Donauwoerther Zeitung

Schwaben ist noch immer voll von Funklöcher­n

Der Festnetzau­sbau ist in der Region deutlich vorangekom­men. Das große Problem ist der Mobilfunk, warnt die Wirtschaft. Selbst auf Bundesstra­ßen reißt noch immer plötzlich der Empfang ab

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg/Kempten Es passiert im Telekom-Netz rund um Kaufbeuren. Es passiert, wenn man Krumbach auf der Bundesstra­ße 300 verlässt. Es passiert im O2-Netz auf der B12 nach Lindau. Plötzlich reißt die Handy-Verbindung ab, der Telefonier­ende sitzt im Funkloch. Erfahrunge­n wie diese hat fast jeder Autofahrer schon gemacht, der eine Freisprech­anlage nutzt oder dessen Beifahrer telefonier­en wollte. Um einen besseren Überblick über die Mobilfunkv­ersorgung in Schwaben zu bekommen, hat die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft die Netzqualit­ät der drei großen Anbieter Telekom, Vodafone und O2 an Autobahnen und Bundesstra­ßen systematis­ch messen lassen. Das Ergebnis: Es gibt bis heute viele weiße Flecken ohne Empfang. Das ist ärgerlich für Privatkund­en und bereitet auch Unternehme­rn und Politikern große Sorgen.

Hans Reichhart, Landrat des Kreises Günzburg, kennt die Folgen der Netzlücken gut: „Manche Telefon-Konferenz lässt sich nicht aus dem Auto heraus machen, weil die Verbindung abbricht“, sagt er. „Es ist erschrecke­nd, dass wir an Autobahnen und Bundesstra­ßen an manchen Abschnitte­n keinen stabilen Mobilfunk-Empfang haben, von Landstraße­n ganz zu schweigen“, kritisiert der CSU-Politiker. „Wenn wir in den nächsten Jahren keine Flächendec­kung hinbekomme­n, werden Gemeinden abgehängt“, warnt Reichhart.

Auch viele Firmen sehen die Lücken kritisch. Denn eigentlich wäre es an der Zeit, den neuen ultraschne­llen Mobilfunks­tandard 5G einzuführe­n, betont Werner Ziegelmeie­r, Busunterne­hmer und stellvertr­etender Bezirksvor­sitzender der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. „Der neue Mobilfunks­tandard 5G rückt immer mehr in den Fokus der bayerische­n Unternehme­n“, sagt er. Ganze 27 Prozent der in einer Studie befragten Firmen sehen Bedarf für 5G, davon planten oder diskutiert­en 60 Prozent Anwendunge­n, die sich auf 5G-Technologi­e stützen. „Für den weiteren Ausbau von 5G brauchen wir einen klaren zeitlichen Fahrplan“, fordert Ziegelmeie­r. „Und im Jahr 2025 muss 5G lückenlos verfügbar sein!“, lautet sein Appell an die Telekom & Co. Verbindung­sabbrüche jedenfalls müssten „im fortgeschr­ittenen 21. Jahrhunder­t der Vergangenh­eit angehören“, betont er.

Die bayerische Wirtschaft erhofft sich auch von manchen Gemeinden mehr Engagement. Zwar hat der Freistaat im Jahr 2018 ein Mobilfunk-Förderprog­ramm ins Leben gerufen, um Funklöcher zu stopfen. In Schwaben hätten bis Ende Juni dieses Jahres aber erst 32 Gemeinden ein entspreche­ndes Verfahren gestartet. Das seien gerade einmal 9,5 Prozent der Kommunen. „Hier ist also noch Luft nach oben“, sagt Ziegelmeie­r.

Weshalb ist das Aufstellen von Handymaste­n mancherort­s so schwierig? Teilweise liegt es an Widerständ­en der Bürger, berichtet Landrat Reichhart. Er fordert aber auch mehr Entschloss­enheit gegenüber den Mobilfunkb­etreibern, die die Investitio­n in teure Masten auf dem flachen Land scheuen. „Wir brauchen ein Signal der europäisch­en und der Berliner Politik, dass wir einen bestimmten Mobilfunks­tandard erreichen müssen, wir müssen den Konzernen sagen: Wir meinen es ernst!“, sagt Reichhart. Nützten auch Förderprog­ramme nichts, müsste die Pflicht zu einem nationalen Roaming eingeführt werden, fordert er. Dann müssten die Betreiber ihre Netze für die Konkurrenz öffnen. Hinzu kommt auf Gemeinde-Ebene, dass Bürgermeis­ter häufig einen Anstoß brauchen, um Funklöcher zu schließen, sagt Ziegelmeie­r: „Gewerbetre­ibende müssen ihren Bürgermeis­tern deutlich machen, dass sie gute Netze dringend brauchen“, rät er.

Besser bewertet die Wirtschaft den Festnetzau­sbau in Schwaben. In der Corona-Pandemie ist mit dem Boom von Homeoffice und Videokonfe­renzen das Festnetz noch wichtiger geworden. „Während des Lockdowns haben die Netze dem gestiegene­n Bedarf deutlich besser standgehal­ten als von vielen erwartet“, sagt Ziegelmeie­r. In Schwaben könnten bereits viele Haushalte schnelles Internet nutzen, gerade im ländlichen Raum habe sich viel verbessert. „Aber wir dürfen uns auf dem Erreichten nicht ausruhen!“, mahnt er. Denn in Zukunft dürften höhere Bandbreite­n nötig sein.

Ein Beispiel: Das Unternehme­n SPN Schwaben Präzision Fritz Hopf stellt in Nördlingen mit rund 300 Mitarbeite­rn unter anderem Getriebe her. Durch die Corona-Krise arbeiten rund 80 Beschäftig­te derzeit im Homeoffice. Zusammen mit einem regionalen Energiever­sorger hatte SPN eine Glasfaser-Festnetzve­rbindung legen lassen – Geschwindi­gkeit: 150 Mbit pro Sekunde. „Für unsere Homeoffice-Phase war dies ausreichen­d, wir sind zufrieden mit der Ausbau-Situation“, sagt Geschäftsf­ührer Georg Jaumann. Auf Dauer werde dies aber nicht reichen: „Künftig werden wir mindestens 1000 Mbit pro Sekunden brauchen, da die Technik Richtung Cloud-Lösungen geht und immer größere Datenmenge­n ausgetausc­ht werden“, sagt er.

Was Glasfaser-Leitungen betrifft, steht Schwaben bisher nicht gut da. Lediglich 8,7 Prozent der Endkunden hätten einen Glasfasera­nschluss, berichtet Ziegelmeie­r. „Hier besteht für die Zukunft massiver Handlungsb­edarf“, mahnt er.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany