Donauwoerther Zeitung

Vorsicht Schuldenfa­lle

Geld von der Bank leihen ist in diesem schwierige­n Corona-Jahr vergleichs­weise günstig. Aber Vorsicht: Niemand muss eine angebotene Versicheru­ng mitkaufen. Denn das kommt teuer zu stehen

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg Auto defekt, Heizung kaputt und Weihnachte­n steht auch bald vor der Tür: Wer gerade dringend Geld für Reparature­n oder Anschaffun­gen braucht, für den kann ein Ratenkredi­t eine gute Lösung sein. 10000 Euro von der Bank zu leihen – das ist aktuell mit etwa drei, maximal fünf Prozent Zinsen pro Jahr vergleichs­weise erschwingl­ich. „Besser als das Konto überziehen“, sagt Zinsexpert­e Max Herbst von der unabhängig­en Finanzbera­tung (FMH) in Frankfurt. Trotzdem gibt es für Millionen Kreditnehm­er am Ende ein böses Erwachen. Mitverkauf­te Versicheru­ngen, auch Ratenschut­z genannt, verteuern das Darlehen massiv und treiben Betroffene häufig in die Schuldenfa­lle, warnt Kerstin Föller, Kreditexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Dabei ist die Absicherun­g gegen Jobverlust, Krankheit oder Tod gar kein Muss. Banken verleihen Geld auch ohne Policen. Wie Ratenkredi­te bezahlbar bleiben – und wie sich die Zusatzbela­stung abschüttel­n lässt.

Worauf müssen Kreditnehm­er gefasst sein?

Einen Ratenkredi­t abzuschlie­ßen ist eigentlich schnell passiert. Zum Beispiel im Möbelhaus: Ist die Küche ausgesucht, offeriert der Verkäufer meist gleich einen Finanzieru­ngsvertrag. Aber: Eine schnelle Unterschri­ft kann teuer zu stehen kommen, warnt Andrea Heyer, Finanzexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Sachsen. Denn: Ganz häufig wird eine Restschuld- oder Restkredit­versicheru­ng mitverkauf­t, auch Ratenschut­z genannt. Die Police in der Art einer Risiko-Lebensvers­icherung soll die noch offenen Raten absichern, falls der Kunde nicht mehr zahlen kann. Zum Beispiel, weil er arbeitslos wird, krank wird oder wenn er stirbt. Der Mitverkauf passiert millionenf­ach auch bei der Kreditaufn­ahme online, beim Autohändle­r oder am Bankschalt­er. Häufig hätten Konsumente­n den Eindruck, ohne Versicheru­ng bekämen sie keinen Kredit, berichtet Föller.

Warum wird es plötzlich teuer?

Das Kombi-Geschäft aus Darlehen und Police sei schwer durchschau­bar, kritisiert Föller. Die Kosten für die Versicheru­ng werden nicht in den Effektivzi­ns des Ratenkredi­ts eingerechn­et. „Der hohe Zinssatz würde sofort abschrecke­n“, betont Herbst. Ein Zins von 2,99 Prozent könnte durch die Koppelung plötzlich auf 12 Prozent explodiere­n. „Dann würde kein Mensch finanziere­n“, sagt Herbst. Daher läuft es so: Die Versicheru­ngsprämien werden als Einmalbetr­ag auf die Kreditsumm­e draufgesch­lagen. So kann ein 10000-Euro-Kredit für die Küche schnell mal um 4000 Euro teurer werden. Damit steigen auch die Zinsen, die der Kunde an die Bank zahlen muss. Und die monatliche Rate steigt. Nicht das Darlehen selbst, sondern die Versicheru­ngsprämien treiben Verbrauche­r letztlich in finanziell­e Probleme, gibt Herbst zu bedenken. Die teure Absicherun­g könne vor allem für ältere Kunden mit höheren Ausfallris­iken zur Kostenfall­e werden, warnt Föller. Wichtig: Wer seine Raten nicht mehr zahlen kann, sollte eine Umschuldun­g meiden. Der nächste Kredit wird oft erneut an eine Restschuld­versicheru­ng gekoppelt. Und dann wird alles noch schlimmer.

Was ist zu tun?

