Donauwoerther Zeitung

Deutschlan­d fährt wieder runter

Lange sollte ein erneuter Lockdown verhindert werden. Nun steigen Bund und Länder doch auf die Bremse und schränken das öffentlich­e Leben deutlich ein. Mit viel Geld sollen die Folgen für die Wirtschaft abgemilder­t werden

- VON STEFAN LANGE

Berlin Kontaktbes­chränkunge­n, Geisterspi­ele, geschlosse­ne Restaurant­s: Bund und Länder haben am Mittwoch neue Corona-Regeln beschlosse­n, die sich nur in einigen Punkten von dem harten Lockdown im Frühjahr unterschei­den. Im Gegensatz zu den früheren Maßnahmen sollen beispielsw­eise Schulen und Kitas möglichst geöffnet bleiben. Im Sport und in der Gastronomi­e jedoch gelten erneut harte Regeln. So müssen also Gaststätte­n schließen und Sportveran­staltungen ohne Zuschauer auskommen. Der Kontakt zu anderen Menschen wird massiv eingeschrä­nkt.

Die zusätzlich­en Maßnahmen treten bundesweit am Montag in Kraft und gelten bis Ende November, wie Kanzlerin Angela Merkel zum Abschluss der Beratungen erklärte. Nach zwei Wochen werden die Einschränk­ungen überprüft und notfalls verschärft.

Merkel begründete die teils heftigen Einschnitt­e mit den stark gestiegene­n Infektions­zahlen. Wenn es so weitergehe, komme „das Gesundheit­ssystem an die Grenzen seiner Leistungsf­ähigkeit“, sagte sie. Eine „nationale Gesundheit­snotlage“müsse vermieden werden. „Das heißt, die Kurve muss wieder abflachen“, mahnte die CDU-Politikeri­n. Deshalb brauche man nun „eine nationale Kraftanstr­engung“. Sie räumte ein, dass es sich um „harte und belastende Maßnahmen“handele.

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder sprach von einem „schwierige­n Tag, an den wir uns alle noch lange erinnern werden“. Zu den harten Einschnitt­en gebe es keine Alternativ­e, sagte der CSU-Chef. „Je länger wir warten, desto schwierige­r wird es“, betonte er und erklärte: „Das bisher Getane reicht nicht. Wir müssen mehr tun.“Das gelte vor allem für die Reduzierun­g der Kontakte. Man habe jetzt die Chance, „gut über den Winter zu kommen“, so Söder.

In Bayern will das Kabinett an diesem Donnerstag über die Umsetzung

der Maßnahmen sprechen. Erst danach soll sich auch in Augsburg entscheide­n, ob möglicherw­eise noch zusätzlich­e Maßnahmen ergriffen werden. Der Sieben-Tage-Inzidenzwe­rt

in der Stadt lag am Mittwoch bei 224 – und damit weit über der Warnstufe „dunkelrot“auf der bayerische­n Corona-Ampel.

Das Robert-Koch-Institut vermeldete am Mittwoch den Rekordwert von fast 15 000 Neuansteck­ungen. Die Verdoppelu­ngsrate stieg rasant und liegt deutlich höher als im Frühjahr. Gleichzeit­ig wird die

Kontaktnac­hverfolgun­g immer schwierige­r, wie Merkel betonte. Die Bürger sollen sich deshalb draußen nur noch mit einem weiteren Hausstand und höchstens zehn Personen treffen dürfen. Feiern in Wohnungen sind demnach „inakzeptab­el“.

Vor dem Brandenbur­ger Tor demonstrie­rten tausende Menschen aus der Veranstalt­ungsbranch­e, die um ihre wirtschaft­liche Existenz fürchten. Ihnen, der Kulturbran­che sowie weiteren betroffene­n Wirtschaft­szweigen stellten Bund und Länder neue Finanzhilf­en in Aussicht. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) versprach, vom Lockdown betroffene­n Firmen mit bis zu 50 Mitarbeite­rn 75 Prozent ihres Umsatzes zu ersetzen. Die Unternehme­n, die weiterarbe­iten dürfen, müssen Hygienekon­zepte

Die Gastronomi­e soll schließen

Protest vor dem Brandenbur­ger Tor

umsetzen und ihren Mitarbeite­rn, „wo immer dies umsetzbar ist“, Heimarbeit ermögliche­n.

Opposition­sparteien im Bundestag hatten zuvor auf die Verhältnis­mäßigkeit der Maßnahmen gedrungen. Es sei doch fragwürdig, warum man ausgerechn­et die Gastronomi­e schließen wolle, in der sich das Virus nur im geringen Ausmaß verbreite, sagte etwa FDPChef Christian Lindner. Der CDUAbgeord­nete Felix Schreiner sprach sich gegen Restaurant­schließung­en aus: „Gerade diese Branche hat in den vergangene­n Monaten besonders gelitten, sich aber auch einer immensen Aufholjagd mit klugen und sicheren Konzepten gestellt.“Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch warf Bund und Ländern vor, die Menschen „geradezu in den privaten Raum zu treiben“, wo die meisten Infektione­n stattfände­n. Die Grünen forderten die Einbeziehu­ng des Parlaments. Die Einschränk­ung von Freiheitsr­echten brauche den öffentlich­en Diskurs und die parlamenta­rische Verankerun­g, sagte die Abgeordnet­e Britta Haßelmann.

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mentar, einen Überblick über die neuen Regeln sowie eine Chronologi­e der Ereignisse auf Politik.

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Foto: Guido Bergmann, dpa Krisenmana­gement per Videoschal­te: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der Regierende Bürgermeis­ter von Berlin, Mi‰ chael Müller (SPD), beraten sich mit den Ministerpr­äsidenten.

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