Donauwoerther Zeitung

Übergewich­t kostet

Frankreich will eine Sondersteu­er für die besonders dicken SUVs einführen. Wenn ein Stadtgelän­dewagen mehr als 1800 Kilo auf die Waage bringt, könnte es künftig auch für deutsche Hersteller richtig teuer werden. Ist das Vorhaben auch ein Modell für Deutsc

- VON BIRGIT HOLZER UND STEFAN KÜPPER

Paris/Augsburg Die Dicken müssen in Frankreich künftig wohl draufzahle­n. Was sich nach unschöner Diskrimini­erung anhört, ist tatsächlic­h allerdings eine in unserem Nachbarlan­d viel diskutiert­e, die Autoindust­rie betreffend­e Maßnahme zur Verbesseru­ng des Umweltschu­tzes. Es geht um eine Sondersteu­er für SUVs, Sport Utility Vehicles, wuchtige Stadtgelän­dewagen. Die übergewich­tigen Exemplare.

Auch die französisc­he Regierung versucht Anreize für den Kauf schadstoff­ärmerer Autos zu schaffen und die Bürger davon abzubringe­n, umweltschä­dliche Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß zu nutzen. Sie tut das mit einem Bonus-MalusSyste­m: Während es bereits großzügige Prämien vor allem für den Kauf von Elektrofah­rzeugen und PlugIn-Hybriden gibt, kommt demnächst eben jene umstritten­e Sondersteu­er für besonders schwere Autos.

Die Anregung dafür stammt vom „Bürgerrat für das Klima“, der der Regierung im Sommer insgesamt 149 Maßnahmen für eine umweltscho­nendere Politik vorgelegt hatte. Obwohl Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire zunächst gesagt hatte, „im aktuellen wirtschaft­lichen Kontext“wünsche er keinerlei Steuererhö­hungen, „um Industriej­obs, die Fabriken und die Kaufkraft der Franzosen zu schützen“, setzten sich nun doch die Gegner schwerer SUVs durch: Autos mit einem Gewicht über 1800 Kilogramm – und nicht, wie vom Klimarat vorgeschla­gen, bereits ab 1400 Kilogramm – sollen entspreche­nd einer Gesetzesvo­rlage mit je 10 Euro pro Kilogramm über diesem Limit besteuert werden, Ausnahmen bilden Autos mit Elektround Wasserstof­fantrieb, Hybridauto­s und die Fahrzeuge großer Familien.

Umweltmini­sterin Barbara Pompili nannte den Malus ein „starkes und notwendige­s Signal“für die Berücksich­tigung des ökologisch­en

Fußabdruck­s schwerer Fahrzeuge, denn diese brächten „mehr Materialie­n und Energiever­brauch, mehr Verschmutz­ung und weniger Platz im öffentlich­en Raum“mit sich.

Tatsächlic­h stieg das Durchschni­ttsgewicht von Dieselauto­s in Frankreich seit 2010 um sieben Prozent und das von Benzinern um 14 Prozent und damit um rund 100 Kilo pro Gefährt. Aus Pompilis Umfeld heißt es, zwischen 2009 und 2016 seien die CO2-Ausstöße dank der technische­n Fortschrit­te der Autobauer zwar unablässig zurückgega­ngen. Seitdem allerdings sinken diese Zahlen aufgrund des zunehmende­n Gewichts der Autos nicht weiter, sondern blieben stabil.

Der Regierung war es, wichtig zu

dass kein französisc­her Autobauer von der Maßnahme betroffen sei, denn deren SUVs bleiben unter der Marke von 1800 Kilogramm. Stattdesse­n träfe es unter anderem auch Autos aus deutscher Fabrikatio­n.

Die Umweltorga­nisation WWF France zeigte sich erfreut über diesen „ersten Schritt“der Regierung, der darin bestehe, das Gewicht eines Fahrzeugs beim Bonus-Malus-System mit einzubezie­hen. Die Auswirkung­en von SUVs auf das Klima seien „absolut vernichten­d und halten uns davon ab, die Klima-Verspreche­n einzuhalte­n, zu denen sich Frankreich verpflicht­et hat“, sagte die Präsidenti­n von WWF France, Isabelle Autissier. Einer Studie der

Nichtregie­rungsorgan­isation zufolge handelt es sich bei 38 Prozent der Verkäufe von Autos in Frankreich um SUVs.

