Es knirscht an allen Ecken
Die Corona-App kommt mit sieben Monaten Verspätung
Das Coronavirus schlägt in der zweiten Welle hart zu in den Niederlanden, und die Bürger machen Party. Touristen wunderten sich bereits in den Sommermonaten darüber, wie locker es die Niederländer mit der Corona-Krise nahmen. Kaum war der erste „intelligente Lockdown“am 1. Juni vorbei, ging das normale Leben wieder voll weiter. Keine Masken, keine Kontrollen, aber dichtes Gedränge in Geschäften und Kneipen. Niederländern messen den Wert des Lebens gerne daran, wie „gezellig“es ist.
Inzwischen greift das Coronavirus in Windeseile um sich. Bei den Gesundheitsbehörden waren 8182 Corona-Neuinfektionen in 24 Stunden gemeldet worden. Das sind 170 mehr als am Vortag und ein neuer Höchstwert, wie das Institut für Gesundheit und Umwelt RIVM am Dienstag mitteilte. Und das in einem Land mit gut 17 Millionen Einwohnern. Bedrohlich ist die Lage in Krankenhäusern und auf Intensivstationen. Die Notaufnahmen in Großstädten müssen bereits zeitweilig geschlossen werden. Es gibt zu wenig Betten und zu wenig Personal, und vor den Türen stehen die Krankenwagen mit Patienten Schlange. Die Kapazität der Krankenhäuser reicht nicht.
Alle Alarmsignale stehen auf Rot. Die Lage sei bedrohlicher als im Frühjahr, sagte der Amsterdamer Virologe Hans Zaaijer der Zeitung
„Wir befinden uns im Vorlauf einer Katastrophe.“Um die abzuwenden, verhängte Premier Mark Rutte den „Teil-Lockdown“. Unter anderem Gaststätten sind geschlossen und eine Maskenpflicht wird eingeführt.
Doch schon das Testen funktioniert nicht – trotz aller Versprechen. Die Gesundheitsämter haben viel zu wenige Mitarbeiter und die Labore erschreckend wenig Kapazitäten. Sie sind auch hoffnungslos damit überfordert, die Kontaktpersonen aufzuspüren. Die im März mit viel Tamtam angekündigte Corona-App wurde erst sieben Monate später, in der vergangenen Woche, eingeführt.
De Telegraaf. Annette Birschel