Diese Notlage ist kein Wunder
Die Schließung der BRK-Sozialstation in Donauwörth verdeutlicht, wie sehr auf Kante diese menschlich so wichtige Branche genäht ist. Und sie macht klar, dass Bürokratie, Effizienzgedanke und Mitmenschlichkeit eher kein Trio ist, das ohne Weiteres miteinander vereinbart werden kann. Es ist nachvollziehbar, was die BRKGeschäftsführer Lettenbauer und Härpfer monieren: Der Gesetzgeber will einerseits mehr Menschen für die Pflegebranche gewinnen, andererseits steigt dort die Belastung auch aufgrund einer mithin überbordenden Bürokratie; durch Anforderungen, die aufgrund eines leeren Marktes an Pflegern die Kräfte der Anbieter vor Ort allzu oft überstrapazieren. Und da muss nun – Beispiel Donauwörth – ein sogar wirtschaftlich gut laufender Betrieb dichtgemacht werden. Weil eine Leitungsstelle nicht besetzt werden kann, sollen sich 20 Pfleger und 80 Patienten neu orientieren. Nimmt man diese lokale Gegebenheit und münzt sie auf das ganze Land, so dürfte einem im Hinblick auf die allgemeine Situation in der Pflege schwindelig werden: Das Konstrukt ist eben auf Kante genäht; wenn Leitungen ausfallen oder gehen, bricht das fragile System schier zusammen.
Es reicht nicht, jetzt für eine gewisse Zeit den Pflegern Beifall zu klatschen – auch wenn diese Art der Achtung längst mal überfällig ist. Zweifellos wurden gerade seitens der Politik gravierende Fehler gemacht: Dass Pflegeschüler über Jahre Geld für die Ausbildung zahlen mussten, ist einer davon. Diese Ungerechtigkeit bekommt die Gesellschaft nun zu spüren. Wehr- und damit auch Zivildienst wurden zudem ausgesetzt, der Dienst am Nächsten dem Effizienzgedanken untergeordnet. Auf der ganzen Welt sieht man jetzt deutlich, was im Notfall passiert, wenn über Jahre Profitdenken die Priorität des Mitmenschlichen im Sinne würdiger Gesundheits- und Sozialsysteme überschattet. Die Corona-Krise führt die Mängel tagtäglich vor Augen – und dabei steht dieses Land noch recht wacker da. Weil hier Gott sei Dank noch nicht alles dem reinen Rationalisierungsgedanken geopfert worden war. Doch man sollte sich nicht täuschen: Auch hierzulande – und auch in der Region – gab es all jene Debatten zugunsten der puren Effizienz: Das Oettinger Krankenhaus etwa stand lange in der Diskussion. Daran ist wohl nach Corona nicht mehr zu denken.
Unser Land wurde einst geprägt von katholischer Soziallehre und evangelischer Ethik: Es wird Zeit, dass man sich wieder an dieses wichtige Fundament erinnert. Derweil ist es tragisch, dass wir Menschen oftmals aber erst dann wieder die richtigen Wege einschlagen, wenn Katastrophen geschehen. In der Pflege sind die Warnschüsse seit Langem zu hören. Es sollte nicht zum Äußersten kommen – ein gesellschaftliches Besinnen muss nachhaltig stattfinden.