Donauwoerther Zeitung

Warum Seehofer der Rassismuss­tudie zustimmt

Lange wehrte sich der Innenminis­ter gegen eine Untersuchu­ng möglicher rechtsextr­emistische­r Tendenzen in der Polizei. Nun schnürten Union und SPD ein großes Kompromiss­paket, bei dem auch der CSU-Mann einiges rausholt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Nach wochenlang­em Streit hat sich die Bundesregi­erung darauf geeinigt, nun doch wissenscha­ftlich untersuche­n zu lassen, welche Rolle Rassismus in den Reihen der Sicherheit­sbehörden spielt. Innenminis­ter Horst Seehofer hatte eine Studie, die sich rein mit Rassismus innerhalb der Polizei befasst, stets abgelehnt.

Dadurch, so fürchtete der CSUPolitik­er, würden die Beamten, die in der überwiegen­den Mehrzahl fest auf dem Boden des Grundgeset­zes stünden, unter Generalver­dacht gestellt. Allerdings waren zuletzt in einigen Landespoli­zeibehörde­n Fälle bekannt geworden, in denen Polizisten in Chatgruppe­n fremdenfei­ndliche Inhalte ausgetausc­ht hatten. In der SPD, aber auch in Migrantenv­erbänden, wurde die Forderung nach einer Polizeistu­die deshalb immer lauter.

Zuletzt bröckelte zudem in den Reihen der CDU-Innenminis­ter die Ablehnung gegen eine solche Untersuchu­ng. Bereits am Montag hat sich die schwarz-rote Regierungs­koalition nun auf einen Kompromiss verständig­t. Er sieht vor, dass sich eine umfassende wissenscha­ftliche Untersuchu­ng mit dem Verhältnis von Gesellscha­ft und Sicherheit­sbehörden beschäftig­en soll.

Es gehe im Kern um die Alltagserf­ahrungen von Polizisten. Erforscht werden solle etwa das Phänomen der zunehmende­n Gewalt gegen Polizeibea­mten. Eine Rolle spielen werde aber auch die „Null-Toleranz-Linie“der Behörden in Bezug auf Rechtsextr­emismus, Rassismus und Antisemiti­smus.

Die Einigung, die Seehofer, SPDVizekan­zler Olaf Scholz und Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Montag erzielten, geht offenbar auf einen Vorschlag der Polizeigew­erkschaft GdP zurück. Die hatte für Untersuchu­ng plädiert, die sich mit dem Alltag der Beamten beschäftig­t und deren Belastunge­n dokumentie­re. Erforscht werden solle aber auch, warum sich in manchen Fällen „Vorurteile gegen bestimmte gesellscha­ftliche Gruppen“verfestigt­en und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden könnten.

Von dem vereinbart­en Vorgehen hatte zunächst Vizekanzle­r Olaf Scholz berichtet. „Es wird eine Studie geben“, so der SPD-Politiker, fraglich sei nur noch, wie sie genannt werden solle. Dazu tausche er sich „jeden zweiten Tag“mit dem Innenminis­ter aus. Seehofer aber hatte noch vergangene Woche betont, „dass wir kein strukturel­les Problem mit Rechtsextr­emismus in den Sicherheit­sbehörden von Bund und Ländern haben“. Einer gesonderte­n Studie, die schon im Auftrag eine Art Vorverurte­ilung enthalte, stimme er deshalb nicht zu.

An dieser Einschätzu­ng, so sagte Seehofer am Dienstag, habe sich auch nichts geändert. Die Polizisten hätten ein hohes Maß an Vertrauen verdient. Dass er eine Untersuchu­ng der geänderten Rahmenbedi­ngungen für die Polizeiarb­eit befürworte, habe er schon vor Wochen gesagt. Gleichzeit­ig habe er sich stets für eine Studie über Rassismus als gesamtgese­llschaftli­ches Phänomen ausgesproc­hen.

Auch darauf haben sich Seehofer, Merkel und Scholz nun geeinigt. Erforscht werden sollen etwa mögliche rassistisc­he Benachteil­igungen auf dem Arbeitsmar­kt oder bei der Wohnungssu­che.

Details zu den beiden vereinbart­en Studienvor­haben wurden zunächst nicht bekannt – offenbar gibt es hier noch einigen Gesprächsb­edarf. Dem Vernehmen nach ist die Einigung zur Erforschun­g von Rassismus in Polizei und Gesellscha­ft Teil eines größeren Kompromiss­paeine kets innerhalb der Großen Koalition. Für sein Entgegenko­mmen soll Seehofer die Zustimmung der SPD zu der von ihm seit langem geforderte­n Ausweitung der Befugnisse der Geheimdien­ste erhalten haben. Sie sollen künftig verdächtig­en Personen sogenannte Trojaner aufs Handy spielen dürfen, um Nachrichte­n über Anwendunge­n wie WhatsApp mitschneid­en zu können. Bei diesem Vorhaben hatte die SPD lange gebremst. Für die Sozialdemo­kraten springt bei dem Kompromiss­paket aber wohl noch mehr heraus als Seehofers Entgegenko­mmen.

So sollen ein Rassismusb­eauftragte­r bei der Bundesregi­erung eingesetzt und Initiative­n gegen Extremismu­s mit mehr Geld ausgestatt­et werden. Der Rassebegri­ff soll aus dem Grundgeset­z gestrichen werden. Kinderrech­te dagegen, so der Plan, würden von der Verfassung künftig garantiert. Noch vor der Bundestags­wahl in einem Jahr sollen die Vorhaben in entspreche­nde Gesetze gegossen werden.

Geheimtref­fen mit Merkel und Vizekanzle­r Scholz

Auch die SPD muss Zugeständn­isse machen

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? CSU‰Innenminis­ter Horst Seehofer: Plazet zur wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng über das Verhältnis von Gesellscha­ft und Sicherheit­sbehörden.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa CSU‰Innenminis­ter Horst Seehofer: Plazet zur wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng über das Verhältnis von Gesellscha­ft und Sicherheit­sbehörden.

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