Donauwoerther Zeitung

Reisebranc­he unter Druck

Gunter Freissle aus Donauwörth ist der deutschlan­dweite Sprecher der Derpart-Gruppe. Wie er die Zukunft des Reisens sieht und wo Sommerurla­ub möglich ist

- Interview: Helmut Bissinger

Der Sprecher der Derpart-Gruppe, der Donauwörth­er Gunter Freissle, über das Reisen in Corona-Zeiten und seine Branche.

Herr Freissle, Sie vertreten als Sprecher von Derpart 450 Reisebüros in Deutschlan­d, haben aber auch Reisebüros in Donauwörth, Bayreuth und Saalfelden in Österreich. Da haben Sie sicher stressige Wochen hinter sich und spannende vor sich. Wie geht es weiter?

Freissle: Seit Beginn der Pandemie kämpfe ich täglich für den Erhalt von über 100000 Arbeitsplä­tzen. Nach unzähligen Mails, Briefen, Interviews und persönlich­en Gesprächen habe ich den Eindruck, dass die Bedeutung und der Stellenwer­t unserer Branche noch nicht bei den verantwort­lichen Politikern angekommen ist.

Wie äußern sich Ihre Kunden?

Freissle: Viele sind enttäuscht und sagen, dass sie sich das Reisen nicht verbieten lassen. Freiheit ist unser wichtigste­s Grundrecht. Über 16 Millionen Menschen mussten in Deutschlan­d bis 1989 erleben, was es bedeutet, wenn die persönlich­e, insbesonde­re die Reisefreih­eit, eingeschrä­nkt ist. Auch 2020 sollte es möglich sein, die schönsten Wochen des Jahres etwa am Mittelmeer zu verbringen. Davon gehe ich aus.

Das klingt ein wenig skeptisch. Sind Sie da nicht sicher?

Freissle: Die Voraussetz­ung ist, dass wir reisen dürfen. Dabei wird Reisen noch sicherer werden. Die touristisc­hen Anbieter haben viele Vorkehrung­en getroffen, damit unsere Kunden ihren Urlaub genießen können. Das Flugzeug gilt nachweisli­ch als das sicherste Verkehrsmi­ttel, auch in Zeiten von Corona. Aufgrund hochmodern­er Klimaanlag­en reist man in einem außergewöh­nlich keimfreien Raum. Das Reisen wird sich verändern, es wird aber niemals seinen Reiz verlieren.

Wie sieht es mit der Reiselust aus? Spüren Sie, wie die Stimmung ihrer Kunden ist?

Freissle: Die Reiselust ist ungebremst. In allen Reisebüros ist ein deutlich ansteigend­es Interesse an der Reise spürbar. Unsere Branche steht vor ihrer größten Herausford­erung. Das ist auch immer eine Chance, die Zukunft neu zu gestalten. Aber noch ist die Verunsiche­rung groß. Oder ich will es deutlich formuliere­n: Irreführen­de Bemerkunge­n unserer Politiker führen zu stärkeren Irritation­en.

Es gibt innerhalb Deutschlan­ds unterschie­dlichste Regelungen ...

Freissle: ... wir spüren da einen ganz starken Aufklärung­sbedarf. Deshalb versuchen wir, den Überblick zu behalten und einen großen Wert auf unsere Beratungsl­eistung zu legen.

Man hört vermehrt von Demonstrat­ionen der Reisebürom­itarbeiter. Was ist das Kernproble­m?

Freissle: Kein Hotel und kein Einzelhänd­ler waren mit dem Beginn der Pandemie verpflicht­et, die Umsätze der letzten Monate schlagarti­g zurückzuza­hlen. Die Reisebüros sind in eine Gesetzeslü­cke gefallen. Positiv stimmt uns aber alle, dass wir bei den Kunden eine enorme Wertschätz­ung erfahren. Bei Reisestorn­os haben wir geholfen, wo es uns nur möglich war. Hier hat sich die Kompetenz unserer Reisebüros bewährt.

Die Reisebüros haben Verluste in Millionenh­öhe? Wie kommt das?

Freissle: Die Reisebüros erzielen einen null Umsatz. Mehr noch: Sie haben negative Umsätze. Die Dienstleis­tung wird unentgeltl­ich geleistet. Wir leben nur von der Provision. Bei Stornierun­gen müssen wir die Provision zurückzahl­en.

Wie geht es mit dem Tourismus weiter?

Freissle: Der weltweite Tourismus trägt zur wirtschaft­lichen Stabilisie­rung in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern bei.

Wohin werden wir in diesem Sommer reisen können?

Freissle: Ich denke schon, dass wir europäisch­e Länder bereisen werden können. Da setze ich auf die Einsicht unserer Politiker. Hoffentlic­h gibt es dann einheitlic­he Standards.

Wo werden Sie in diesem Sommer ihren Urlaub verbringen?

Freissle: Ich schwanke noch: entweder auf einer Insel in Griechenla­nd oder Kroatien. Ich glaube, ich habe mich noch nie so auf Urlaub gefreut.

 ?? Foto: Clara Margais, dpa ?? Nach einer mehr als zweimonati­gen Zwangsschl­ießung wegen der Corona-Pandemie haben Mallorca und viele andere Regionen Spaniens am Montag ihre Strände wieder geöffnet. Ob wir Deutschen allerdings im Sommer 2020 auch dorthin reisen dürfen, ist noch nicht klar.
Foto: Clara Margais, dpa Nach einer mehr als zweimonati­gen Zwangsschl­ießung wegen der Corona-Pandemie haben Mallorca und viele andere Regionen Spaniens am Montag ihre Strände wieder geöffnet. Ob wir Deutschen allerdings im Sommer 2020 auch dorthin reisen dürfen, ist noch nicht klar.
 ??  ?? Gunter Freissle
Gunter Freissle

Newspapers in German

Newspapers from Germany