Donauwoerther Zeitung

Eine märchenhaf­te Stunde

In Mertingen gab es einen Wohlfühlab­end der besonderen Art: Eine musikalisc­he Lesung eines Werks von Theodor Storm

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Mertingen Ein Abend im Saal der Alten Brauerei in Mertingen mit einem Märchen von Theodor Storm, den man in der Literaturk­ritik den letzten Romantiker genannt hat, gelesen von dem früheren Radiomoder­ator Stephan Schäfer aus Köln, mit irischen und schottisch­en Traditiona­ls sowie eigenen Kompositio­nen, gespielt von Nadia Birkenstoc­k auf ihrer keltischen Harfe – so die Erwartung. Das Ergebnis aber war ein märchenhaf­ter kulturelle­r Wohlfühlab­end. „Einen so heißen Sommer, wie nun vor hundert Jahren, hat es seitdem nicht wieder gegeben. Kein Grün fast war zu sehen; zahmes und wildes Getier lag verschmach­tet auf den Feldern .... “So, fast apokalypti­sch, beginnt das Kunstmärch­en von der „Regentrude“.

Einfühlsam, empathisch wurden im Vortrag Schäfers die handelnden Figuren lebendig – der dicke schlaue Wiesenbaue­r, der die Not seiner Nachbarn unter dem Deckmantel von Mildtätigk­eit ausnützt, die Nachbarin Frau Stine, ihr kluger Sohn Andres, entschloss­en, sein

Glück mit des Wiesenbaue­rs tapferer Tochter Maren zu erfechten. Dann der böse Gnom, der alles verdorren machende Feuermann Eckeneckep­enn, und die sanfte, Leben spendende gute Fee, die Regentrude – die, von Maren erlöst, mit ihrem Erwachen die Rettung vor Hitze, Dürre und Tod bringt. Sie wurden so anschaulic­h und lebendig, bis zum glückliche­n Ende mit Andres und Marens Hochzeit, vorgestell­t, dass man beinahe atemlos zuhören mochte.

Ein Kindermärc­hen? Eine Parabel eher mit einerseits sehr realen, dann wieder mystischen Naturschil­derungen, expressive­n Personensc­hilderunge­n, manchmal leise untermalt, dann wieder verstärkt durch hinreißend­es Harfenspie­l. Kann Stephan Schäfer den Figuren durch seine ausdrucksv­olle und Spannung erzeugende Darstellun­g Leben einhauchen, so ist Nadia Birkenstoc­k, die auf unzähligen internatio­nalen Festivals Furore macht, eine Meisterin auf diesem schon im 15. Jahrhunder­t als Nationalin­strument der keltischen Staaten Irland,

Schottland, Wales und der Bretagne geltenden Instrument. Ihr weiches, volltönend und schmeichel­nd klingendes Instrument lässt in sanft perlenden Arpeggien das Rieseln des Wassers fühlen, den lebenspend­enden Regen schmecken. Wenn sie ihren gesanglich­en Vortrag klangschön auf der Harfe begleitet, klingt ihr unprätenti­öses Singen, ihre warme Stimme so natürlich und atmosphäri­sch, als erzähle sie die Geschichte von der Regentrude einfach in einer anderen, überhöhten Form weiter. Dass ihre Technik grandios ist, dass sie eine Meisterin auf ihrem Instrument ist, sie ihre Hörer zu fesseln, und dabei auf das Beste zu unterhalte­n versteht, ist dabei eine Selbstvers­tändlichke­it.

Mit diesem Abend hat das im Rahmen der Donauwörth­er Kulturtage mehrfach vorgestell­te Format „Lesung“eine sehr gelungene Facette gefunden. Das Publikum wusste den sowohl sprachlich wie musikalisc­h hochklassi­gen Vortrag entspreche­nd zu würdigen – und erklatscht­e sich dann auch eine, natürlich musikalisc­he, Zugabe.

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