Donauwoerther Zeitung

Tanzen, aber nur mit Abstand

Aus sind die Zeiten, als sich zu Livemusik Tanzpaare auf dem Parkett drängten. Doch was macht man als leidenscha­ftlicher Tanzmeiste­r jetzt? Und wie geht es den Vereinen?

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Abstand war gerade das, was man nicht wollte. An diesen Abenden. Im Gegenteil. Gemeinsam sich mitreißen lassen. Gemeinsam genießen, was für ein großartige­s Gefühl es ist, wenn die live gespielte, zünftige Musik die Füße bewegt und alle im Saal im Walzer oder Dreher schweben. Magnus Kaindl stets mittendrin. Im Tanzrausch. Als Tanzmeiste­r. Das alles war vor Corona. Die Pandemie hat diesem tänzerisch­en und musikalisc­hen Glückstaum­el ein abruptes Ende bereitet. Doch unterkrieg­en lassen will sich Tanzmeiste­r Kaindl nicht. Das verbindet ihn mit vielen bayerische­n Tanzsportv­ereinen und Tanzschule­n, die ebenfalls Wege suchen, um ihren Mitglieder­n ein Mindestmaß an Freude zu bieten.

Jennifer Wagner und ihre Mutter Marion Drieschner gehören zu ihnen. Die Tanzschule „Chill & Dance“in Augsburg bietet unter anderem Hip Hop, Breakdance, Zumba, aber auch Standard/Latein. Marion Drieschner war eigentlich bisher nur für die Deko zuständig. Doch seit Juni, seit die Tanzschule nach dem Lockdown wieder öffnen durfte, sitzt sie jeden Tag im Eingangsbe­reich und organisier­t die Kurse. „Denn der Organisati­onsaufwand ist momentan enorm“, sagt sie. Keiner dürfe mehr spontan kommen, jeder müsse sich online anmelden. Statt 30 Leuten dürften nur noch höchstens 18 in einen Kurs. Alle müssten sich auf einer mit einer Extra-Matte begrenzten Tanzfläche bewegen, damit der Abstand eingehalte­n wird. Im Standard-Latein-Kurs sind es nur noch sechs Paare statt früher 20. „Finanziell spüren wir das deutlich“, sagt Drieschner. Zumal die Miete ausgerechn­et in diesem Jahr schon einmal teurer wurde und die nächste Erhöhung im Januar anstehe. „Eine sehr schwierige Zeit ist das.“

Doch man sei einfach nur froh, solange man öffnen kann. Und die Tanzbegeis­terten wissen es zu schätzen: Kurz nach der Wiedereröf­fnung im Juni zählte „Chill & Dance“, das 2012 eröffnet hat, so viele Neuzugänge wie nie. „Allerdings gab es während des Lockdowns auch etliche Kündigunge­n.“Das Schlimmste, was jetzt passieren kann, ist für Drieschner ein erneuter Lockdown. Denn dies bedeute noch einmal ganz andere finanziell­e Belastunge­n.

Auch für den Tanzsport. Zwar haben viele Tanzsportv­ereine im Freistaat eigene Klubheime, in denen seit Sommer unter Einhaltung der Hygienemaß­nahmen wieder fleißig trainiert wird, doch viele kleine Tanzsportv­ereine sind finanziell angeschlag­en und kämpfen, sagt Mila Scibor vom Bayerische­n Tanzsportb­und, der aktuell 305 Vereine mit insgesamt rund 36000 Mitglieder­n zählt. Noch immer hätten, wie Scibor erklärt, gerade kleine Gemeinden kein Hygienekon­zept, das ihre Säle mit einschließ­t. Viele Tanzsportv­ereine sind aber gerade jetzt auf große Säle angewiesen, um die Abstandsre­geln einhalten zu können. „Und unsere Vereine leben ausschließ­lich von Mitgliedsb­eiträgen. Wir haben keine Sponsoren“, erklärt Scibor. Das unterschei­de den Tanzsport erheblich vom Fußball oder vom Eishockey. „Offiziell wird der Tanzsport, obwohl wir längst in der Bundesliga tanzen, immer noch mit dem unschönen Wort Randsporta­rt bezeichnet.“Daher versuchen die Tanzsportv­ereine alles, um jetzt in diesen herausford­ernden Zeiten ihre Mitglieder zu halten. „Leicht ist das nicht.“Denn Fitnesskur­se könne man gut auch online anbieten, doch raumgreife­ndes Tanzen mit einem Trainer geht nun mal nur auf einem großen Parkett, erklärt Scibor. „Und wer hat schon den Platz in seinem Wohnzimmer?“

Viele Kündigunge­n mussten die Tanzsportv­ereine nach Einschätzu­ng von Scibor nicht verkraften.

Die Tänzer zeigten sich treu und loyal. „Was uns allerdings fehlt, sind Neuzugänge.“Denn viele Menschen können sich ihrer Beobachtun­g nach in Corona-Zeiten gar nicht vorstellen, dass überhaupt als Paar getanzt werden darf.

Nun, man muss natürlich nicht immer nur als Paar tanzen. Spaß kann man auch beim Alleine-Tanzen haben. „Bavarian Line Dance“bot Tanzmeiste­r Magnus Kaindl beispielsw­eise schon zweimal im Herbst in der Region an. Statt als Paar wurde eben alleine getanzt und auf der grünen Wiese. „Das wurde sehr gut angenommen“, sagt Kaindl. Doch jetzt mit den kühleren Temperatur­en ist dies leider nicht mehr möglich. „Die kalten Monate schränken uns schon noch einmal sehr ein“, bedauert Kaindl, der hauptberuf­lich bei der Stadt München im Kulturrefe­rat unter anderem für die Volkskultu­r zuständig ist. Was also tun, wenn die Paare mindestens 1,5 Meter Abstand voneinande­r halten müssen und jedes Paar zehn Quadratmet­er Platz für sich benötigt, um die Hygienevor­schriften einzuhalte­n? „Große, traditione­lle Tanzverans­taltungen sind unter diesen Umständen nicht möglich“, erklärt Kaindl. Leider. Die Räume müssen ja riesig und außerdem gut zu lüften sein. Raumgreife­nde Bewegungen machten so wenig Sinn und schon gar nicht können Veranstalt­ungen angeboten werden, bei denen sich die Paare erst vor Ort finden wie beim beliebten „Bayerisch Tanzen“etwa in der Gaststätte Rheingold in Augsburg.

Magnus Kaindl will sich daher wieder verstärkt auf Seminare konzentrie­ren. Auf Workshops, zu denen sich Paare anmelden müssen. Vor knapp zwei Wochen war es so weit. 20 Tanzpaare fanden sich im großen Saal des Münchner Hofbräuhau­ses ein. „Das kam sehr gut an“, sagt Kaindl, „die Menschen freuen sich unglaublic­h, dass wenigstens so etwas möglich ist.“Kaindl räumt allerdings auch ein, dass der organisato­rische Aufwand für solche Angebote immens ist. „Doch nichts zu machen wäre das völlig falsche Signal“, ist Kaindl überzeugt. „Wir müssen aus der Situation das Beste machen.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Tanzen unter Einhaltung der Abstandsre­geln ist möglich, wie hier in der Tanzschule „Chill & Dance“in Augsburg.
Foto: Michael Hochgemuth Tanzen unter Einhaltung der Abstandsre­geln ist möglich, wie hier in der Tanzschule „Chill & Dance“in Augsburg.

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