„Das Wichtigste in einer Krise ist Cash, sonst gar nichts“
Olaf Berlien ist Chef des Münchner Unternehmens Osram, das vom österreichischen AMS-Konzern übernommen wurde. Der Manager erklärt, wie die Firma mit den Folgen der Corona-Pandemie umgeht und warum er für Osram zuversichtlich ist
Herr Berlien, wie hart hat die CoronaKrise Osram getroffen?
Olaf Berlien: Wir haben sehr früh angefangen, uns auf die CoronaPandemie einzustellen. Wir haben schon im Januar 100000 Masken und im Februar Corona-Tests bestellt. Wir messen auch regelmäßig Fieber.
Was hat all das gebracht?
Berlien: Wir verzeichnen weltweit bis heute bei 22000 Mitarbeitern nur 74 Corona-Fälle – und das an rund 120 Standorten weltweit. Da sind Länder wie Brasilien mit hohen Fallzahlen und eine Fabrik in Mexiko dabei. Das ist der Erfolg eines extrem strengen Hygiene-Konzepts.
Wie stark ist das Osram-Geschäft dennoch durch Corona eingebrochen?
Berlien: Wir müssen Umsatzrückgänge von rund 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften, wir erwarten aber trotzdem eine operative Rendite von acht Prozent, während es im letzten Geschäftsjahr, in dem Corona noch kein Thema war, 8,9 Prozent waren.
Nach Steuern schreibt Osram aber nach wie vor dicke rote Zahlen. So gut läuft es also doch nicht.
Berlien: Das ist unabhängig von Corona das Ergebnis des notwendigen Transformationsprozesses mit der Bereinigung bestimmter Bereiche: So lösen wir etwa das Gemeinschaftsunternehmen mit Continental im Automobilbereich wieder auf. Derzeit ist nicht so sehr das Ergebnis nach Steuern, sondern das operative Ergebnis wichtig. Und das ist bei uns deutlich positiv. In der CoronaKrise kommt gerade auch der Liquidität besondere Bedeutung zu. Hier kommen wir aus der Krise mit einem ausgeglichenen Wert heraus.
Cash ist also King, wie auch Post-Chef Frank Appel beschwört.
Berlien:
Zur Verdeutlichung: Wenn man Essen einkaufen will und hat einen hohen Buchwert, hilft einem das wenig, wenn man nicht flüssig ist. Das Wichtigste in einer Krise ist Cash – und sonst gar nichts. Das Ergebnis vor oder nach Steuern spielt in einer Krise eine untergeordnete Rolle. Ohne Cash wird man zu sehr von Banken abhängig und braucht staatliche Gelder. Wir haben bisher keine Kredite der staatlichen Förderbank KfW in Anspruch genommen.
Sie wirken sogar zuversichtlich, dass die Konjunktur wieder deutlicher anspringen könnte.
Berlien: Ich persönlich bin zuversichtlich, weil immer mehr Ampeln bei uns, die für die Entwicklung von Geschäftsfeldern stehen, nun von Rot auf Gelb springen. Es geht also derzeit aufwärts. Als Autozulieferer spüren wir früh, wenn es konjunkturell bergauf und bergab geht. So habe ich schon 2018 mehrfach vor einer deutlichen Eintrübung des Geschäfts gewarnt, vor anderen.
Wie geht es nun wirtschaftlich weiter?
Berlien: Wenn ich zumindest für unser Geschäft nach vorne schaue, also auf November und Dezember, ja in den Jahresbeginn 2021 hinein, erkenne ich derzeit in der Auftragskurve einen typischen „U“-förmigen Verlauf. Ich bin also heute vorsichtig optimistisch, was das Jahr 2021 betrifft.
Haben wir bei dem „U“die Wanne nach dem Absturz wieder verlassen?
Berlien: Ja, seit Juli sind wir aus dem Badewannenboden raus und bewegen uns nach oben.
Dennoch wächst angesichts der zuletzt deutlich gestiegenen Fallzahlen in Deutschland die Angst, dass es weiter bergab geht. Wie hart trifft der zweite Lockdown Osram?
Berlien: Osram ist ein weltweit aufgestelltes Unternehmen. In China laufen unsere Geschäfte derzeit besser als im Vorjahr. Generell läuft Asien zurzeit exzellent, auch Südkorea und Japan. Selbst in Indien geht es jetzt trotz hoher Corona-Zahlen wieder spürbar aufwärts, besonders im Autobereich. Auch in den USA machen wir gute Geschäfte. Hier zieht das Ersatzteilgeschäft, etwa für Halogenlampen, kräftig an.
Doch mit Lockdowns – auch in der Light-Version – kann sich die Lage für Unternehmen rasch verdüstern.
Berlien: Selbst wenn es weltweit wieder Lockdowns gibt und die Menschen weniger neue Autos kaufen, profitieren wir weiter von der auch dann hohen Nachfrage nach Ersatzteilen. Und uns hilft natürlich, dass das Geschäft mit Smartphones, Tablets und Computern, für die wir Leuchtdioden liefern, während der ganzen Krise stabil geblieben ist. Osram profitiert also vom Trend zur Digitalisierung.
