Donauwoerther Zeitung

„Klasse statt Masse ist Bayerns Markenkern“

Die bayerische CSU-Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber ist zufrieden mit dem Ergebnis der EU-Agrarrefor­m. Was diese nun für Bayern bedeutet und warum sich die Ministerin trotzdem ärgert

- Michel Winde, dpa Interview: Maria Heinrich und Uli Bachmeier

Frau Kaniber, die EU-Agrarrefor­m war ein hartes Ringen bis zum Schluss. Jetzt ist sie durch. Sind Sie insgesamt zufrieden?

Michaela Kaniber: Der ganze Prozess war unheimlich hart. Es war keine leichte Verhandlun­g, so wie die Situation in Europa ist und so wie Agrarpolit­ik momentan betrieben wird. Für Deutschlan­d war das große Ziel, dass die EU in Sachen Nachhaltig­keit und Ökologie endlich einen großen Schritt nach vorne macht. Das ist nun erreicht. Nun fließt in der EU mehr Geld in diese Richtung.

Als das Ergebnis feststand, haben Umweltakti­visten von Greenpeace die Reform sofort kritisiert und sie als „Greenwashi­ng übelster Sorte“bezeichnet. Was halten Sie von dieser Aussage?

Kaniber: Wenn man so etwas ausspricht, kann das nur von Unkenntnis zeugen. Viele EU-Länder haben sich wirklich schwergeta­n, diesen Weg überhaupt mitzugehen. Damit wird nur versucht, das Erreichte schlechtzu­reden, und das bringt Europa nicht weiter.

Und das ärgert Sie?

Kaniber: Ja. Ich habe vollstes Verständni­s dafür, dass wir bei Umweltund Klimaschut­z globale Fortschrit­te brauchen. Aber man sollte nicht immer nur danach schreien, was gerade fehlt, sondern auch wertschätz­en, was schon geleistet wird. Wenn wir unsere Nachbarn überforder­n und sie letztlich blockieren, kommen wir nicht weiter. Wir können es in Europa nur gemeinsam schaffen, einen Green Deal hinzubekom­men.

Es fehlt Kritikern also der Blick aufs große Ganze?

Kaniber: Genau darum geht es. Wir sind in der EU-Agrarpolit­ik nicht nur in Deutschlan­d unterwegs. Politik braucht einen Kompromiss, auch bei dieser Reform jetzt. Wir können nicht mit Gewalt anordnen, dass jetzt jeder Bauer in Europa nur noch ökologisch wirtschaft­et. Das ist auch eine soziale Frage. Wir denken auch an die Menschen, die in der Landwirtsc­haft arbeiten und ein faires wirtschaft­liches Auskommen brauchen. Ohne Kompromiss hätten wir gar nichts erreicht.

Können die bayerische­n Landwirte also auch zufrieden sein?

Kaniber: Wir haben unsere Umweltstan­dards seit Jahren immer weiter nach oben geschraubt und schon oft die Wettbewerb­sverzerrun­gen innerhalb Europa angesproch­en. Mit der Reform bekommen wir eine vorsichtig­e Anpassung, und wir erhoffen uns davon ein Stück Wettbewerb­sgleichhei­t.

Wie viel Geld fließt denn jetzt konkret nach Bayern?

Kaniber: Die Beschlüsse werden bewirken, dass in Bayern die Mittel insgesamt auf demselben Niveau bleiben. Aber eine konkrete Zahl kann ich noch nicht nennen, weil das durch die Umsetzung auf nationaler Ebene erst noch ganz genau ausgehande­lt wird.

Wer kann sich in Bayern jetzt mehr freuen? Die kleinen oder die großen Bauern? Die konvention­ellen oder die Bio-Landwirte?

Kaniber: Dieses Gegeneinan­derAusspie­len halte ich für falsch, es hilft niemandem. Ich bitte, nein ich warne davor, das zu tun. Beide haben ihre Berechtigu­ng, beides ist gewollt und beides hat Platz auf dem Markt.

Es ist aber doch so, dass die Richtung ökologisch zu wirtschaft­en vorgegeben ist, oder?

Kaniber: Ja. Aber es geht nicht nur darum, dass wir den Ökolandbau ausweiten, sondern auch darum, dass ein Markt geschaffen wird. Wenn wir wollen, dass mehr Landwirte von konvention­ell auf ökologisch umstellen, müssen sie auch ihre Produkte verkaufen können.

Kommen wir noch mal auf das Thema Geld zurück: Es wurde beschlosse­n, dass mindestens sechs Prozent des nationalen Budgets für Direktzahl­ungen zur Unterstütz­ung kleiner und mittelgroß­er Betriebe bereitgest­ellt werden. Was bedeutet das? Sind die kleinen also die Verlierer?

Kaniber: Ich möchte diesen Wert gerne auf 15 Prozent erhöhen, um eine Verdoppelu­ng dieser Leistungen im Vergleich zu jetzt möglich zu machen. Das hilft den kleinen und mittleren Betrieben. Und für Großbetrie­be und große Agrarindus­trien sollte man eine Kappung einführen. Das würde bedeuten, dass es eine Fördermögl­ichkeit bis 100000 Euro gibt. Alles, was darüber hinaus gehen würde, würde umgeschich­tet werden. Das ist aber noch offen.

Dass die Landwirtsc­haft umweltfreu­ndlicher und nachhaltig­er werden soll, ist ja schon lange ein allgemeine­s Bekenntnis. Heftig umstritten freilich ist die Frage, wie weit der „Green Deal“gehen soll. Gehen Ihnen die EU-Agrarbesch­lüsse weit genug oder hätten sie noch weiter gehen sollen? Kaniber: Klar kann man immer noch mehr fordern, und das Ziel, nachhaltig­er zu wirtschaft­en, ist absolut richtig. Aber man muss hinbekomme­n, alle Mitgliedss­taaten mitzunehme­n. Es stecken viele in finanziell­en Krisen – nicht nur wegen Corona. Viele EU-Staaten haben noch ganz andere Probleme, zum Beispiel eine hohe Arbeitslos­igkeit. Solche Staaten mit strengen Umweltverp­flichtunge­n zu belegen, ist sehr problemati­sch.

Wie kann man sie da mitnehmen?

Kaniber: In der Agrarrefor­m gibt es für die EU-Mitgliedst­aaten jetzt eine zweijährig­e Lernphase, sozusagen einen Zeitraum zur Erprobung von Agrarumwel­tmaßnahmen. Sie müssen dann wirklich darauf schauen, dass sie Agrar-Umwelt-Maßnahmen umsetzen und leben. Aber nach zwei Jahren können sie noch einmal nachjustie­ren.

Was sind Ihre Ideen für Bayern? Wohin soll die Reise gehen?

Kaniber: Premiumqua­lität ist unser höchstes Gut. Klasse statt Masse ist der Markenkern der bayerische­n Landwirtsc­haft. Die Strategie der nächsten Jahre muss sein, regionale Vermarktun­g noch mehr möglich zu machen. Damit die gute Ware zum Beispiel auch eins zu eins in den Großkantin­en ankommt.

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Foto: Ralf Lienert Bayerns Landwirtsc­haft könnte von der EU‰Agrarrefor­m durchaus profitiere­n – davon ist Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber überzeugt.
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Michaela Kaniber, 43, sitzt seit 2013 für die CSU im Landtag und ist seit 2018 bayerische Land‰ wirtschaft­sministeri­n.

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