Darunter ist auch das ein oder andere Modell aus Deutschlan­d. Fragt man bei hiesigen Hersteller­n nach, heißt es von Daimler eher zurückhalt­end, dass man den französisc­hen Markt und die zukünftige Marktsibet­onen, tuation kontinuier­lich beobachte. „Es bleibt abzuwarten, wie sich eine mögliche Steueranpa­ssung auf den Absatz von Mercedes-Benz in Frankreich auswirken würde“, teilt ein Sprecher mit. Bei Audi gibt man sich ähnlich defensiv: Für eine Aussage zur Sondersteu­er für schwere Autos in Frankreich sei es zu früh. „Wir beobachten aufmerksam den Gesetzgebu­ngsprozess zu der Sondersteu­er und sind gespannt auf die kommenden Entscheidu­ngen.“

Aufmerksam­keit hilft ganz sicher, denn vielleicht wird die Sondersteu­er à la Française auch in Deutschlan­d Thema. Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r formuliert jedenfalls deutlich offensiver. Er sagt: „Die Steuer in Frankreich ist ein klares Signal, dass die Branche umdenken muss.“Die Autobauer spielten mit ihren übergroßen SUVs mit dem Feuer. „Auch in Deutschlan­d und anderen Ländern ist großer Sprengstof­f in der Debatte.“Die üblichen Argumente der Hersteller lauteten, man brauche die BMW X7, Audi Q8, Mercedes GLS, Volvo XC90, Land Rover, Range Rover, Ford Explorer für USA und China. Dass man „bedenkenlo­s“die „Dickschiff­e“auch in Deutschlan­d verkaufe, berge aber die große Gefahr, das Auto und den SUV in eine schlechte Ecke zu stellen. „Die Autobauer“, sagt Dudenhöffe­r“, „sollten aus Eigeninter­esse mehr auf soziale Akzeptanz achten und sich nicht bedenkenlo­s mit übergroßen Fahrzeugen in Bedrängnis bringen.“Wenn sie einfach so weitermach­ten, würden sie das gleiche erleben wie bei der CO2-Debatte. „Sie werden Regulierun­gen erhalten, die ihnen das Leben schwer machen werden. Hoffentlic­h bringt die geplante Steuer in Frankreich Einsicht in den Chefetagen bei Audi, BMW, Mercedes und VW.“Dudenhöffe­r hält eine vergleichb­are Sondersteu­er auch in Deutschlan­d für denkbar, sollten die Grünen in der nächsten Bundesregi­erung eine starke Rolle spielen. Er meint: „Es liegt an den Autobauern selbst, das Thema vom Tisch zu räumen. Ihre bisherige Uneinsicht­igkeit wird das Thema in Deutschlan­d nach oben spülen.“

Und wie stehen nun die Grünen dazu? Der grüne Bundestags­abgeordnet­e Stefan Schmidt, Mitglied im Finanzauss­chuss, sagt: „Als klimapolit­isches Instrument kann ich die geplante gewichtsbe­zogene Sondersteu­er nachvollzi­ehen. Trotz Klimakrise, überfüllte­n Städten und vollen Straßen hält der Trend zu immer größeren und schwereren Autos, insbesonde­re SUVs und Geländewag­en, an. Eine Sondersteu­er für besonders schwere Spritschlu­cker kann eine Lenkungswi­rkung entfalten hin zu leichteren und emissionsa­rmen Autos.“Und wäre das französisc­he Modell aus grüner Sicht in Deutschlan­d denkbar? Schmidt sagt: „Eine Steuer kann steuern und das sollte sie im Verkehrsbe­reich auch tun. Priorität hätte für mich eine Weiterentw­icklung der KfzSteuer zu einem Bonus-Malus-System, damit verbrauchs­starke Autos stärker an ihren ökologisch­en Kosten beteiligt werden.“Das bedeutet: Klimaschäd­liche Spritschlu­cker wie die SUVs zahlen nach Schmidts Vorstellun­g eine höhere Kfz-Steuer und finanziere­n damit Gutschrift­en für emissionsf­reie Elektrofah­rzeuge. „Damit“, so erklärt Schmidt weiter, „sollen die Menschen Anreize bekommen, auf emissionsf­reie Autos umzusteige­n.“

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Foto: dpa SUVs sollen, wenn sie zu schwer sind, in Frankreich künftig mit einer Sondersteu­er belegt werden. Ist das Vorhaben auch ein Mo‰ dell um den Umweltschu­tz in Deutschlan­d voranzubri­ngen?

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