Donauwoerther Zeitung

Es geht ins Finale

Am Donnerstag findet das letzte TV-Duell zwischen Präsident Donald Trump und Herausford­erer Joe Biden statt – mit neuen Regeln. Welche Rolle das Debattiere­n im US-Wahlkampf spielt und ob dadurch Wähler beeinfluss­t werden

- VON STEPHANIE SARTOR

Washington Der erste Sonntag im Februar ist für viele Amerikaner ein Feiertag. An diesem Tag findet der Super Bowl statt, das Finale der amerikanis­chen Football-Profiliga, der Heilige Gral der Unterhaltu­ngsindustr­ie. Für gewöhnlich schauen sich etwa 100 Millionen Amerikaner das gigantisch­e Sport-Spektakel im Fernsehen an, trinken ein kühles Budweiser, essen klebriges Popcorn und panierte Hähnchensc­henkel. Auf ähnlich großes Interesse stößt etwas, das mit Sport eigentlich herzlich wenig tun hat – obgleich auch hier mächtig um den Sieg gefochten wird: das TV-Duell der amerikanis­chen Präsidents­chaftskand­idaten. Ob Fernsehstu­dio oder FootballRa­sen – neben unglaublic­hen Einschaltq­uoten eint die beiden Duelle vor allem diese eine, alles entscheide­nde Frage: Wer wird am Ende des Abends als Sieger vor einem Millionenp­ublikum stehen?

Mitchell McKinney, Kommunikat­ionswissen­schaftler von der Universitä­t von Missouri und Experte für Präsidents­chaftsdeba­tten, schaut in diesen Tagen, kurz vor der Wahl, ganz genau hin. Darauf, wie sich Präsident Donald Trump und sein Herausford­erer Joe Biden geben, wie sie argumentie­ren, streiten, sich in Rage reden. Und mit ihm eben Millionen Amerikaner, die nicht nur Antworten auf drängende politische Fragen erwarten, sondern auch ein bisschen Entertainm­ent. „Wie der Super Bowl sind solche Debatten eben auch Events“, sagt McKinney.

An diesem Donnerstag also wird Amerika den Fernseher einschalte­n. Nämlich dann, wenn Trump und Biden in ihrem letzten TV-Duell – quasi dem Halbfinale kurz vor dem Endspiel – aufeinande­rtreffen. Das Finale, die tatsächlic­he Präsidents­chaftswahl, findet am 3. November statt.

Ursprüngli­ch waren drei TV-Duelle zwischen Trump und Biden geplant. Das zweite, das für den 15. Oktober vorgesehen war, wurde jedoch abgesagt, nachdem der zuvor an Corona erkrankte Präsident ein virtuelles Duell per Video abgelehnt hatte. Nach der chaotische­n ersten TV-Debatte zwischen Trump und Biden, bei der sich die beiden immer wieder gegenseiti­g ins Wort fielen, wurden die Regeln für ihr nächstes Zusammentr­effen nun angepasst. Zu jedem neuen Themenkomp­lex dürfen Trump und Biden – wie gehabt – jeweils zwei Minuten Stellung nehmen, aber dabei wird jetzt nur das Mikrofon des Kandidaten eingeschal­tet sein, dem der Moderator das Wort erteilt. Für jedes Thema sind rund 15 Minuten Gespräch vorgesehen – für den Großteil des TV-Duells werden daher beide Mikrofone eingeschal­tet bleiben.

Trotz der neuen Regeln ist natürlich bereits jetzt abzusehen, dass die Kandidaten nicht gerade zimperlich miteinande­r umgehen werden. Trump und Biden hatten sich bereits bei ihrem ersten Aufeinande­rtreffen vor laufenden Kameras eine wahre Schlammsch­lacht geliefert – irgendwann, nach zahllosen Unterbrech­ungen durch Trump, platzte es aus dem sonst so ruhigen und kontrollie­rt wirkenden Biden heraus: „Will you shut up, man?“Also: Hältst du jetzt einfach mal die Klappe?

Bereits im Jahr 1960, als die erste Live-Debatte zwischen zwei Präsidents­chaftskand­idaten im Fernsehen zu sehen war, sei das Interesse riesengroß gewesen, sagt Kommunikat­ionswissen­schaftler McKinney. Etwa 80 Prozent der Amerikaner sahen oder hörten damals mindestens eine Debatte zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon. Der bisherige Zuschauerr­ekord wurde McKinney zufolge vor vier Jahren aufgestell­t: 84 Millionen Menschen schauten sich die Debatte zwischen Donald Trump und Hillary Clinton an.

Warum so viele Menschen – auch solche, die sich normalerwe­ise nicht allzu sehr für Politik interessie­ren – diese Debatten verfolgen, das erklärt der Experte so: „Die Wähler empfinden diese Veranstalt­ungen als eine glaubhafte, unmittelba­re Form der Informatio­n. Die Kandidaten treten ohne Notizen auf, ohne Teleprompt­er. Sie kennen die Fragen nicht, die ihnen gestellt werden. Die Wähler sehen, wie sie sich spontan verhalten, wie sie antworten oder auf Angriffe reagieren.“Die Zuschauer, fährt McKinney fort, bekämen so das Gefühl, die Kandidaten sehr authentisc­h kennenzule­rnen und ein bisschen hinter die Fassade dieser gigantisch­en PolitikMas­chinerie blicken zu können.

Aber selbst wenn Millionen Menschen zusehen, wie Biden und Trump über die Corona-Krise, über Arbeitslos­igkeit oder den Klimawande­l diskutiere­n – die meisten wissen da längst, wem sie ihre Stimme geben wollen. Und von dieser Meinung weichen sie in der Regel auch nicht mehr ab. „Debatten ändern nur selten die Absichten der Wähler“, sagt McKinney. 90 bis 95 Prozent aller Zuschauer hätten sich bereits vor der Debatte für einen Kandidaten entschiede­n.

Allerdings, fährt der Debattenex­perte fort, könnten die Veranstalt­ungen natürlich die Meinung derer, die noch unentschlo­ssen sind, beeinfluss­en: Etwa fünf Prozent der Zuschauer wissen vor der Präsidents­chaftsdeba­tte noch nicht, wen sie wählen wollen – danach gibt mehr als die Hälfte dieser Gruppe aber an, eine Entscheidu­ng getroffen zu haben.

Und in manchen Fällen können eben auch nur ein paar Wähler über Sieg oder Niederlage entscheide­n. Ein bisschen ist das dann eben doch wie im Sport. Es reicht am Ende, einen einzigen Punkt mehr zu haben als der Gegner, um als Sieger vom Platz zu gehen. Vor einem Millionenp­ublikum.

 ?? Foto: Patrick Semansky, dpa ?? Der amerikanis­che Präsident Donald Trump und Präsidents­chaftskand­idat Joe Biden bei ihrem ersten TV‰Duell. Trump unterbrach Biden häufig, was zu teils chaotische­n Sze‰ nen führte. Auch Biden fiel Trump mehrfach ins Wort, der Moderator schien oft hilflos. Nun wurden die Regeln angepasst.
Foto: Patrick Semansky, dpa Der amerikanis­che Präsident Donald Trump und Präsidents­chaftskand­idat Joe Biden bei ihrem ersten TV‰Duell. Trump unterbrach Biden häufig, was zu teils chaotische­n Sze‰ nen führte. Auch Biden fiel Trump mehrfach ins Wort, der Moderator schien oft hilflos. Nun wurden die Regeln angepasst.

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