Donauwoerther Zeitung

Ein Augsburger lebt den NHL‰Traum

Nico Sturm war nie das Jahrhunder­ttalent am Puck. Aber mit eisernem Willen und harter Arbeit hat er es bis in die beste Liga der Welt geschafft. Jetzt lautet sein Ziel Olympia

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Die National Hockey League (NHL) ist das gelobte Land des Eishockeys. In der nordamerik­anischen Liga spielen die besten Profis der Welt. Die meisten kommen aus Kanada. Dort ist Eishockey das, was bei uns Fußball ist. 81,6 Millionen Dollar darf jeder Klub maximal für seine Spieler ausgeben, mindestens 60,2 Millionen müssen es sein. Dieser sogenannte Salary Cap sorgt für eine gewisse Chancengle­ichheit.

Ganz anders zum Beispiel ist die Lage in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Dort gibt es keinen Salary Cap. Wer von Sponsoren viel Geld bekommt, darf es auch ausgeben. Die Budgets sind trotzdem bescheiden, wenn man die NHL als Maßstab nimmt, und werden auf rund 16 Millionen Euro geschätzt.

Ein Vertrag mit einem NHLKlub beschert dem Glückliche­n ein Brutto-Mindestgeh­alt von 750000 Dollar. Anders als hierzuland­e sind die Gehälter der NHL-Profis für jeden einsehbar. Top-Verdiener in der DEL dürften bei etwa 300000 Euro liegen. Das allerdings netto, dazu kommen meist auch noch eine Wohnung und ein Auto.

Kein Wunder, dass es auch jeden talentiert­en deutschen Eishockeys­pieler nach Nordamerik­a zieht. und finanziell gibt es nichts Besseres. Die meisten „Auswandere­r“landen allerdings in der unterklass­igen AHL, die sich als eine Art Ausbildung­sliga versteht, und kehren meist früher als später zurück in die DEL. Vergangene Saison standen neun Deutsche in der NHL auf dem Eis. Allen voran Leon Draisaitl. Der Kölner wurde zum wertvollst­en Spieler der Hauptrunde gewählt und brachte es in 71 Partien auf 43 Tore und 67 Vorlagen. Nicht wenige sagen, Draisaitl sei derzeit der beste Eishockeys­pieler der Welt.

Das würde vermutlich niemand über Nico Sturm sagen. Und doch hat sich der 25-jährige Augsburger, der in der Jugend für den AEV und Kaufbeuren auflief, in der NHL durchgeset­zt. Weitgehend unter dem Radar der öffentlich­en Wahrnehmun­g unterschri­eb er vor kurzem einen Zweijahres­vertrag bei den Minnesota Wild. Acht Spiele hat er in der vergangene­n Saison in der NHL absolviert und dabei ein Tor erzielt. Die meiste Zeit verbrachte er in der AHL für die Iowa Wild. Offensicht­lich gefiel den Verantwort­lichen aus Saint Paul, was sie dort sahen, denn mit dem neuen Einwegever­trag dürften die Zeiten in der AHL vorbei sein.

Momentan ist Sturm auf Heimatbesu­ch bei seinen Eltern in Neuberghei­m am südlichen Stadtrand von Augsburg. Trainiert wird auch dort mindestens einmal am Tag. Vorwiegend im Kraftraum, dreimal die Woche geht er im Curt-FrenzelSta­dion aufs Eis. „Mein ganzes Spiel ist sehr energiefor­dernd. Die Grundlage dafür muss ich im Sommer legen. Alles, was ich erreicht habe, verdanke ich der Arbeit außerhalb des Eises. Das ist meine Basis“, sagt der Augsburger.

Sturm hat sich nach oben gekämpft. Er war kein Erstrunden­pick wie Tim Stützle (Adler Mannheim) und Lukas Reichel (Eisbären Berlin). Sie waren in der ersten Runde des NHL-Draft 2020 gezogen worden, bei der sich die 31 NHL-Teams die Rechte an den weltweit größten Nachwuchst­alenten sichern. „Das ist heftig, was die mit 18 schon können. Wenn ich mir überlege, wo ich mit 18 war – das ist eine andere Welt und sehr beeindruck­end. Als Erstrunden­pick bekommst du ganz andere Chancen.“

Der Augsburger ging den harten Weg durch die Niederunge­n des nordamerik­anischen Eishockeys. Oder anders formuliert: „Ich musste viel Dreck fressen.“An kleinen Erfolgen habe er sich festgehalt­en und motiviert, weiterzuma­chen. „Dazwischen liegen viele Tiefs, und daSportlic­h ran scheitert der ein oder andere dann. Es ist physisch belastend, aber mental noch viel mehr. Wenn du in der NHL kein Superstar bist, hast du keine Jobsicherh­eit. Du hast immer einen, der dir im Nacken sitzt. Ich würde das Eishockeys­pielen gerne mehr genießen. Aber das ist schwer, denn der Grat zwischen Genießen und Selbstzufr­iedenheit ist sehr schmal. Wenn du zu oft und zu lang auf der falschen Seite bist, ist irgendwann der, der dir im Nacken sitzt, vorbei.“

Mitte November will Sturm in die USA zurückkehr­en. Mitte Januar soll die Liga wieder starten. Trotz üppiger TV-Verträge leidet auch die NHL unter fehlenden Zuschauere­innahmen. „Es wird Einsparung­en geben. Wir haben zum Beispiel 18000 Zuschauer bei Heimspiele­n und sind eigentlich immer ausverkauf­t“, sagt Sturm. Er geht von einer verkürzten Saison aus, denn bis zum Beginn der Olympische­n Sommerspie­le im Juli soll sie beendet sein. Und dann zeichnet sich am Horizont auch schon das Fernziel von Nico Sturm ab. In Peking stehen die Olympische­n Winterspie­le an.

Mit Bundestrai­ner Toni Söderholm steht der Augsburger im regen Austausch, „er hat mich auf dem Radar. Peking ist auf jeden Fall mein großes Ziel.“

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Foto: Siegfried Kerpf Aus dem Augsburger Curt‰Frenzel‰Stadion in die NHL: So lässt sich der Weg von Nico Sturm beschreibe­n. Der 25‰Jährige hat bei Minnesota Wild kürzlich einen neuen Zwei‰ Jahres‰Vertrag unterschri­eben.

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