Kann Osram sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen?
Berlien: Das ist mein Ziel. In der Krise reicht es nicht, seine Fixkosten runterzufahren, man muss auch wie Osram zuletzt im Autogeschäft Marktanteile gewinnen und neue Produkte wie unsere UV-C-Lampen zur Corona-Bekämpfung auf den Markt bringen.
Was sind UV-C-Lampen? Können Sie wirklich Corona bekämpfen?
Berlien: Es handelt sich um spezielle Lampen für ultraviolettes Licht. Mit unserer in diesem Jahr international zugelassenen Technik lassen sich Luft und Oberflächen entkeimen. Wir können damit Viren und Bakterien mit einer Zuverlässigkeit von etwa 99,9 Prozent unschädlich machen. In Wuhan und Peking wurden die Systeme schon in Krankenhäusern eingesetzt. Auch an mehr als 10000 chinesischen Kindergärten haben wir unsere Systeme geliefert.
Aber hilft das wirklich?
Berlien: Mit UV-Licht kann man, das haben viele Studien bewiesen, Viren wirksam bekämpfen. In Krankenhäusern werden schon seit Jahren Operationssäle mit UV-Licht desinfiziert. Dazu werden große Lampen eingesetzt. Mit kompakten Leuchtdioden, die wir in diesem Jahr neu entwickeln, können diese Geräte zukünftig viel kleiner gebaut werden. Durch die Bestrahlung mit UV-C-Licht ist die Corona-Zelle nicht mehr in der Lage, sich zu vermehren und zu überleben. Unsere neuen Geräte auf UV-Licht-Basis kann man etwa während Meetings auf den Tisch stellen und ist ein wenig mehr geschützt.
Wann kommen diese Produkte auf den Markt und was sollen sie kosten?
Berlien: Das kleine Gerät soll in vier Wochen auf den Markt kommen, das größere vor Weihnachten. Das größere Gerät soll etwa 300 bis 400 Euro kosten, das kompaktere, was etwa so groß wie eine Flasche ist und Schutz in einem Umkreis von rund einem Meter bietet, soll etwa 150 bis 200 Euro kosten.
Wie zufrieden sind denn Ihre neuen Eigentümer des österreichischen Sensortechnik-Spezialisten AMS mit Osram? Verstehen Sie sich mit AMSChef Alexander Everke einigermaßen? Es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, Osram könnte zerschlagen werden. Berlien: Die Chemie zwischen Alexander Everke und mir ist sehr gut.
Wirklich?
Berlien: Ja, die Chemie ist wirklich gut. Wir befinden uns in engem Kontakt, ja telefonieren täglich. Wir duzen uns und gehen auch mal ein Bier zusammen trinken. Natürlich haben die AMS-Verantwortlichen mit Sorge gesehen, dass sie Osram während der Corona-Krise übernehmen. Umso erleichterter sind sie, dass wir die Krise gut managen, kein Cash verbrennen und auch neue Produkte entwickeln.
Doch noch einmal: Was ist an den Gerüchten dran, AMS könnte etwa die Auto-Sparte von Osram abstoßen?
Berlien: Es sind reine Gerüchte. Und um diese Gerüchte zu entkräften, haben AMS und Osram, also Vorstand und Aufsichtsrat beider Partner, eine Zusammenschluss-Vereinbarung unterzeichnet, die fusionsbedingte Kündigungen ausschließt und vorsieht, dass wir etwa an der Autosparte festhalten. Die Autosparte wird also nicht verkauft.
Und wie sieht es mit dem Standort in Schwabmünchen bei Augsburg aus? Bleibt er erhalten, nachdem Osram Augsburg endgültig dichtmacht?
Berlien: Die letzten Mitarbeiter in Augsburg werden bis Ende Juni 2021 gehen und nach Schwabmünchen wechseln. Dort beschäftigen wir aktuell unverändert rund 300 Mitarbeiter. Schwabmünchen ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Transformation eines Werkes. Dort haben wir früher vorwiegend Glühdrähte hergestellt. Nach dem Glühlampenverbot sind Glühdrähte weniger nachgefragt. Deshalb haben wir in Schwabmünchen eine Fertigung für LED-Teile in einem Reinraum aufgebaut. Auf alle Fälle hat Schwabmünchen jetzt Produkte, die gefragt sind. Derzeit ist die Beschäftigungslage in Schwabmünchen mit 300 Mitarbeitern stabil. Es ist kein Personalabbau geplant.
Wie geht es für Sie im kommenden Jahr persönlich weiter? Bleiben Sie nach der Übernahme durch die Österreicher Osram-Chef oder gehen Sie?
Berlien: Mein Vertrag läuft noch zweieinhalb Jahre und ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, eine Veränderung herbeizuführen. Es gibt viel zu tun. Ich bin hoch motiviert. Ich habe tausend Ideen für Osram.