„AudiChef ist mein TraumJob“
Der frühere BMW-Vorstand Markus Duesmann leitet seit April in Ingolstadt das Unternehmen. Der 51-Jährige spricht über seine grüne Seele und verrät, wie die Elektro-Strategie des Unternehmens über das Jahr 2030 hinaus ausfallen soll
Herr Duesmann, wann haben Sie zuletzt Schlagzeug gespielt?
Markus Duesmann: Seit März leider nicht mehr. Dabei habe ich mir, ehe ich als Audi-Chef angefangen habe, noch ein neues Schlagzeug gekauft. Aber es war viel zu tun in den vergangenen fast sieben Monaten.
Sie haben ja in Ihrer Jugend in einer Punkrock-Band gespielt.
Duesmann: Ja, ich habe dort natürlich Schlagzeug gespielt. Die Band hieß Children of the Industrial Revolution.
Was ist Ihre Lieblingsband?
Duesmann: (lacht) Die Red Hot Chili Peppers. Bei den Songs der Band bin ich textsicher – bis heute.
Und wann sind Sie zuletzt Motorrad gefahren?
Duesmann: Das habe ich immerhin vor drei Wochen geschafft. Ich war mit einer Ducati unterwegs. Die Marke gehört ja zum VolkswagenKonzern. Und ich schraube bei mir zu Hause immer noch an meinen Motorrädern herum. Dort habe ich mir eine kleine Motorradwerkstatt mit zwei Bühnen eingerichtet. Das mache ich sehr gerne. Leider komme ich nicht mehr so häufig dazu.
Neuerdings zitieren Sie gerne Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder, wenn Sie gefragt werden, ob Ihr Weg als heutiger Audi-Chef und VW-Entwicklungsvorstand nicht früher oder später direkt auf den Chefsessel des gesamten VW-Konzerns führt.
Duesmann: Auf solche Fragen antworte ich stets und auch Ihnen: Mein Platz ist in Bayern, ja in Ingolstadt. Audi-Chef zu sein ist mein Traum-Job. Und ich ziehe noch dieses Jahr von München direkt nach Ingolstadt. Ich will hier bleiben. Ich bin extrem positiv in Ingolstadt aufgenommen worden. Ich fühle mich sehr willkommen, ob bei Audi als CEO oder im VW-Konzern. Für mich passt das alles sehr gut.
In diesem Traum-Job haben Sie schon einiges bei Audi verändert.
Duesmann: Wir haben die Entwicklungsarbeit umstrukturiert, arbeiten an der Unternehmensstrategie und haben Audi im VW-Konzern gestärkt. Und ich bin nicht nur bei Audi, sondern auch im VW-Konzernvorstand für Entwicklungsthemen zuständig, dazu gehört auch die Verantwortung für Software, die Car-Software.Org, die für alle Marken im Konzern Software entwickelt. Und wir haben Audi im VWKonzern stärker in die Rolle des Innovationstreibers gebracht. Das waren trotz aller Corona-Schwierigkeiten arbeitsreiche und gute Monate. Unser Krisenmanagement hat sehr gut funktioniert. Wir haben noch stärker als sonst auf unseren Cashflow geschaut. Da hat das ganze Team einen super Job gemacht.
Nun werden die Zeiten härter. Die Corona-Zahlen sind massiv gestiegen. Es folgt ein weiterer Lockdown in Deutschland, wenn auch nicht ganz so hart wie der erste. Welche Gefühle packen Sie da?
Duesmann: Mich trifft das menschlich sehr. Persönlich beunruhigt mich das. Für die Gesellschaft und gerade für viele Kleinunternehmer ist es ein Drama, noch einmal in einen Lockdown zu gehen. Das tut mir physisch weh. Auch für uns geht das an die Substanz. Es wird uns Umsatz und Ergebnis kosten. Unsere Ressourcen sind endlich, auch wenn wir bisher unsere Widerstandskraft bewiesen haben. Insgesamt sind wir robust aufgestellt. Doch in meiner privaten Gefühlswelt geht es drunter und drüber.
Erzählen Sie doch.
