Donauwoerther Zeitung

Gaststätte­n in der Region erwarten die nächste Krise

Die vierwöchig­e Sperrung ihrer Lokale trifft Gastronome­n vor Ort hart. Mit so drastische­n Maßnahmen haben sie nicht gerechnet, wollen nun aber das Beste daraus machen

- VON HELMUT BISSINGER

Die vierwöchig­e Sperrung ihrer Lokale trifft Gastronome­n hart. Sie wollen aber das Beste daraus machen. Mehr dazu auf

Donauwörth Einschränk­ungen hatten sie befürchtet. Dass sie ihre gastronomi­schen Betriebe aber ab kommenden Montag bis Ende November komplett dichtmache­n müssen, hat die Betreiber von Restaurant­s, Kneipen, Cafés und Bars in Nordschwab­en dann doch geschockt. „Das ist ein harter Schlag“, sagt Sepp Meyer, der Kreisvorsi­tzende des Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga).

Meyer bedauert die Entscheidu­ng aus Berlin, könne er doch (und so sehen es auch seine Kollegen) angesichts ausgeklüge­lter und erprobter Hygienereg­eln nicht erkennen, dass in Gaststätte­n ein erhöhtes Risiko bestehe, sich mit Covid-19 zu infizieren. Die trotz versproche­ner Ausgleichs­zahlungen zu befürchten­den Umsatzverl­uste ist die eine Seite, doch in Gesprächen mit Wirten und in der Branche Beschäftig­ten wird klar, was Mayer vorsichtig zurückhalt­end formuliert: „Wir alle haben in den letzten Monaten viel getan, auch investiert, um nach der Corona-Zwangspaus­e im Frühjahr einen sicheren Betrieb gewährleis­ten zu können. Deswegen sind wir jetzt so enttäuscht.“

Meyer ist sicher, dass nicht alle Gaststätte­n in Nordschwab­en den erneuten Lockdown am Ende überleben werden, weil die Reserven im Frühjahr aufgebrauc­ht worden seien und „in den wenigen Sommerwoch­en keine neuen Polster gebildet werden konnten“. Der Kreisvorsi­tzende, Inhaber des Meerfräule­ins in Wemding, kann sich kaum vorstellen, dass alle Betrieb die Turbulenze­n überstehen. „Am ehesten noch die kleinen, familienge­führten“, sagt er.

Häufiges Lüften, ein ausgeklüge­ltes Hygienesys­tem, Maskenpfli­cht und ständiges Desinfizie­ren – Meyer sagt, die Ansteckung­sgefahr in der Gastronomi­e sei gering. Das würden auch Virologen bestätigen. „Es ging gerade wieder bergauf. Die Leute haben sich wieder getraut, zum Essen zu gehen“, hörte der Kreisvorsi­tzende von Kollegen zuletzt oft. Nun müsse sich die Gastronomi­e als Sündenbock fühlen.

„Es trifft die Falschen“, betont Michael Heilig, Leiter des Kreisverba­ndes Donau-Ries im Wirtschaft­sdreieck Bayerisch Schwaben, Mittelfran­ken, Ostalb. Er vertritt den Bundesverb­and der mittelstän­dischen Wirtschaft. Die Branche sei gerade dabei gewesen, sich von den massiven Einschränk­ungen des ersten Halbjahrs langsam zu erholen. Nun komme es zur erneuten Existenzbe­drohung.

Juniorchef Alexander Trollmann von der Wallfahrts­gaststätte in Wemding ist froh, „dass wir die Schilder noch im Keller haben“. Es sind die Tafeln, die auf den Abholservi­ce hinweisen. Diesen „Drive-in“, im Frühjahr bereits praktizier­t, werde man wiederbele­ben, sagt Trollmann. Ein „bisschen“habe er schon mit Maßnahmen gerechnet, wie sie nun verkündet wurden. Deshalb hat er bei seinem Lieferante­n schon tags zuvor „Einpacksch­alen“geordert, um wieder einen Abholservi­ce einzuricht­en.

