Schwaben ist noch immer voll von Funklöchern
Der Festnetzausbau ist in der Region deutlich vorangekommen. Das große Problem ist der Mobilfunk, warnt die Wirtschaft. Selbst auf Bundesstraßen reißt noch immer plötzlich der Empfang ab
Augsburg/Kempten Es passiert im Telekom-Netz rund um Kaufbeuren. Es passiert, wenn man Krumbach auf der Bundesstraße 300 verlässt. Es passiert im O2-Netz auf der B12 nach Lindau. Plötzlich reißt die Handy-Verbindung ab, der Telefonierende sitzt im Funkloch. Erfahrungen wie diese hat fast jeder Autofahrer schon gemacht, der eine Freisprechanlage nutzt oder dessen Beifahrer telefonieren wollte. Um einen besseren Überblick über die Mobilfunkversorgung in Schwaben zu bekommen, hat die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft die Netzqualität der drei großen Anbieter Telekom, Vodafone und O2 an Autobahnen und Bundesstraßen systematisch messen lassen. Das Ergebnis: Es gibt bis heute viele weiße Flecken ohne Empfang. Das ist ärgerlich für Privatkunden und bereitet auch Unternehmern und Politikern große Sorgen.
Hans Reichhart, Landrat des Kreises Günzburg, kennt die Folgen der Netzlücken gut: „Manche Telefon-Konferenz lässt sich nicht aus dem Auto heraus machen, weil die Verbindung abbricht“, sagt er. „Es ist erschreckend, dass wir an Autobahnen und Bundesstraßen an manchen Abschnitten keinen stabilen Mobilfunk-Empfang haben, von Landstraßen ganz zu schweigen“, kritisiert der CSU-Politiker. „Wenn wir in den nächsten Jahren keine Flächendeckung hinbekommen, werden Gemeinden abgehängt“, warnt Reichhart.
Auch viele Firmen sehen die Lücken kritisch. Denn eigentlich wäre es an der Zeit, den neuen ultraschnellen Mobilfunkstandard 5G einzuführen, betont Werner Ziegelmeier, Busunternehmer und stellvertretender Bezirksvorsitzender der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. „Der neue Mobilfunkstandard 5G rückt immer mehr in den Fokus der bayerischen Unternehmen“, sagt er. Ganze 27 Prozent der in einer Studie befragten Firmen sehen Bedarf für 5G, davon planten oder diskutierten 60 Prozent Anwendungen, die sich auf 5G-Technologie stützen. „Für den weiteren Ausbau von 5G brauchen wir einen klaren zeitlichen Fahrplan“, fordert Ziegelmeier. „Und im Jahr 2025 muss 5G lückenlos verfügbar sein!“, lautet sein Appell an die Telekom & Co. Verbindungsabbrüche jedenfalls müssten „im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert der Vergangenheit angehören“, betont er.
Die bayerische Wirtschaft erhofft sich auch von manchen Gemeinden mehr Engagement. Zwar hat der Freistaat im Jahr 2018 ein Mobilfunk-Förderprogramm ins Leben gerufen, um Funklöcher zu stopfen. In Schwaben hätten bis Ende Juni dieses Jahres aber erst 32 Gemeinden ein entsprechendes Verfahren gestartet. Das seien gerade einmal 9,5 Prozent der Kommunen. „Hier ist also noch Luft nach oben“, sagt Ziegelmeier.
Weshalb ist das Aufstellen von Handymasten mancherorts so schwierig? Teilweise liegt es an Widerständen der Bürger, berichtet Landrat Reichhart. Er fordert aber auch mehr Entschlossenheit gegenüber den Mobilfunkbetreibern, die die Investition in teure Masten auf dem flachen Land scheuen. „Wir brauchen ein Signal der europäischen und der Berliner Politik, dass wir einen bestimmten Mobilfunkstandard erreichen müssen, wir müssen den Konzernen sagen: Wir meinen es ernst!“, sagt Reichhart. Nützten auch Förderprogramme nichts, müsste die Pflicht zu einem nationalen Roaming eingeführt werden, fordert er. Dann müssten die Betreiber ihre Netze für die Konkurrenz öffnen. Hinzu kommt auf Gemeinde-Ebene, dass Bürgermeister häufig einen Anstoß brauchen, um Funklöcher zu schließen, sagt Ziegelmeier: „Gewerbetreibende müssen ihren Bürgermeistern deutlich machen, dass sie gute Netze dringend brauchen“, rät er.
Besser bewertet die Wirtschaft den Festnetzausbau in Schwaben. In der Corona-Pandemie ist mit dem Boom von Homeoffice und Videokonferenzen das Festnetz noch wichtiger geworden. „Während des Lockdowns haben die Netze dem gestiegenen Bedarf deutlich besser standgehalten als von vielen erwartet“, sagt Ziegelmeier. In Schwaben könnten bereits viele Haushalte schnelles Internet nutzen, gerade im ländlichen Raum habe sich viel verbessert. „Aber wir dürfen uns auf dem Erreichten nicht ausruhen!“, mahnt er. Denn in Zukunft dürften höhere Bandbreiten nötig sein.
Ein Beispiel: Das Unternehmen SPN Schwaben Präzision Fritz Hopf stellt in Nördlingen mit rund 300 Mitarbeitern unter anderem Getriebe her. Durch die Corona-Krise arbeiten rund 80 Beschäftigte derzeit im Homeoffice. Zusammen mit einem regionalen Energieversorger hatte SPN eine Glasfaser-Festnetzverbindung legen lassen – Geschwindigkeit: 150 Mbit pro Sekunde. „Für unsere Homeoffice-Phase war dies ausreichend, wir sind zufrieden mit der Ausbau-Situation“, sagt Geschäftsführer Georg Jaumann. Auf Dauer werde dies aber nicht reichen: „Künftig werden wir mindestens 1000 Mbit pro Sekunden brauchen, da die Technik Richtung Cloud-Lösungen geht und immer größere Datenmengen ausgetauscht werden“, sagt er.
Was Glasfaser-Leitungen betrifft, steht Schwaben bisher nicht gut da. Lediglich 8,7 Prozent der Endkunden hätten einen Glasfaseranschluss, berichtet Ziegelmeier. „Hier besteht für die Zukunft massiver Handlungsbedarf“, mahnt er.