Es geht ins Finale
Am Donnerstag findet das letzte TV-Duell zwischen Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden statt – mit neuen Regeln. Welche Rolle das Debattieren im US-Wahlkampf spielt und ob dadurch Wähler beeinflusst werden
Washington Der erste Sonntag im Februar ist für viele Amerikaner ein Feiertag. An diesem Tag findet der Super Bowl statt, das Finale der amerikanischen Football-Profiliga, der Heilige Gral der Unterhaltungsindustrie. Für gewöhnlich schauen sich etwa 100 Millionen Amerikaner das gigantische Sport-Spektakel im Fernsehen an, trinken ein kühles Budweiser, essen klebriges Popcorn und panierte Hähnchenschenkel. Auf ähnlich großes Interesse stößt etwas, das mit Sport eigentlich herzlich wenig tun hat – obgleich auch hier mächtig um den Sieg gefochten wird: das TV-Duell der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Ob Fernsehstudio oder FootballRasen – neben unglaublichen Einschaltquoten eint die beiden Duelle vor allem diese eine, alles entscheidende Frage: Wer wird am Ende des Abends als Sieger vor einem Millionenpublikum stehen?
Mitchell McKinney, Kommunikationswissenschaftler von der Universität von Missouri und Experte für Präsidentschaftsdebatten, schaut in diesen Tagen, kurz vor der Wahl, ganz genau hin. Darauf, wie sich Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden geben, wie sie argumentieren, streiten, sich in Rage reden. Und mit ihm eben Millionen Amerikaner, die nicht nur Antworten auf drängende politische Fragen erwarten, sondern auch ein bisschen Entertainment. „Wie der Super Bowl sind solche Debatten eben auch Events“, sagt McKinney.
An diesem Donnerstag also wird Amerika den Fernseher einschalten. Nämlich dann, wenn Trump und Biden in ihrem letzten TV-Duell – quasi dem Halbfinale kurz vor dem Endspiel – aufeinandertreffen. Das Finale, die tatsächliche Präsidentschaftswahl, findet am 3. November statt.
Ursprünglich waren drei TV-Duelle zwischen Trump und Biden geplant. Das zweite, das für den 15. Oktober vorgesehen war, wurde jedoch abgesagt, nachdem der zuvor an Corona erkrankte Präsident ein virtuelles Duell per Video abgelehnt hatte. Nach der chaotischen ersten TV-Debatte zwischen Trump und Biden, bei der sich die beiden immer wieder gegenseitig ins Wort fielen, wurden die Regeln für ihr nächstes Zusammentreffen nun angepasst. Zu jedem neuen Themenkomplex dürfen Trump und Biden – wie gehabt – jeweils zwei Minuten Stellung nehmen, aber dabei wird jetzt nur das Mikrofon des Kandidaten eingeschaltet sein, dem der Moderator das Wort erteilt. Für jedes Thema sind rund 15 Minuten Gespräch vorgesehen – für den Großteil des TV-Duells werden daher beide Mikrofone eingeschaltet bleiben.
Trotz der neuen Regeln ist natürlich bereits jetzt abzusehen, dass die Kandidaten nicht gerade zimperlich miteinander umgehen werden. Trump und Biden hatten sich bereits bei ihrem ersten Aufeinandertreffen vor laufenden Kameras eine wahre Schlammschlacht geliefert – irgendwann, nach zahllosen Unterbrechungen durch Trump, platzte es aus dem sonst so ruhigen und kontrolliert wirkenden Biden heraus: „Will you shut up, man?“Also: Hältst du jetzt einfach mal die Klappe?
Bereits im Jahr 1960, als die erste Live-Debatte zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten im Fernsehen zu sehen war, sei das Interesse riesengroß gewesen, sagt Kommunikationswissenschaftler McKinney. Etwa 80 Prozent der Amerikaner sahen oder hörten damals mindestens eine Debatte zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon. Der bisherige Zuschauerrekord wurde McKinney zufolge vor vier Jahren aufgestellt: 84 Millionen Menschen schauten sich die Debatte zwischen Donald Trump und Hillary Clinton an.
Warum so viele Menschen – auch solche, die sich normalerweise nicht allzu sehr für Politik interessieren – diese Debatten verfolgen, das erklärt der Experte so: „Die Wähler empfinden diese Veranstaltungen als eine glaubhafte, unmittelbare Form der Information. Die Kandidaten treten ohne Notizen auf, ohne Teleprompter. Sie kennen die Fragen nicht, die ihnen gestellt werden. Die Wähler sehen, wie sie sich spontan verhalten, wie sie antworten oder auf Angriffe reagieren.“Die Zuschauer, fährt McKinney fort, bekämen so das Gefühl, die Kandidaten sehr authentisch kennenzulernen und ein bisschen hinter die Fassade dieser gigantischen PolitikMaschinerie blicken zu können.
Aber selbst wenn Millionen Menschen zusehen, wie Biden und Trump über die Corona-Krise, über Arbeitslosigkeit oder den Klimawandel diskutieren – die meisten wissen da längst, wem sie ihre Stimme geben wollen. Und von dieser Meinung weichen sie in der Regel auch nicht mehr ab. „Debatten ändern nur selten die Absichten der Wähler“, sagt McKinney. 90 bis 95 Prozent aller Zuschauer hätten sich bereits vor der Debatte für einen Kandidaten entschieden.
Allerdings, fährt der Debattenexperte fort, könnten die Veranstaltungen natürlich die Meinung derer, die noch unentschlossen sind, beeinflussen: Etwa fünf Prozent der Zuschauer wissen vor der Präsidentschaftsdebatte noch nicht, wen sie wählen wollen – danach gibt mehr als die Hälfte dieser Gruppe aber an, eine Entscheidung getroffen zu haben.
Und in manchen Fällen können eben auch nur ein paar Wähler über Sieg oder Niederlage entscheiden. Ein bisschen ist das dann eben doch wie im Sport. Es reicht am Ende, einen einzigen Punkt mehr zu haben als der Gegner, um als Sieger vom Platz zu gehen. Vor einem Millionenpublikum.