Den Antrag für zehn Beschäftig­te auf Kurzarbeit hat Trollmann bereits gestern abgeschick­t. Er sei enttäuscht, weil im November die in den vergangene­n Jahren so beliebte „Schlachtpa­rtie“ausfallen müsse. Der To-goService könne die Ausfälle nicht kompensier­en. Es gehe darum, wenigstens den drei Auszubilde­nden den Arbeitspla­tz zu sichern. Ob das Geschäft dann im Dezember wieder anlaufen kann, mag Trollmann noch nicht beurteilen. „Es hat ohnehin schon zahlreiche Absagen für Weihnachts­feiern von Betrieben gegeben.“Die Hoffnung auf die Silvesterg­ala mit Bergkrista­ll sei nur sehr gering.

„Ich bin enttäuscht“, erklärt Franz Nosalski von der Alten Brauerei Mertingen. Dass vielleicht eine Regelung wie in Italien komme, wo die Lokale um 18 Uhr schließen müssen, hätte er sich vorstellen können. „Die drastische­n Maßnahmen aber nicht.“Seit die Ampel im Landkreis auf „Dunkelrot“gesprungen sei, hat der Wirt bereits weniger Zulauf. Auch Nosalski hat beim ersten Lockdown bereits einen Abholservi­ce eingericht­et. „Das werden wir wiederhole­n.“Die Alte Brauerei habe herbe Verluste zu verkraften, „weil uns der gesamte Tagungsber­eich weggebroch­en ist“. Durchschni­ttlich habe man jährlich 120 Veranstalt­ungen im Saal, „ohne die 30 bis 40 Hochzeiten“. Der wirtschaft­liche Ausfall sei enorm.

Zehn Beschäftig­ten hat Christian Hertl, Inhaber des Neuwirts in Bayerdilli­ng, bereits mitgeteilt, dass sie nun wieder in Kurzarbeit seien. Bei den Aushilfen habe man ohnehin schon reduzieren müssen. Bereits seit Tagen habe er bei den Gästen eine Verunsiche­rung gespürt. Dafür habe er Verständni­s. Ob er einen Abholservi­ce einrichten wird, weiß Hertl noch nicht. „Wir überlegen“, sagt er. Der Aufwand hierfür sei groß, „der Ertrag steht in keinem Verhältnis dazu“.

Aufgebrach­t und verärgert seien geschmeich­elte Worte sagt Armin Schnabel vom Gasthof Goldener Hirsch in Donauwörth. Dass es Entschädig­ungen geben soll, sei schön, „aber das letzte Mal haben wir darauf vier Monate gewartet“. Er glaube nicht, dass er sein Lokal heuer noch einmal aufsperren dürfe. Im Frühjahr habe es Wochen gedauert, um sein Team wieder in positive Stimmung zu versetzen. „Auch diesmal wird es viel Verunsiche­rung geben.“Zur Überbrücku­ng will Schnabel wieder einen Abholservi­ce einrichten.

Katja und Robert Heinrich vom Café la Kami in Donauwörth haben schon seit Tagen wegen eines Lockdowns spekuliert. „Noch ist die Stimmung gut“, schmunzelt Robert Heinrich angesichts der Geräuschku­lisse im Hintergrun­d. „Aber das ist eine Galgenstim­mung.“Für die Beschränku­ngen kann Heinrich sogar Verständni­s aufbringen, wenngleich er nicht weiß, „wohin mit den Gefühlen“. Vielleicht aber sei der Schritt nötig und sinnig, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n. Ausdrückli­ch erwähnt er die Unterstütz­ung durch die City-Initiative-Donauwörth (CID) nach dem ersten Lockdown, „als uns Gastronome­n viele Chancen geboten wurden“. Wie er die nächsten vier Wochen nun verbringt? „Wir wollen unsere Brauerei umbauen“, erzählt Heinrich. Er gehört zu jenen Donauwörth­ern, die ein kleines Brauhaus aufgebaut haben. „Und im Dezember starten wir dann wieder voll durch.“

 ?? Foto: Zoepf ?? Hochgeklap­pte Tische, hochgeklap­pte Stühle – und dies nicht (nur) bedingt durch die Jahreszeit. Die Gastronomi­e ist durch einen faktischen Lockdown erneut von den Folgen der Corona‰Pandemie direkt betroffen.
Foto: Zoepf Hochgeklap­pte Tische, hochgeklap­pte Stühle – und dies nicht (nur) bedingt durch die Jahreszeit. Die Gastronomi­e ist durch einen faktischen Lockdown erneut von den Folgen der Corona‰Pandemie direkt betroffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany