Donauwoerther Zeitung

Neue Maut‰Schlappe für Scheuer

Das höchste EU-Gericht hat entschiede­n: Die Lkw-Abgabe war zu hoch, weil auch die Kosten für die Verkehrspo­lizei eingerechn­et waren. Jetzt drohen dem Verkehrsmi­nister Rückforder­ungen von Spediteure­n in Milliarden­höhe

- VON DETLEF DREWES

Luxemburg/Brüssel Bis zu 7,5 Milliarden Euro spült die Lkw-Maut Jahr für Jahr in den Bundeshaus­halt, rund 50 Millionen auch an die deutschen Kommunen. Bis jetzt. Denn der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg hat in einem Urteil am Mittwoch die Berechnung als überhöht zurückgewi­esen. Mehr noch: Eine Erstattung zu viel gezahlter Abgaben an die betroffene­n Spediteure lässt sich aus dem Richterspr­uch ableiten – womöglich bis ins Jahr 2005 zurück. Es ist eine weitere Schlappe für Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU).

Auslöser des Verfahrens war ein polnisches Unternehme­n, das zwischen Januar 2010 und Juli 2011 für seine Lastwagen insgesamt 12 420,53 Euro hatte berappen müssen. Dann rechnete man nach und stellte fest: Die Bundesrepu­blik hatte in die Berechnung der Mauthöhe neben den reinen Betriebsko­sten auch die Tätigkeit der Verkehrspo­lizei und teilweise auch den Erwerb von Grundstück­en eingerechn­et. Die Arbeit der Beamten auf den Autobahnen machte damals zwischen 3,8 und sechs Prozent der Kosten aus. Der EuGH sah darin am Mittwoch einen klaren Verstoß gegen europäisch­es Recht.

Denn die offiziell als „Infrastruk­turabgabe“bezeichnet­e Lkw-Maut dürfe lediglich die Kosten für Bau, Betrieb, Instandhal­tung und Ausbau der Straßen beinhalten. „Polizeilic­he Tätigkeite­n fallen aber in die

Verantwort­ung des Staates, der dabei hoheitlich­e Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninf­rastruktur handelt“, heißt es in einer Zusammenfa­ssung des Urteils. Die Ausgaben für die Verkehrspo­lizei dürften daher „nicht als Kosten für den Betrieb im

Sinne der EU-Richtlinie angesehen werden“. Nach Auffassung der Richter verletze bereits eine geringfügi­ge Überschrei­tung der Infrastruk­turkosten bei den Mautgebühr­en das EU-Recht.

Darüber hinaus lehnte es der EuGH ab, die Auswirkung­en des Urteils zeitlich zu begrenzen. Dies eröffnet nach Auffassung von Experten weiteren Spediteure­n die Möglichkei­t, auf Erstattung zu viel gezahlter Maut seit dem Start des Systems 2005 zu pochen, also auch zu klagen. Um welche Summen es dabei geht, war am Mittwoch noch nicht wirklich abzusehen. Schätzunge­n zufolge sind Forderunge­n in Höhe von etlichen Milliarden möglich, die nun auf das verantwort­liche Bundesverk­ehrsminist­erium zukommen könnten. Waren es anfangs rund 200 Millionen Euro, die für die Polizeistr­eifen auf den Autobahnen veranschla­gt wurden, kletterte der Betrag stetig weiter. Für 2022 ist eine Milliarde Euro einkalkuli­ert.

Der Bundesverk­ehrsminist­er muss damit zum zweiten Mal eine schwere Schlappe für die deutschen Mautpläne einstecken. 2019 hatte der Luxemburge­r Gerichtsho­f Scheuers Pläne für eine Pkw-Abgabe zurückgewi­esen – mit der Folge, dass die Zukunft der Abgabe bis heute offen ist.

Das gestrige Urteil trifft den CSU-Minister aus Passau zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt. Als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft muss Scheuer nämlich in den kommenden Wochen eine Reform der Eurovignet­tenRichtli­nie anstoßen, die sozusagen die Grundlage für die Berechnung der Mauthöhe in allen Mitgliedst­aaten ist.

Die Neufassung soll vor allem dafür sorgen, dass künftig Lastwagen, die mit Wasserstof­f, Gas oder synthetisc­hen Kraftstoff­en fahren, von einer Straßenben­utzungsgeb­ühr ausgenomme­n werden. Um die dadurch erwarteten Mindereinn­ahmen aufzufange­n, plant Scheuer eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gesamtgewi­cht. Bisher gilt sie erst ab 7,5 Tonnen. Das Vorhaben ist umstritten.

In Deutschlan­d etwa drängen einige Bundesländ­er wie beispielsw­eise Bayern auf „dauerhafte Ausnahmen“für Handwerker. Diese könnten dazu führen, dass der Bundesverk­ehrsminist­er die erwarteten Mindereinn­ahmen nicht auffangen kann – angesichts der drohenden Rückforder­ungen.

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Foto: Marc Tirl, dpa Durchgerau­scht ist das deutsche Bundesverk­ehrsminist­erium beim obersten EU‰Ge‰ richt: Die Lkw‰Maut wurde zu hoch berechnet.

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