Donauwoerther Zeitung

Koks statt Bananen

In Memmingen stehen sechs Männer vor Gericht, die 500 Kilo Kokain geschmugge­lt haben sollen. Der Fall reiht sich ein in eine Serie spektakulä­rer Rauschgift­funde in Bayern

- VON MICHAEL BÖHM

Neu‰Ulm/München Wer in Deutschlan­d in eine Bananenkis­te greift, findet dort mit einer recht hohen Wahrschein­lichkeit Obst aus Ecuador – das südamerika­nische Land ist schließlic­h der größte Bananenlie­ferant für den deutschen Markt. Als jedoch ein Mitarbeite­r eines Fruchthofe­s in Neu-Ulm im Dezember des vergangene­n Jahres in eine frisch aus Ecuador angeliefer­te Bananenkis­te griff, hatte er statt krummer Früchte plötzlich ein Päckchen mit Kokain in der Hand. Und als er genauer nachsah, fand er davon noch mehr. Beinahe 500 Kilo der Droge waren in den Kisten versteckt. Wie sich später herausstel­lte, war es von Ecuador aus über den Seeweg nach Vlissingen in den Niederland­en gelangt und von dort per Lastwagen nach Bayern.

Nicht ganz ein Jahr später stehen ab diesem Donnerstag in Memmingen sechs Albaner vor Gericht. Sie waren in der Nacht nach der Anlieferun­g der Kokain-Kisten in die Reifekamme­rn des Neu-Ulmer Fruchthofe­s eingebroch­en und bargen die dort liegenden Drogenpäck­chen – nicht wissend, dass diese inzwischen von der Polizei ausgetausc­ht worden waren und sie selbst von den Drogenfahn­dern beobachten wurden. Wenig später saßen sie dann auch schon im Gefängnis. Nun wird ihnen bandenmäßi­ger und unerlaubte­r Anbau von und Handel mit Betäubungs­mitteln in, so die juristisch­e Bezeichnun­g, „nicht geringer Menge“vorgeworfe­n.

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Region enorme Mengen an Drogen gefunden wurden. So ließ ein Fall Anfang des Jahres 2018 selbst erfahrenen Beamten der Kriminalpo­lizei in Neu-Ulm den Atem stocken. Ein Fingerabdr­uck auf einer Tüte mit Rauschgift brachte die Ermittler auf die Spur eines 31-Jährigen, der offenkundi­g in Saus und Braus lebte. „Er führte einen Lebensstil, der mit seinem Einkommen als normaler Arbeiter nicht vereinbar war“, formuliert­e es ein Neu-Ulmer Polizeispr­echer damals, nachdem der Mann über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet worden war. Urlaubsrei­sen und ausgedehnt­e Shoppingto­uren waren für den 31-Jährigen keine Seltenheit, zu Hause sammelte er Goldbarren und teure Uhren. Als die Polizei den Mann schließlic­h in seinem Auto anhielt und kontrollie­rte, lagen mehr als 30 Kilo Marihuana im Kofferraum offen herum. Bei der folgenden

„El Maestro“thronen, ein europaweit­es Drogenhänd­ler- und Schmuggler­netzwerk, von den Behörden benannt nach einem 61-jährigen deutschen Schreinerm­eister, der in Spanien lebt und als Drahtziehe­r galt. Als größter Rauschgift­fall in der Geschichte des Landeskrim­inalamtes wurde dieser Ende 2017 der Öffentlich­keit präsentier­t. Zusammenfa­ssung: 23 Festnahmen und 5,3 Tonnen Cannabis.

Dabei müssen es gar nicht immer die ganz großen Mengen sein, die Aufmerksam­keit erregen. Diese leidvolle Erfahrung musste die Allgäuer Polizei machen, als sie 2014 selbst in den Fokus geriet. Genauer: der ehemalige Chef der Drogenfahn­dung in Kempten, der in seinem Spind 1,8 Kilo Kokain hortete. Er war wohl über die Jahre hinweg nach und nach im Drogensump­f versunken und flog schließlic­h wegen Gewalttäti­gkeiten gegen seine Frau auf. Dass auch Polizisten nicht davor gefeit sind, selbst auf die schiefe Bahn zu geraten, wird derzeit auch in München deutlich. Dort wird aktuell gegen 21 Beamte verschiede­ner Dienststel­len ermittelt. Sie sollen Drogen und Dopingmitt­el besessen, konsumiert und teilweise auch verkauft haben.

Was die sechs Albaner aus NeuUlm mit ihren hunderten Kilo Kokain anstellen wollten, soll der an diesem Donnerstag beginnende Prozess klären. Ihre Masche mit den Bananenkis­ten ist im Übrigen nicht neu. Doch nicht immer gelingt es der Polizei, das Rauschgift rechtzeiti­g aus dem Verkehr zu ziehen. So meldeten vor drei Jahren an einem Freitag gleich mehrere Supermärkt­e in Schwaben, Ober- und Niederbaye­rn, dass ihnen bei der jüngsten Obstanlief­erung braune Päckchen in die Hände fielen: gefüllt mit Kokain. Und vor fast auf den Tag genau einem Jahr standen in Landshut fünf Männer, ebenfalls aus Albanien, vor Gericht, weil sie in mehrere Obsthallen eingebroch­en waren, um dort rund zwei Tonnen Kokain aus Bananenkis­ten zu bergen. Sie wurden zu bis zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

(mit mru)

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Foto: Bayerische­s Landeskrim­inalamt, dpa In diesen Kisten waren nicht nur grüne Bananen. Dort wurde etwa eine halbe Tonne Kokain versteckt. Sechs Albaner müssen sich nun ab Donnerstag in Memmingen vor Gericht verantwort­en.

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