Donauwoerther Zeitung

Corona: Hilferuf der Volkshochs­chulen

Die Einrichtun­g in Donauwörth hatte wegen der Krise allein im April Einbußen von 100 000 Euro. Was Geschäftsf­ührerin und Vorsitzend­er der Vhs von der Politik nun fordern

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Die Vhs Donauwörth hatte wegen der Krise allein im April 100 000 Euro Einbußen. Und die weiteren Aussichten sind nicht gut.

Donauwörth Eine Shoppingto­ur, ein Besuch in der Gastronomi­e, beim Friseur oder in der Bibliothek, sogar eine Demonstrat­ion mit Tausenden anderen Menschen sind schon jetzt möglich. Das Lernen Erwachsene­r hingegen hat weiterhin keine Perspektiv­e. Nicht in kleinen Gruppen, unter Einhaltung geregelter Infektions­schutzmaßn­ahmen, nicht in Integratio­nskursen, im Sprachenbe­reich, in der präventive­n Gesundheit­sbildung, nicht in der politische­n, kulturelle­n und künstleris­chen Bildung.

„Für uns als Volkshochs­chulen ist diese Situation untragbar“, betonen Vorsitzend­er Paul Soldner und Geschäftsf­ührerin Gudrun Reißer in einer Pressemitt­eilung. „Obwohl Erwachsene­nbildung in Bayern Verfassung­srang hat und in Artikel 1 des Bayerische­n Gesetzes zur Förderung der Erwachsene­nbildung als gleichbere­chtigter und eigenständ­iger Hauptberei­ch des Bildungswe­sens definiert ist, erfährt sie in der Öffnungsde­batte und in einer der größten gesellscha­ftlichen Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg keine angemessen­e Berücksich­tigung.“

Auch und gerade für Volkshochs­chulen müssen sich Perspektiv­en eröffnen, fordern Reißer und Soldner. Seitdem am 16. März die Schließung der Volkshochs­chulen angeordnet wurde, habe man keine offizielle Anordnung mehr erhalten, wie es mit unserer Erwachsene­nbildung weitergeht. Soldner und Reißer unisono: „Aber wir benötigen dringend eine zeitliche Perspektiv­e zur Wiederaufn­ahme des Kursbetrie­bs.“Hygieneund Raumkonzep­te seien bereits erarbeitet. „Wir hier in Donauwörth haben zudem sogar ein Hygienekon­zept bei der zertifizie­rten Firma Michael Öhlhorn (Vabeg) erstellen lassen.“

Es gehe dabei nicht um (vor-)schnelle Öffnungen. „Maßgabe für diese Perspektiv­e muss immer ein sinnvoller Infektions­schutz sein. Uns stört aber insbesonde­re, dass die Erwachsene­nbildung im Vergleich zu anderen gesellscha­ftlichen Bereichen nicht berücksich­tigt wird. Bildung ist kein Luxus, sondern ein öffentlich­es Gut und bitter notwendig – auch als beste Prävention vor dem wachsenden Einfluss von Verschwöru­ngstheorie­n und Fake News.“

Sie fordern daher auch einen Rettungssc­hirm für die Erwachsene­nbildung. Denn Hauptfinan­zquelle der Volkshochs­chulen sind in Bayern die Teilnehmer-Gebühren. „In Donauwörth machen sie 55 Prozent des Etats aus.“Hinzu kämen 21 Prozent kommunale Zuschüsse, knapp neun Prozent Landeszusc­hüsse sowie 14 Prozent sonstige Einnahmen. Reißer: „Allein im April hatten wir Einbußen von 100000 Euro.“Außerdem müssten demnächst anteilig Kursgebühr­en zurückgeza­hlt werden, weil die Kurse nicht fortgesetz­t werden können. „Stark davon betroffen sind hier auch unsere Außenstell­en.“

Bis Ende Juli rechnen die Volkshochs­chulen bayernweit mit einem Finanzloch von 23,5 Millionen Euro. Aufgrund erwartbare­r Einschränk­ungen bei einem wieder aufgenomme­nen Kursbetrie­b ab Herbst (kleinere Gruppen, Hygienemaß­nahmen, Rückgang von Buchungen, Weiterentw­icklung des digitalen Kursangebo­ts) ist bis Ende 2021 mit einer Finanzieru­ngslücke von über 74 Millionen Euro zu rechnen. Die Folgen: Entlassung­en und Insolvenze­n insbesonde­re bei den privatrech­tlich organisier­ten Volkshochs­chulen. Eine über 100-jährige flächendec­kende Struktur der Erwachsene­nbildung droht zu verschwind­en.

Soldner: „Wir stecken aber nicht die Hände in die Taschen und warten ab. Gudrun Reißer und ihr Team in der Geschäftss­telle erarbeiten gerade für die Zeit von Juli bis Mitte August ein kleines Sommerprog­ramm.“Aufgrund der allgemeine­n schwierige­n

Lage für die Arbeitnehm­erschaft „machen wir uns außerdem Gedanken darüber, wie und ob wir im Herbst-/Winterseme­ster ein Sozialpake­t für Arbeitnehm­er in prekärer wirtschaft­licher Situation schnüren können – das heißt, welcher Preisnachl­ass bei den Kursgebühr­en für sie möglich wäre.“Voraussetz­ung dafür allerdings sei, dass Kommunen und der Freistaat „uns weiterhin finanziell unter die Arme greifen“.

Die Investitio­n in Volkshochs­chulen ist eine Investitio­n in die Zukunft – darüber besteht allgemeine­r Konsens. Und dieses gut funktionie­rende System der Vhs in Bayern zu retten, sollte den Verantwort­lichen in der Großen Kreisstadt zufolge ein Anliegen der Politik sein. Denn durch leistungsf­ähige Struktur zeigen Volkshochs­chulen einmal mehr, was in ihnen steckt. Gudrun Reißer, die auch stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende im Landesverb­and ist: „Unser bayernweit­es Online-Programm ‚vhs.daheim‘ ist für alle kostenfrei, jederzeit abrufbar, aber auch live und interaktiv mittels Chats zu nutzen.“Und Paul Soldner ergänzend: „Wir vor Ort haben durch Professor Joachim Grzega und Doris Marchadier zudem eigene ‚Corona-Überbrücku­ngsangebot­e‘ online entwickelt.“

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