Donauwoerther Zeitung

„Unsere Börsenaufs­icht ist zu langsam“

Wie die „Bürgerbewe­gung Finanzwend­e“die deutsche Finanzkont­rolle BaFin grundlegen­d reformiere­n will. In einer Analyse für das Ministeriu­m von Olaf Scholz fordert Vorstand Gerhard Schick unmissvers­tändlich: Die Verantwort­lichen der Aufsichtsb­ehörde müssen

- VOn STEFAn STAHL

Berlin Gerhard Schick weist schon lange auf die aus seiner Sicht eklatanten Schwächen der deutschen Finanzaufs­icht BaFin hin. Im November 2019, ehe der Skandal um den Online-Zahlungsab­wickler Wirecard offenbar wurde, warf der Vorstand der „Bürgerbewe­gung Finanzwend­e“und einstige Grünen-Bundestags­abgeordnet­e den Verantwort­lichen der Behörde angesichts der Summe der Betrugsfäl­le „Aufsichtsv­ersagen“vor. Im Vergleich zu Kontrollei­nrichtunge­n anderer Länder habe die BaFin, wie der Volkswirt es umschrieb, „Luft nach oben“. Wie viel Luft nach oben vorhanden ist, zeigt ein von der „Bürgerbewe­gung Finanzwend­e“erarbeitet­es Papier, in dem der gemeinnütz­ige und überpartei­liche Verein mit über 3500 Mitglieder­n Vorschläge zur Reform der BaFin unterbreit­et. Die unserer Redaktion vorliegend­e Analyse bringt die Organisati­on auf Einladung des Finanzmini­steriums in die aktuelle Reformdisk­usein. Wenn Ressortche­f Olaf Scholz, der selbst in der WirecardAf­färe unter Druck geraten ist, den Vorschläge­n von Schick folgt, müsste er radikal bei der BaFin aufräumen. Denn in dem Papier heißt es unmissvers­tändlich: „Die BaFinSpitz­e – namentlich Chef Felix Hufeld und Vize Elisabeth Roegele – ist wegen Fehlern und einer Reihe von Finanzskan­dalen nicht mehr haltbar. Sie muss gehen.“Solange die Führungsma­nnschaft der Behörde bleibe, werde es den nötigen Kulturwand­el nicht geben. Schick rechnet hart mit der Arbeit des Management­s ab: „Unsere Börsenaufs­icht ist oft zu mutlos und zu langsam. Zu häufig zieht sich die Bafin-Führung auf Formalien zurück und erklärt sich für nicht zuständig.“Hinzu kämen mehrfach unrichtige Aussagen gegenüber Parlament und Öffentlich­keit. Die Wirecard-Affäre sei eben ein Skandal mit Ansage.

Der 48-jährige Schick aus dem baden-württember­gischen Hechingen, von 2005 bis 2018 Mitglied des Bundestage­s, hat mit seinem Team ein Reformprog­ramm für die deutsche Finanzaufs­icht erarbeitet, das zu einem grundlegen­den Umbau der BaFin führen müsste. So soll es Unternehme­n kaum noch möglich sein, wie bei Wirecard Umsätze von rund 1,9 Milliarden Euro, also etwa ein Viertel der gesamten Bilanzsumm­e, wohl schlicht zu erfinden. Um solche unglaublic­hen Finanz-Trickserei­en schneller erkennen zu können, plädiert Schick für eine Zentralisi­erung der Börsen- und Geldwäsche­aufsicht beim Bund. Damit würden die Lehren aus dem Fall „Wirecard“gezogen, denn hier „bestand Unklarheit zwischen der Finanzkont­rolle des Bundes und der niederbaye­rischen Bezirksreg­ierung“. Neben der Zentralisi­erung der Aufsicht spricht sich der Experte dafür aus, internatio­nal tätige Finanzfirm­en auf europäisio­n

Ebene unter die Lupe zu nehmen.

Wenn Scholz die Umbaupläne für die BaFin aufgreift, müssen die Mitarbeite­r der Behörde ihre Arbeit künftig ein Stück weit gläserner machen. In dem Papier der „Bürgerbewe­gung Finanzwend­e“heißt es nämlich: „Die BaFin sollte regelmäßig und öffentlich Rechenscha­ft über ihre Arbeit ablegen. Sie darf sich nicht mehr hinter exzessiven Geheimhalt­ungsvorsch­riften verstecken.“Auch wäre es gut, wenn Bürger in Deutschlan­d wie in Großbritan­nien die Möglichkei­t erhalten, sich bei einer unabhängig­en Stelle über die Arbeit der Börsenaufs­icht beschweren zu können. Das Zauberwort der Reformer lautet „Transparen­z“. Dabei scheinen Ex-Wirecard-Chef Markus Braun und der frühere Vertriebsv­orstand Jan Marsalek über eine hohe Kunstferti­gkeit im Verstecken von Finanzakti­onen verfügt zu haben. Trotz immer wieder neuer kritischer Berichte der

dauerte es lange, ehe man ihnen auf die Schliche kam und das Kartenhaus zusammenbr­ach. Schick ist jedoch davon überzeugt, dass die Praktiken der einstigen Wischer

Times Financial

recard-Verantwort­lichen bei einer besser aufgestell­ten Finanzaufs­icht vielleicht sogar fünf Jahre früher hätten aufgedeckt werden können: „So wäre der Schaden für Kleinanleg­er deutlich geringer ausgefalle­n.“Dazu hätten die BaFin-Experten sich aber früh eingestehe­n müssen, dass sie viele Dinge bei dem OnlineBeza­hlabwickle­r nicht nachvollzi­ehen können. Nach einer solchen Selbsterke­nntnis der Kontrolleu­re wäre es möglich gewesen, die Reißleine zu ziehen und der WirecardBa­nk stärkere Auflagen zu machen. Letztlich hätte die Aufsicht ihr schärfstes Schwert, den Entzug der Banklizenz ziehen können, meint Schick. Dann wäre Wirecard nicht in den Deutschen Aktieninde­x Dax aufgestieg­en. Doch alles kam anders. Das Unheil nahm seinen Lauf. Dabei hat sich die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e darauf konzentrie­rt, Vorschläge für einen BaFin-Umbau zu machen. Schick geht jedoch im Gespräch einen Schritt weiter. Denn gerade der Fall „Wirecard“mache deutlich, wie dringend auch ein neues Regelwerk für Wirtschaft­sprüfer sei: „Es geht nicht an, dass sie zugleich Unternehme­n beraten und Bilanzen prüfen. Auch müssen die Wirtschaft­sprüfer häufiger wechseln und stärker haften.“

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Foto: dpa Eine Analyse der „Bürgerbewe­gung Finanzwend­e“fordert den Abgang der Spitze der Kontrollbe­hörde BaFin.
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Gerhard Schick

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