Donauwoerther Zeitung

„Das Wichtigste in einer Krise ist Cash, sonst gar nichts“

Olaf Berlien ist Chef des Münchner Unternehme­ns Osram, das vom österreich­ischen AMS-Konzern übernommen wurde. Der Manager erklärt, wie die Firma mit den Folgen der Corona-Pandemie umgeht und warum er für Osram zuversicht­lich ist

- Interview: Stefan Stahl

Herr Berlien, wie hart hat die CoronaKris­e Osram getroffen?

Olaf Berlien: Wir haben sehr früh angefangen, uns auf die CoronaPand­emie einzustell­en. Wir haben schon im Januar 100000 Masken und im Februar Corona-Tests bestellt. Wir messen auch regelmäßig Fieber.

Was hat all das gebracht?

Berlien: Wir verzeichne­n weltweit bis heute bei 22000 Mitarbeite­rn nur 74 Corona-Fälle – und das an rund 120 Standorten weltweit. Da sind Länder wie Brasilien mit hohen Fallzahlen und eine Fabrik in Mexiko dabei. Das ist der Erfolg eines extrem strengen Hygiene-Konzepts.

Wie stark ist das Osram-Geschäft dennoch durch Corona eingebroch­en?

Berlien: Wir müssen Umsatzrück­gänge von rund 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften, wir erwarten aber trotzdem eine operative Rendite von acht Prozent, während es im letzten Geschäftsj­ahr, in dem Corona noch kein Thema war, 8,9 Prozent waren.

Nach Steuern schreibt Osram aber nach wie vor dicke rote Zahlen. So gut läuft es also doch nicht.

Berlien: Das ist unabhängig von Corona das Ergebnis des notwendige­n Transforma­tionsproze­sses mit der Bereinigun­g bestimmter Bereiche: So lösen wir etwa das Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit Continenta­l im Automobilb­ereich wieder auf. Derzeit ist nicht so sehr das Ergebnis nach Steuern, sondern das operative Ergebnis wichtig. Und das ist bei uns deutlich positiv. In der CoronaKris­e kommt gerade auch der Liquidität besondere Bedeutung zu. Hier kommen wir aus der Krise mit einem ausgeglich­enen Wert heraus.

Cash ist also King, wie auch Post-Chef Frank Appel beschwört.

Berlien:

Zur Verdeutlic­hung: Wenn man Essen einkaufen will und hat einen hohen Buchwert, hilft einem das wenig, wenn man nicht flüssig ist. Das Wichtigste in einer Krise ist Cash – und sonst gar nichts. Das Ergebnis vor oder nach Steuern spielt in einer Krise eine untergeord­nete Rolle. Ohne Cash wird man zu sehr von Banken abhängig und braucht staatliche Gelder. Wir haben bisher keine Kredite der staatliche­n Förderbank KfW in Anspruch genommen.

Sie wirken sogar zuversicht­lich, dass die Konjunktur wieder deutlicher anspringen könnte.

Berlien: Ich persönlich bin zuversicht­lich, weil immer mehr Ampeln bei uns, die für die Entwicklun­g von Geschäftsf­eldern stehen, nun von Rot auf Gelb springen. Es geht also derzeit aufwärts. Als Autozulief­erer spüren wir früh, wenn es konjunktur­ell bergauf und bergab geht. So habe ich schon 2018 mehrfach vor einer deutlichen Eintrübung des Geschäfts gewarnt, vor anderen.

Wie geht es nun wirtschaft­lich weiter?

Berlien: Wenn ich zumindest für unser Geschäft nach vorne schaue, also auf November und Dezember, ja in den Jahresbegi­nn 2021 hinein, erkenne ich derzeit in der Auftragsku­rve einen typischen „U“-förmigen Verlauf. Ich bin also heute vorsichtig optimistis­ch, was das Jahr 2021 betrifft.

Haben wir bei dem „U“die Wanne nach dem Absturz wieder verlassen?

Berlien: Ja, seit Juli sind wir aus dem Badewannen­boden raus und bewegen uns nach oben.

Dennoch wächst angesichts der zuletzt deutlich gestiegene­n Fallzahlen in Deutschlan­d die Angst, dass es weiter bergab geht. Wie hart trifft der zweite Lockdown Osram?

Berlien: Osram ist ein weltweit aufgestell­tes Unternehme­n. In China laufen unsere Geschäfte derzeit besser als im Vorjahr. Generell läuft Asien zurzeit exzellent, auch Südkorea und Japan. Selbst in Indien geht es jetzt trotz hoher Corona-Zahlen wieder spürbar aufwärts, besonders im Autobereic­h. Auch in den USA machen wir gute Geschäfte. Hier zieht das Ersatzteil­geschäft, etwa für Halogenlam­pen, kräftig an.

Doch mit Lockdowns – auch in der Light-Version – kann sich die Lage für Unternehme­n rasch verdüstern.

Berlien: Selbst wenn es weltweit wieder Lockdowns gibt und die Menschen weniger neue Autos kaufen, profitiere­n wir weiter von der auch dann hohen Nachfrage nach Ersatzteil­en. Und uns hilft natürlich, dass das Geschäft mit Smartphone­s, Tablets und Computern, für die wir Leuchtdiod­en liefern, während der ganzen Krise stabil geblieben ist. Osram profitiert also vom Trend zur Digitalisi­erung.

Kann Osram sogar gestärkt aus der Krise hervorgehe­n?

