Päpstlicher als der Papst
Zu „Unter Sündern“(Die Dritte Seite) vom 27. Oktober:
Papst Franziskus, der 2013 sein Amt mit dem festen Willen antrat, im Vatikan auszumisten, musste mittlerweile die Grenzen des Machbaren erkennen. Die Hoffnungen vieler gläubiger Katholiken, Franziskus könne die Kirche nach Jahrhunderten lähmenden Stillstandes entstauben und im neuen Geist mit Bescheidenheit, Einfachheit und christlicher Nächstenliebe erfüllen, scheinen sich leider immer mehr zu verflüchtigen. Denn trotz Abberufung des Präfekten der Glaubenskongregation, Ludwig Müller, sind in der Kurie noch immer zu viele rückwärtsgewandte „Müllers“zugange. Es sind Kurienkardinäle, die im Sinne Müllers als ewig Gestrige und als Verfechter der „reinen Lehre“noch päpstlicher als der Papst sein wollen und unablässig Sand in das Getriebe von Franziskus’ Kirchenerneuerung streuen. Weil sie ihre großzügigen Privilegien und Pfründe nicht verlieren wollen, trachten sie natürlich danach, dass alles so bleibt, wie es seit jeher war.
Eine Kirche für die Armen lehnen sie ab und leben stattdessen barockhaften Prunk und Pomp, und die Berichte über Eigennutz bis hin zur Korruption in ihren Kreisen nehmen kein Ende.
In der Erkenntnis, dass Franziskus leider von zu vielen ausbremsenden Traditionalisten umgeben ist, bleibt daher nur zu hoffen, dass ihm noch genügend Kraft und Rüstigkeit gegönnt seien, um noch möglichst viele seiner Reformvorhaben umzusetzen oder sie zumindest vorzubereiten.
Herbert Biedermann, Kirchdorf