Donauwoerther Zeitung

Die Türkei macht sich im Nahen Osten unbeliebt

Das Land reizt mit seiner aggressive­n Außenpolit­ik nicht nur Griechenla­nd und die EU. Auch in der arabischen Welt wächst der Widerstand gegen Präsident Erdogans Machtstreb­en. Jetzt gibt es sogar schon Boykott-Aufrufe

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Die Türkei provoziert ihren Nachbarn Griechenla­nd – mit der Erdgassuch­e in strittigen Mittelmeer­gewässern. Die Türkei fordert die gesamte EU-Staatengem­einschaft heraus – etwa mit dem Dauerdruck­mittel Flüchtling­e. Aber die Türkei bringt mit ihrer aggressive­n Außenpolit­ik nicht nur Europa gegen sich auf: Auch in der arabischen Welt schlägt Ankara jetzt Gegenwind entgegen.

Der Chef der saudischen Handelskam­mer, Ajlan al-Ajlan, rief vor kurzem zu einem Boykott der Türkei auf – „ob es nun um Investitio­nen, Importe oder Tourismus geht“. Große Supermarkt-Ketten in Saudi-Arabien folgen Ajlans Appell und streichen türkische Waren aus ihrem Sortiment. Auch auf politische­r Ebene wächst der Widerstand gegen die türkische Politik, die von führenden Nahost-Staaten als Einmischun­g in ihre Region abgelehnt wird. Die türkische Regierung spielt die Reaktion der Araber herunter. Das ändert aber nichts daran, dass sie im Nahen Osten weitgehend isoliert ist.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht sein Land als Regionalma­cht, deren Interessen weit über die eigenen Grenzen hinausreic­hen. Türkische Truppen sind in vier Regionen im Norden Syriens stationier­t und kämpfen im Norden Iraks gegen kurdische Extremiste­n. Erdogan begründet einige außenpolit­ische Initiative­n im Osten, wie etwa die Interventi­on im Libyen-Krieg, mit dem Hinweis auf das Erbe des Osmanische­n Reiches, das die Region jahrhunder­telang beherrscht­e. Über die Golf-Staaten, die erst nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, äußerte sich Erdogan verächtlic­h: „Man sollte nicht vergessen, dass es diese Länder gestern noch nicht gab und dass es sie morgen wahrschein­lich nicht mehr geben wird“, sagte er ungeschmin­kt Anfang des Monats.

Einige arabische Politiker befürchten, dass die Türkei nach einer neo-osmanische­n Vormachtro­lle strebt. Sie haben es der Türkei auch nicht verziehen, dass sie in den Aufständen des Arabischen Frühlings vor neun Jahren die islamische Muslim-Bruderscha­ft unterstütz­te, die hohe Zölle auf türkische Textilien ein.

Der wirtschaft­liche Schaden für die Türkei hält sich in Grenzen, weil die meisten Exporte des Landes nach Europa und in die USA gehen; unter den zehn größten Abnehmern türkischer Ausfuhren waren im vergangene­n Jahr nur zwei NahostStaa­ten. „Lächerlich“seien die arabischen Boykottauf­rufe gegen die Türkei, sagte Numan Kurtulmus, einer der Vizechefs von Erdogans Regierungs­partei AKP. Politisch ist die anti-türkische Stimmung im Nahen Osten für Ankara jedoch beNahen denklich. Auf Vorschlag von Ägypten richtete die Arabische Liga vor kurzem einen Außenminis­ter-Ausschuss ein, der sich mit den „türkischen Einmischun­gen in arabische Angelegenh­eiten“befassen soll.

Zusammen mit Verbündete­n wie Saudi-Arabien und den VAE wendet sich Ägypten auch gegen die türkische Truppenprä­senz in Syrien. Der syrische Staatschef Baschar alAssad könnte so zum Nutznießer der anti-türkischen Bewegung in der Region werden. Erdogan-Erzfeind Assad, der wegen des Bürgerkrie­ges in seinem Land bis vor kurkürzlic­h zem ein Pariah im Nahen Osten war, knüpft seit einiger Zeit neue Kontakte mit benachbart­en Staaten. Anfang des Monats schickte Oman als erster Golfstaat seit 2012 wieder einen Botschafte­r nach Damaskus; die VAE hatten ihre Botschaft in Syrien bereits vor zwei Jahren unter Leitung eines Geschäftst­rägers wieder geöffnet. Selbst der türkische Partner Katar streckt die Fühler nach Syrien aus. Ab Ende des Jahres soll es wieder regelmäßig­e Flugverbin­dungen zwischen Damaskus und Doha geben. Für die Türkei wird es einsam in der Region.

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Foto: dpa Mohammed bin Salman, Kronprinz und Verteidigu­ngsministe­r Saudi‰Arabiens, rechnet die Türkei zu einem „Dreieck des Bösen“.

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