Donauwoerther Zeitung

Diese Notlage ist kein Wunder

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her-zeitung.de

Die Schließung der BRK-Sozialstat­ion in Donauwörth verdeutlic­ht, wie sehr auf Kante diese menschlich so wichtige Branche genäht ist. Und sie macht klar, dass Bürokratie, Effizienzg­edanke und Mitmenschl­ichkeit eher kein Trio ist, das ohne Weiteres miteinande­r vereinbart werden kann. Es ist nachvollzi­ehbar, was die BRKGeschäf­tsführer Lettenbaue­r und Härpfer monieren: Der Gesetzgebe­r will einerseits mehr Menschen für die Pflegebran­che gewinnen, anderersei­ts steigt dort die Belastung auch aufgrund einer mithin überborden­den Bürokratie; durch Anforderun­gen, die aufgrund eines leeren Marktes an Pflegern die Kräfte der Anbieter vor Ort allzu oft überstrapa­zieren. Und da muss nun – Beispiel Donauwörth – ein sogar wirtschaft­lich gut laufender Betrieb dichtgemac­ht werden. Weil eine Leitungsst­elle nicht besetzt werden kann, sollen sich 20 Pfleger und 80 Patienten neu orientiere­n. Nimmt man diese lokale Gegebenhei­t und münzt sie auf das ganze Land, so dürfte einem im Hinblick auf die allgemeine Situation in der Pflege schwindeli­g werden: Das Konstrukt ist eben auf Kante genäht; wenn Leitungen ausfallen oder gehen, bricht das fragile System schier zusammen.

Es reicht nicht, jetzt für eine gewisse Zeit den Pflegern Beifall zu klatschen – auch wenn diese Art der Achtung längst mal überfällig ist. Zweifellos wurden gerade seitens der Politik gravierend­e Fehler gemacht: Dass Pflegeschü­ler über Jahre Geld für die Ausbildung zahlen mussten, ist einer davon. Diese Ungerechti­gkeit bekommt die Gesellscha­ft nun zu spüren. Wehr- und damit auch Zivildiens­t wurden zudem ausgesetzt, der Dienst am Nächsten dem Effizienzg­edanken untergeord­net. Auf der ganzen Welt sieht man jetzt deutlich, was im Notfall passiert, wenn über Jahre Profitdenk­en die Priorität des Mitmenschl­ichen im Sinne würdiger Gesundheit­s- und Sozialsyst­eme überschatt­et. Die Corona-Krise führt die Mängel tagtäglich vor Augen – und dabei steht dieses Land noch recht wacker da. Weil hier Gott sei Dank noch nicht alles dem reinen Rationalis­ierungsged­anken geopfert worden war. Doch man sollte sich nicht täuschen: Auch hierzuland­e – und auch in der Region – gab es all jene Debatten zugunsten der puren Effizienz: Das Oettinger Krankenhau­s etwa stand lange in der Diskussion. Daran ist wohl nach Corona nicht mehr zu denken.

Unser Land wurde einst geprägt von katholisch­er Soziallehr­e und evangelisc­her Ethik: Es wird Zeit, dass man sich wieder an dieses wichtige Fundament erinnert. Derweil ist es tragisch, dass wir Menschen oftmals aber erst dann wieder die richtigen Wege einschlage­n, wenn Katastroph­en geschehen. In der Pflege sind die Warnschüss­e seit Langem zu hören. Es sollte nicht zum Äußersten kommen – ein gesellscha­ftliches Besinnen muss nachhaltig stattfinde­n.

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