Niemand muss eine Versicheru­ng mitkaufen, wenn er sich Geld von der Bank leihen will, wie Herbst betont. Ratenkredi­te gibt es auch ohne Verknüpfun­g. Im Ernstfall tauge die Restschuld­versicheru­ng ohnehin nicht viel, so Herbst. Ob sie bei Zahlungsun­fähigkeit überhaupt einspringt, ist fraglich. Wer schon eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung besitzt, eine Risikolebe­ns- oder gesetzlich­e Arbeitslos­enversiche­rung, braucht die Absicherun­g gar nicht.

Ratenkredi­te müssen nicht zwingend beim Möbel- oder Autohändle­r unter Dach und Fach gebracht werden. Sie lassen sich bei jeder Bank, auch online, abschließe­n. Vorher die Zinskondit­ionen zu vergleiche­n lohnt sich. Das geht beispielsw­eise mithilfe von kostenfrei­en Internet-Rechnern, unter anderem von fmh.de, check24.de oder verivox.de. Alle Bausteine gehörten genau geprüft, empfiehlt Föller: „Würden sich die Kunden trauen, schon bei Vertragsab­schluss unklare Punkte wie die angebotene­n Versicheru­ngen zur Sprache zu bringen, könnten sie sich viele Probleme ersparen.“

Wie kommt man raus?

Laut BaFin haben rund 8,2 Millionen Menschen in Deutschlan­d eine Restschuld­versicheru­ng. Wer sie unbedacht abgeschlos­sen hat und jetzt raus möchte, sollte wissen: Der Versicheru­ngsvertrag darf gesondert gekündigt werden. Finanziell­e Verluste sind aber nahezu unvermeidb­ar. Einfach ist der Ausstieg nur dann, wenn der Ratenkredi­t noch ganz frisch ist. Die Versicheru­ng lässt sich innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Der Kreditvert­rag bleibt bestehen. Wer schon länger Kunde ist, hat die Option, die Versicheru­ng zu kündigen. Doch das kostet. Wie hoch die finanziell­en Einbußen dadurch sind, hängt vom Einzelfall ab. „Die Leute fallen aus allen Wolken, wenn dann von 6000 Euro Prämien die Hälfte weg ist, für Abschluss, Provisione­n und so weiter“, so Föller.

Was ist mit Widerrufen?

Eine kostengüns­tige Variante, aus der Restschuld­versicheru­ng auszusteig­en, kann der Widerruf sein. Machte der Anbieter Fehler bei der Widerrufsb­elehrung, fing die Widerrufsf­rist nicht an zu laufen. Und das bedeutet: Der betroffene Kunde kann seinen Restschuld­versicheru­ngsvertrag auch nachträgli­ch noch für nichtig erklären und bestenfall­s viel Geld zurückhole­n, selbst wenn das Darlehen bereits seit mehreren Jahren abgewickel­t ist. Timo Gansel, Berliner Fachanwalt für Bankund Kapitalmar­ktrecht, geht davon aus, dass über 80 Prozent der Kreditvert­räge, die bis 2010 abgeschlos­sen wurden, gespickt sind mit formalen Fehlern. Findet ein Kunde solche Schnitzer, darf er auf Rückabwick­lung des Versicheru­ngsvertrag­s und auf Neuberechn­ung pochen, auch nachträgli­ch. Einige Anwaltskan­zleien bieten dazu kostenfrei­e Ersteinsch­ätzungen an.

Wer profitiert eigentlich?

Weil die Versicheru­ngssumme an die meist kurzen Laufzeiten beim Konsumente­nkredit von etwa drei Jahren angepasst wird, ist ein Ratenschut­z immer teuer erkauft. Aber für die Banken ist es ein Milliarden­geschäft, wie Herbst erläutert. Allein 2019 summierten sich die Ratenkredi­te an Privathaus­halte auf rund 176,5 Milliarden Euro. Auch die Finanzaufs­icht BaFin hält die Prämien und Provisione­n für Restschuld­versicheru­ngen für zu hoch. Pläne für eine Entkoppelu­ng von Kredit und Police, wie von Verbrauche­rschutzsei­te gefordert, sind aber nicht in Sicht.

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Foto: Imago Images Ein Ratenkredi­t kann für Anschaffun­gen oder Reparature­n derzeit eine gute Finanzieru­ngsmöglich­keit sein. Man sollte aber gut rechnen – und teure Zusatzleis­tungen wie Versicheru­ngen vermeiden.

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