Geheimdienst liest mit
Koalition reagiert mit neuem Recht zur Überwachung auch auf Rechtsextremismus
Berlin Die Bundesregierung will den Geheimdiensten erlauben, Kommunikation über WhatsApp und andere verschlüsselte Messenger-Dienste mitzulesen. Das Kabinett entschied am Mittwoch, dass der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst (MAD) künftig nicht nur laufende Gespräche via Messenger überwachen dürfen sollen, sondern auch Botschaften, die per Messenger verschickt werden.
Voraussetzung für eine solche Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) ist allerdings in jedem einzelnen Fall eine entsprechende Anordnung. Die Geheimdienste können also nicht nach Gutdünken Kommunikation mitlesen und speichern. Die Überwachungsmaßnahmen genehmigt eine Kommission im Bundestag, die dazu personell gestärkt wird und einen technischen Berater an die Seite gestellt bekommt. Die Reform muss noch vom Bundestag gebilligt werden.
Befürworter des Entwurfs sagen, dass damit der Inlandsgeheimdienst von seinen Möglichkeiten her lediglich wieder auf den Stand komme, auf dem er vor der Erfindung von Internet und Mobilfunk war. Damals genügte es, Festnetztelefone abzuhören. „Wir brauchen einen Verfassungsschutz, der auch im digitalen Zeitalter sehen und hören kann. Nur so können wir den extremistischen Geschwüren in unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Reform war in der Koalition lange umstritten. Ein erster Entwurf vom März 2019 hatte für die Geheimdienste auch die Erlaubnis für „Online-Durchsuchungen“enthalten. Darunter versteht man den verdeckten Zugriff auf Computer, Smartphones und andere IT-Geräte, deren Daten dann ausgelesen werden können. Dieser Passus wurde auf Druck der SPD gestrichen. Ein Sprecher des SPD-geführten Bundesjustizministeriums sagte, es handele sich nun um eine „maßvolle Kompetenzerweiterung“bei gleichzeitiger Stärkung der parlamentarischen Kontrolle – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen.
Die aktuelle Kabinettsvorlage sieht auch einen erweiterten Austausch von Informationen zwischen MAD und Verfassungsschutzbehörden vor. Das soll helfen, rechtsextreme Bundeswehrangehörige und Reservisten besser als bisher zu identifizieren. Zudem werden die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Regierung Konsequenzen aus den rechtsextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Aus der Opposition kam Kritik am geplanten Zugang der Geheimdienste zu verschlüsselten Chats.