Ein Dorf ohne Kirchturm
Vor genau 150 Jahren stürzte in Bayerdilling das dörfliche Wahrzeichen ein. Vier Jahre lang hatte das Gotteshaus keinen Turm und wurde zum Gespött in der Umgebung
RainBayerdilling In vielen Dörfern ist die Kirche eines der wenigen erhaltenen Baudenkmäler und der Kirchturm ein markantes Wahrzeichen. Da schmerzt es, wenn das unverwechselbare Kennzeichen fehlt, noch dazu an so exponierter Stelle wie es am Kirchberg in Bayerdilling der Fall ist. Nahezu vier Jahre lang war der Ort „ein Dorf ohne Kirchturm“.
Vor 150 Jahren, exakt in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 1870, stürzte der obere Teil des baufälligen Kirchturmes von St. Michael ein. Menschen wurden nicht verletzt, wohl aber kam es zu Beschädigungen an Gräbern nördlich der Kirche. Nach dem Unglück folgten zähe Verhandlungen. Mit der Säkularisation des Klosters Niederschönenfeld – es bezog die Abgaben der Bayerdillinger Bauern und sorgte auf der anderen Seite für die Kirche – war 1803 dem Staat die Baupflicht für das Gotteshaus zugefallen.
Während für die drei Glocken ein Notturm errichtet wurde, begannen langwierige Verhandlungen um die Baukosten. Unter anderem waren seit 1862 von einem örtlichen Bauern 1000 Gulden für die Anschaffung einer vierten Glocke zugesagt. Für den stärkeren Glockenstuhl wollte der Staat nun allerdings ganz und gar nicht eintreten. So zog sich die Angelegenheit hin und das „Dorf ohne Kirchturm“wurde allmählich zum Gespött der Umgebung, berichten die Akten.
Nach vier Jahren war das Wahrzeichen – nun im neuromanischen Stil – unter Leitung des Landbauamtes Donauwörth dann endlich wieder hergestellt. Am 19. November 1874 verrechnete die Memminger Glockengießerei Johann Hermann für drei per Bahn versandte neue Glocken und den neuen Glockenstuhl 3415 Gulden.
Darauf wurden 366 Gulden als Wert von zwei abgegebenen Glocken verrechnet. Als vierte im Bunde kam die Marienglocke von 1742 hinauf in den neuen Turm. Statt des dreistimmigen „disharmonischen Geläutes“, so die Überlieferung, taten nun vier harmonisch klingende Glocken ihren Dienst.