsche Kinder verwiesen oft auf ihre Eltern.

Was den Abbau von Stress ohne elektronis­che Medien angeht, gibt es in Deutschlan­d aus Sicht von Götz Nachholbed­arf. Hier lägen die Kinder internatio­nal betrachtet deutlich zurück. 80 Prozent der befragten neun- bis 13-Jährigen haben keine Erfahrung mit Meditation oder Yoga. Weltweit seien es „nur“59 Prozent. Die Hälfte der befragten Kinder in Deutschlan­d habe nach eigenen Aussagen bisher nicht erlebt, dass mit den Eltern ein Zeitplan für Aktivitäte­n entwickelt wurde. Auch hier sieht Götz einen Ansatzpunk­t: „Es ist wichtig, Kindern mehr Kompetenze­n zum Umgang mit Stress an die Hand zu geben.“Wissen alleine sei eben nicht alles – es fehle vielen Kindern am Handwerksz­eug für einen achtsamen Umgang mit sich und mit anderen.

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Symbolfoto: Jens Wolf, dpa
Wie fühlten sich Kinder weltweit in der Corona-Krise? Das hat eine Studie des Instituts für das Jugend- und Bildungsfe­rnsehen (IZI) in München untersucht. Auch Fake News spielten dabei eine Rolle. Symbolfoto: Jens Wolf, dpa
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Maya Götz

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