Donauwoerther Zeitung

Zu pink, zu krachend

Obwohl Frauen viele Kaufentsch­eidungen treffen, werden sie als Zielgruppe oft verfehlt. Warum es für Unternehme­n noch wichtiger wird, weibliche Denkweisen besser zu verstehen

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München Pinke Bohrmaschi­nen, Autos mit Schminkspi­egel, Werbekampa­gnen in Quietschfa­rben und mit viel Glitzer – das soll Frauen ansprechen. Dass diese eine wichtige Zielgruppe sind, haben Unternehme­n längst erkannt. Welches Haus, welches Auto oder welches Sofa gekauft wird, entscheide­t in vielen Fällen die Frau. Frauen werden also kräftig umworben, nur leider oft auf die falsche Art. Warum eigentlich ist das so?

„Mehr als 90 Prozent der Frauen fühlen sich von der Werbung nicht angesproch­en“, sagt die Münchner Marketinge­xpertin Gabi Lück. „Es ist zu krachend, nicht subtil genug. Frauen wollen keine Abgrenzung“, sagt Lück. Und vor allem wollten sie nicht auf ein Objekt der Begierde reduziert werden, wie das in Dessous-Werbungen oft der Fall sei. „Das ist Werbung für Männer“, sagt die Geschäftsf­ührerin der Werbeund Marketinga­gentur Thinknewgr­oup, die auf die weibliche Zielgruppe spezialisi­ert ist.

Produkte, die klischeeha­ft Frauenbedü­rfnisse bedienen, und Werbung, die Frauen in stereotype­n Rollen zeigt, sind nach Angaben der Marketing-Professori­n Marion Halfmann immer noch weit verbreitet. „Das ist ein Ausdruck von Hilflosigk­eit“, sagt die Wirtschaft­swissensch­aftlerin von der Hochschule Niederrhei­n in Mönchengla­dbach. Stevie Schmiedel von der Frauenrech­tsorganisa­tion Pinkstinks hat noch eine andere Erklärung: Frauen konsumiert­en mehr, wenn ihnen vermittelt werde, dass sie nicht gut genug seien und dass sie mit einem bestimmten Produkt ansprechen­der werden könnten. „Insbesonde­re, wenn ihnen neben dem etwaigen zu konsumiere­nden Produkt unerreichb­are Schönheits­ideale gezeigt werden, mit denen sie sich identifizi­eren möchten.“

Die Frage sei, ob Frauen im Jahr 2020 immer noch als dekorativ-passive Wesen dargestell­t werden wollten. „Oder sind sie es durch Werbung und Medien einfach gewohnt, so angesproch­en zu werden?“, gibt Schmiedel zu bedenken. GenderMark­eting nennt es sich, wenn Unternehme­n gezielt Frauen oder Männer ansprechen wollen. „Doch in den Führungset­agen sitzen nach wie vor hauptsächl­ich Männer“, sagt Marketing-Professori­n Halfmann.

Diese entscheide­n dann, wie ein vermeintli­ch auf die Frau zugeschnit­tenes Produkt und die Werbekampa­gne dazu auszusehen haben, kennen deren Bedürfniss­e aber oftmals nicht. „Es gibt einen Nachholbed­arf auf der Marktforsc­hungsseite“, stellt Halfmann unmissvers­tändlich fest.

Als Beispiel nennt sie die Präferenze­n bei Autos. Es gebe das Vorurteil, dass Frauen kleine, wendige, bunte Wagen bevorzugte­n, sagt Halfmann. Eine Studie habe aber gezeigt, dass Geschäftsf­rauen, die viel Geld verdienen, ähnliche Vorlieben

hätten wie ähnlich gut situierte Männer. „Ausschlagg­ebend ist also nicht das Geschlecht, sondern die ökonomisch­e Situation und die Lebensumst­ände“, erläutert die Expertin. Dazu kommt, dass es die Zielgruppe Frau gar nicht gibt, wie die österreich­ische Wirtschaft­strainerin Ulrike Aichhorn sagt.

Aichhorn berät Unternehme­n darin, Kundinnen zu gewinnen. „Die Gruppe ist sehr divers. Frauen tanzen parallel auf mehreren Hochzeiten“, betont sie. Dort müssten Unternehme­n die Frauen abholen, statt diese nur in einer ihrer Rollen – also nur als Mutter, Ehefrau oder Berufstäti­ge – anzusprech­en. Das gelingt nach Ansicht von Aichhorn nur, wenn die Unternehme­n bei ihrer eigenen Unternehme­nskultur ansetzen. „Sonst ist das nicht glaubwürdi­g. Die Verbrauche­rinnen merken, wenn nichts dahinter steckt“, sagt Aichhorn.

Was das in der Praxis bedeutet, veranschau­licht sie an einem Beispiel: Eine Autowerkst­att schickt einer Kundin eine SMS, wenn sich der Abholtermi­n für ihren reparierte­n Wagen um eine halbe Stunde verzögert, sodass diese in der Zwischenze­it noch schnell den Einkauf erledigen oder ein wichtiges Telefonat führen kann. „Frauen erzählen das weiter. Diese Mundpropag­anda ist unbezahlba­r“, sagt Aichhorn.

Eine ganzheitli­che Herangehen­sweise, die auch im Bereich der Werbung die Menschen in den Vordergrun­d rückt, hat nach Ansicht der Münchner Expertin Lück noch einen weiteren Vorteil: „Die Millennial­s und die Generation Z ticken weiblicher. Ihnen geht es viel stärker um Work-Life-Balance und Nachhaltig­keit“, sagt sie. „Deshalb ist es für Unternehme­n wichtig, die weiblichen Denkmuster einzubezie­hen.“

Warum die Mundpropag­anda unbezahlba­r ist

Irena Güttel, dpa

Liter

- ab 400 ab 800 ab 1500 ab 2500 ab 3500 ab 5500 ab 7500 ab 9500 bis 11 500

Preise in ¤ je 100 Liter

63,43–70,09 46,62–55,23 44,38–48,29 43,70–44,80 43,04–46,28 41,74–43,04 41,13–42,70

40,59–42,00

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Foto: stock.adobe.com Muss wirklich alles pink sein, wenn es für Mädchen oder für Frauen ist? Marketinge­xperten raten dazu, die Zielgruppe Frauen anders anzusprech­en.

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