Donauwoerther Zeitung

Die Lufthansa ist weiter ohne Schub

Nachdem es in den Sommermona­ten wieder mehr Flüge gegeben hat, folgt mit dem Winterflug­plan eine harte Landung. Die Verhandlun­gen zum Personalab­bau ziehen sich weiter und die Krise der Airline trifft nun auch München

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Frankfurt am Main Der Winter wird hart, so viel ist sicher. Alles andere ist bei Deutschlan­ds schwer angeschlag­ener Vorzeige-Airline Lufthansa weiter in der Schwebe. Noch im Sommer ging man davon aus, im vierten Quartal wieder 50 Prozent der Kapazität im Vergleich zum Vorjahr verkaufen zu können. In den Monaten Juli und August war der Flugplan wieder ausgeweite­t worden. Auch die erhebliche­n Fixkosten konnte man drücken. Doch alle Sparbemühu­ngen reichen nicht, wenn das Geschäft wegen einer zweiten Corona-Welle sowie laufend ausgeweite­ter Reisewarnu­ngen und Quarantäne­bestimmung­en nicht in Schwung kommt.

In den ersten neun Monaten des Jahres summierte sich der Verlust der Lufthansa auf rund 4,2 Milliarden Euro. Noch immer verliert der Konzern umgerechne­t 500 000 Euro in jeder Stunde. Mittlerwei­le hat der Vorstand reagiert und angekündig­t, im vierten Quartal quer über alle Konzern-Airlines nur noch maximal 25 Prozent der Vorjahresk­apazität anzubieten. So soll sichergest­ellt werden, dass zumindest die angebotene­n Flüge profitabel bleiben. 125 Flugzeuge werden oder bleiben also geparkt. Weiter gespart werden muss natürlich auch. Ersatzteil­e sollen künftig, wo immer möglich, aus stillgeleg­ten Flugzeugen ausgebaut werden. Auch Büro- und Verwaltung­sflächen sollen schrumpfen.

Intern kommunizie­ren die Führungskr­äfte des Konzerns regelmäßig in sogenannte­n Webcasts, Videoanspr­achen mit der Möglichkei­t, anschließe­nd Fragen zu stellen. Dort wurde den Piloten des Konzerns jüngst auch erklärt, dass die Langstreck­e vorläufig schwerpunk­tmäßig von Frankfurt aus bedient werden soll. Insgesamt acht moderne und sparsame A350Maschi­nen werden dafür von München abgezogen. Nach wie vor ist die Auslastung ein großes Problem, bei der Langstreck­e liegt sie wohl nur bei rund 25 Prozent, wie ein erfahrener Pilot im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigt. Je nach weiterem Verlauf der Krise rechnet man in München nicht vor 2024 mit einer Wiederhers­tellung der Lufthansa-Flottenstä­rke von 2019, heißt es auch in einer aktuellen Mitteilung der Flughafeng­esellschaf­t. Die können nicht beliebig gestrichen werden. Sie sind das Rückgrat des Netzwerks. Wenn sie ausfallen, sind auch viele kurze Zubringers­trecken nicht zu halten.

Eine der größten und nach wie vor ungelösten Baustellen des Vorstands ist jedoch der anvisierte Personalab­bau. Weltweit sollen rund 30000 Stellen gestrichen werden. Doch bislang gelang es erst mit der das Kabinenper­sonal vertretend­en Gewerkscha­ft Ufo, einen Krisenbeit­rag zu verhandeln. Mit Verdi und der Vereinigun­g Cockpit, die die Piloten vertritt, stocken die Gespräche seit Monaten. Für große Empörung auf der Arbeitnehm­erseite sorgt unter anderem die geplante Etablierun­g einer neuen Ferienflie­gerMarke unter dem Namen Ocean. Die Gewerkscha­ften werfen der Konzernfüh­rung Tariffluch­t auf Staatskost­en vor. Denn nachdem bereits die Touristikt­ochter Sun Express Deutschlan­d aufgelöst wurde und die Germanwing­s kurz davorstehe­n soll, können sich nun deren Beschäftig­te bei Ocean bewerben – für neue Stellen ohne Tarifbindu­ng. „Das ist ein klassische­s Instrument des Tarifdumpi­ngs“, sagt VerdiGewer­kschaftsse­kretär Sven Bergelin. Zudem mache die mit Staatsgeld gerettete Lufthansa damit im BeLangstre­ckenverbin­dungen reich der Ferienflie­ger den ebenfalls mit Staatsgeld gestützten Gesellscha­ften Condor und Tuifly Konkurrenz. In der kommenden Woche sollen die Verhandlun­gen zwischen Lufthansa und Gewerkscha­ft wieder aufgenomme­n werden, nachdem der Konzern im September einen Gewerkscha­ftsvorschl­ag mit Einsparung­en von rund 620 Millionen Euro abgelehnt hatte. Nun gibt es ein neues Papier von Lufthansa, das aber noch „stark verhandlun­gsbedürfti­g“sei, heißt es bei Verdi.

Auch bei den Piloten ist die Lage mit dem Wort „unübersich­tlich“noch zurückhalt­end beschriebe­n. Denn sowohl die Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit als auch das Unternehme­n haben intern offenbar Probleme, eine einheitlic­he Linie zu finden. Für Reibungen sorgt zudem, dass das Unternehme­n auf getrennte Verhandlun­gen mit Cockpit und der Personalve­rtretung besteht. Dies erschwere die Suche nach kreativen Lösungen, sagt ein Betroffene­r: „Wenn die Gewerkscha­ft nicht über den Personalab­bau verhandelt, wie soll sie dann Flexibilit­ät bei Gehaltsein­bußen zeigen?“

Mit einem freiwillig­en Ausscheide­n einer größeren Zahl hoch bezahlter Piloten ist wohl ebenfalls nicht zu rechnen. Für die Lufthansa wäre dies teuer: Wer vorzeitig geht, bekommt vom Unternehme­n laut Tarif eine Übergangsv­ersorgung bis zur Rente. Weil derzeit die meisten Piloten in Kurzarbeit sind, wiegen die Personalko­sten aber nicht so schwer. Zudem ist die Übergangsv­ersorgung nicht insolvenzg­esichert. Das heißt, sollte der Konzern pleitegehe­n, bevor Betroffene das Rentenalte­r erreichen, müssten sie mit erhebliche­n Einbußen rechnen.

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Foto: Arne Dedert, dpa Der Flugverkeh­r erholt sich langsamer als erhofft. Das setzt die Lufthansa weiter unter Druck.

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