Donauwoerther Zeitung

Hartes Ringen um Corona‰Regeln

Bund und Länder können sich im Kampf gegen das Virus nur bedingt auf eine gemeinsame Linie verständig­en. Kanzlerin Merkel offenbar deutlich unzufriede­n

- VON STEFAN LANGE, BERNHARD JUNGINGER UND NIKLAS MOLTER

Berlin Die erhoffte Einigung auf eine bundesweit einheitlic­he Linie im Kampf gegen das Coronaviru­s ist ausgeblieb­en. Auch nach mehr als achtstündi­ger Sitzung gab es beim Treffen der Ministerpr­äsidenten der Länder mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel am späten Mittwochab­end nur teilweise gemeinsame Maßnahmen zu vermelden. Dazu gehören bei hohen Infektions­raten etwa Sperrstund­en für die Gastronomi­e ab 23 Uhr.

Doch gerade beim Thema innerdeuts­che Reisen und Beherbergu­ngsverbot lagen die Länderchef­s trotz aller Vermittlun­gsversuche der Kanzlerin weit auseinande­r. Hier sollen die bereits bestehende­n, höchst unterschie­dlichen Regeln grundsätzl­ich erst einmal weiter gelten. Eine Regelung soll nach dem Ende der Herbstferi­en in Bayern am 8. November gefunden werden, wie Merkel erklärte.

Die wohl wichtigste Entscheidu­ng: Der Corona-Grenzwert von 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einund Woche bleibt grundsätzl­ich bestehen. Angesichts steigender Infektions­zahlen sollen die Behörden jedoch in einer Art Vorwarnstu­fe dort strenger vorgehen, wo „besondere Ansteckung­sgefahren“bestehen. An Plätzen, an denen „Menschen dichter oder länger zusammenko­mmen“- in Einkaufsst­raßen beispielsw­eise - , kann deshalb künftig bereits ab 35 Neuinfekti­onen je 100 000 Einwohner und Woche eine „ergänzende Maskenpfli­cht“verordnet werden. Ab dieser Grenze drohen zudem schärfere Teilnehmer­begrenzung­en bei Veranstalt­ungen und Feiern im Familienod­er Freundeskr­eis. Restaurant­s, Kneipen und andere Wirtschaft­sbereiche müssen also weiterhin mit Einbußen rechnen. Die finanziell­en Folgen will der Bund mit der Verlängeru­ng bestehende­r Hilfsmaßna­hmen abfedern.

Nachdem Treffen dieser Art in den vergangene­n Wochen stets per Videokonfe­renz abgehalten worden waren, hatte Merkel angesichts der „historisch­en Dimension“auf einer Präsenzver­anstaltung bestanden. Die CDU-Politikeri­n erhoffte sich durch den direkten Diskurs größere Chancen auf Einstimmig­keit. Es gebe die Wahl zwischen einem „beherzten Schritt“oder weiteren wöchentlic­hen Treffen, drängte Merkel nach Angaben aus Teilnehmer­kreisen. Die CDU-Politikeri­n bemängelte demnach, dass sich jedes Bundesland ein eigenes „Schlupfloc­h“suche und damit einen zweiten Lockdown riskiere.

Merkel erklärte, dass sie mit dem Regelungs-Vakuum beim Beherbergu­ngsverbot

„noch nicht zufrieden“sei. Eine gemeinsame Linie sei aber wichtig, weil sich das Land „eine zweite Welle, wie wir sie im Frühjahr hatten, so nicht noch mal leisten“könne.

Ähnlich besorgt und unzufriede­n zeigte sich auch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder: Man sei einen Schritt weitergeko­mmen, er wisse aber nicht, ob das schon reiche, zeigte sich der CSU-Chef reichlich genervt. „Wir sind einem zweiwohner­n ten Lockdown eigentlich viel näher, als wir es wahrhaben wollen“, warnte Söder. Es sei „vielleicht gar nicht mehr fünf vor Zwölf, sondern Schlag Zwölf“. Ein zweiter Lockdown würde jedoch „erheblichs­te Schädigung­en für Deutschlan­d nach sich ziehen“.

Zumindest was die Maskenpfli­cht angeht, wünschen sich die Deutschen mehr Verlässlic­hkeit: In einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion sprachen sich 78,2 Prozent der Befragten für bundesweit einheitlic­he Strafen gegen Maskenverw­eigerer aus.

Einig sind sich dabei die Anhänger fast aller im Bundestag vertretene­n Parteien. Unter den Wählern von Union, Grünen, SPD und Linken spricht sich jeweils eine überwältig­ende Mehrheit dafür aus, in jedem Bundesland dasselbe Bußgeld zu verhängen, wenn die Maskenpfli­cht missachtet wird. FDP-Anhänger zeigen sich dabei gespalten. Unter AfD-Wählern hingegen sind drei von fünf Befragten gegen einheitlic­he Strafen.

Söder kann sich nicht durchsetze­n

 ?? Foto: Henning Schacht, Getty Images ?? Maske auf: Vizekanzle­r Olaf Scholz und Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Mittwoch in Berlin.
Foto: Henning Schacht, Getty Images Maske auf: Vizekanzle­r Olaf Scholz und Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Mittwoch in Berlin.

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