Berlien: Das ist mein Ziel. In der Krise reicht es nicht, seine Fixkosten runterzufa­hren, man muss auch wie Osram zuletzt im Autogeschä­ft Marktantei­le gewinnen und neue Produkte wie unsere UV-C-Lampen zur Corona-Bekämpfung auf den Markt bringen.

Was sind UV-C-Lampen? Können Sie wirklich Corona bekämpfen?

Berlien: Es handelt sich um spezielle Lampen für ultraviole­ttes Licht. Mit unserer in diesem Jahr internatio­nal zugelassen­en Technik lassen sich Luft und Oberfläche­n entkeimen. Wir können damit Viren und Bakterien mit einer Zuverlässi­gkeit von etwa 99,9 Prozent unschädlic­h machen. In Wuhan und Peking wurden die Systeme schon in Krankenhäu­sern eingesetzt. Auch an mehr als 10000 chinesisch­en Kindergärt­en haben wir unsere Systeme geliefert.

Aber hilft das wirklich?

Berlien: Mit UV-Licht kann man, das haben viele Studien bewiesen, Viren wirksam bekämpfen. In Krankenhäu­sern werden schon seit Jahren Operations­säle mit UV-Licht desinfizie­rt. Dazu werden große Lampen eingesetzt. Mit kompakten Leuchtdiod­en, die wir in diesem Jahr neu entwickeln, können diese Geräte zukünftig viel kleiner gebaut werden. Durch die Bestrahlun­g mit UV-C-Licht ist die Corona-Zelle nicht mehr in der Lage, sich zu vermehren und zu überleben. Unsere neuen Geräte auf UV-Licht-Basis kann man etwa während Meetings auf den Tisch stellen und ist ein wenig mehr geschützt.

Wann kommen diese Produkte auf den Markt und was sollen sie kosten?

Berlien: Das kleine Gerät soll in vier Wochen auf den Markt kommen, das größere vor Weihnachte­n. Das größere Gerät soll etwa 300 bis 400 Euro kosten, das kompaktere, was etwa so groß wie eine Flasche ist und Schutz in einem Umkreis von rund einem Meter bietet, soll etwa 150 bis 200 Euro kosten.

Wie zufrieden sind denn Ihre neuen Eigentümer des österreich­ischen Sensortech­nik-Spezialist­en AMS mit Osram? Verstehen Sie sich mit AMSChef Alexander Everke einigermaß­en? Es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, Osram könnte zerschlage­n werden. Berlien: Die Chemie zwischen Alexander Everke und mir ist sehr gut.

Wirklich?

Berlien: Ja, die Chemie ist wirklich gut. Wir befinden uns in engem Kontakt, ja telefonier­en täglich. Wir duzen uns und gehen auch mal ein Bier zusammen trinken. Natürlich haben die AMS-Verantwort­lichen mit Sorge gesehen, dass sie Osram während der Corona-Krise übernehmen. Umso erleichter­ter sind sie, dass wir die Krise gut managen, kein Cash verbrennen und auch neue Produkte entwickeln.

Doch noch einmal: Was ist an den Gerüchten dran, AMS könnte etwa die Auto-Sparte von Osram abstoßen?

Berlien: Es sind reine Gerüchte. Und um diese Gerüchte zu entkräften, haben AMS und Osram, also Vorstand und Aufsichtsr­at beider Partner, eine Zusammensc­hluss-Vereinbaru­ng unterzeich­net, die fusionsbed­ingte Kündigunge­n ausschließ­t und vorsieht, dass wir etwa an der Autosparte festhalten. Die Autosparte wird also nicht verkauft.

Und wie sieht es mit dem Standort in Schwabmünc­hen bei Augsburg aus? Bleibt er erhalten, nachdem Osram Augsburg endgültig dichtmacht?

Berlien: Die letzten Mitarbeite­r in Augsburg werden bis Ende Juni 2021 gehen und nach Schwabmünc­hen wechseln. Dort beschäftig­en wir aktuell unveränder­t rund 300 Mitarbeite­r. Schwabmünc­hen ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Transforma­tion eines Werkes. Dort haben wir früher vorwiegend Glühdrähte hergestell­t. Nach dem Glühlampen­verbot sind Glühdrähte weniger nachgefrag­t. Deshalb haben wir in Schwabmünc­hen eine Fertigung für LED-Teile in einem Reinraum aufgebaut. Auf alle Fälle hat Schwabmünc­hen jetzt Produkte, die gefragt sind. Derzeit ist die Beschäftig­ungslage in Schwabmünc­hen mit 300 Mitarbeite­rn stabil. Es ist kein Personalab­bau geplant.

Wie geht es für Sie im kommenden Jahr persönlich weiter? Bleiben Sie nach der Übernahme durch die Österreich­er Osram-Chef oder gehen Sie?

Berlien: Mein Vertrag läuft noch zweieinhal­b Jahre und ich sehe überhaupt keine Notwendigk­eit, eine Veränderun­g herbeizufü­hren. Es gibt viel zu tun. Ich bin hoch motiviert. Ich habe tausend Ideen für Osram.

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 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der gebürtige Berliner Olaf Berlien, 58, ist seit 2015 Chef des Osram‰Konzerns. Das Unternehme­n gehörte einst zu Siemens und wurde übernommen.
Foto: Marcus Merk Der gebürtige Berliner Olaf Berlien, 58, ist seit 2015 Chef des Osram‰Konzerns. Das Unternehme­n gehörte einst zu Siemens und wurde übernommen.
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