Duesmann: Ich leide mit meinem Lieblings-Italiener mit, wenn er vorübergehend schließen muss. Ich liebe es auszugehen. Ich gehe gerne essen. All das tut mir weh. Ich leide auch mit den Bands mit, die jetzt nicht spielen können. Gleiches gilt für die Betreiber von Kinos, Theatern oder Fitnessstudios. Das ist für viele von ihnen kaum zu stemmen. Die gesellschaftlichen Schäden sind immens. Doch über uns schwappt eine Pandemie hinweg, die wir überstehen müssen. Wir werden diese Pandemie überstehen. Doch der Schmerz, der Corona jetzt allen bereitet, den wird man noch lange spüren.
Sind Sie froh, dass Sie kein Politiker in diesen schwierigen Zeiten sind?
Duesmann: Auch als Audi-Chef muss ich in diesen Zeiten wichtige Entscheidungen treffen. Wenn ich durch Ingolstadt fahre, spüre ich die Verantwortung, die wir für die ganze Region haben. Überall treffe ich Audi-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen. Audi ist für diesen Standort, wie auch für Neckarsulm extrem wichtig. Auch wenn Politiker Entscheidungen fällen, die zwei Nummern größer sind als die Beschlüsse, die wir bei Audi treffen, geht es für unsere Beschäftigten um sehr viel, eben um ihr Auskommen und ihr Wohlergehen. Die Verantwortung für diese große Zahl von Menschen spüre ich jeden Tag.
Machen Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder einen guten Krisenjob?
Duesmann: Ich fühle mich in Deutschland bestens aufgehoben. Durch die erste Corona-Welle sind wir sehr gut durchgekommen. Die Politik hat konsequent gehandelt, und die Bürger haben sich sehr diszipliniert gezeigt. Wir werden hoffentlich auch durch die zweite Welle gut durchkommen. Ich kann die politischen Entscheidungen voll und ganz nachvollziehen. Und bei Audi habe ich viele tolle Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die das Unternehmen stützen. Sie sind stolz auf Audi, auch wenn ihr Stolz in den vergangenen Jahren matte Stellen bekommen hat.
Mit den matten Stellen spielen Sie auf den Diesel-Skandal an. Die Affäre wird vor Gericht in München aufgearbeitet. Dort verantwortet sich auch Ihr Vor-Vorgänger im Amt, Rupert Stadler. Wie nehmen Sie das wahr?
Duesmann: Vor dem Landgericht München geht es um einen Teil der Audi-Geschichte. Aus ihr gilt es weiter zu lernen und unser Verhalten entsprechend zu verändern. Die Sache muss deshalb auch juristisch komplett aufgearbeitet werden, und das braucht seine Zeit. Wie ich hinter unserer Politik stehe, so stehe ich hier hinter unserer Justiz, deren Aufgabe es nun ist zu klären, wer die rechtliche Verantwortung trägt.
Kommt Audi 2020 wirtschaftlich mit einem blauen Auge davon?
Duesmann: Wir hatten ein starkes drittes Quartal. Hier sind wir bei vielen Spitzenkennzahlen besser als im Vorjahresquartal. Beim Ergebnis haben wir nach neun Monaten wieder die Gewinnzone erreicht. Die Bestelleingänge für das vierte Quartal stimmen uns positiv. Dennoch bleiben wir angesichts der momentan wieder wachsenden Unsicherheiten vorsichtig. Fest steht: Wir wollen das Jahr 2020 mit schwarzen Zahlen abschließen.
Wird Audi irgendwann zu einem reinen Elektroauto-Anbieter? Wie sieht die Strategie aus?
Duesmann: Wir richten uns nach der Nachfrage der Kunden und den Vorgaben der Gesetzgeber. Der Anteil an batterieelektrischen Fahrzeugen wird sich dramatisch erhöhen. Es wird aber noch für geraume Zeit Autos mit Verbrennungsmotor geben.
Auch über 2030 hinaus?
Duesmann: Ich erwarte, dass wir auch über 2030 hinaus Autos mit Verbrennungsmotor anbieten. Doch der Anteil wird dann nur noch sehr klein sein.
Wird die Wasserstoff-Technik und damit die Brennstoffzelle im Pkw-Bereich eine nennenswerte Rolle spielen?
Duesmann: Die Brennstoffzelle ist eine tolle Technologie, die sich allerdings im Pkw-Bereich nicht durchsetzen wird. Denn der wenige mit ökologischer Energie erzeugte grüne Wasserstoff wird sinnvollerweise nicht in Pkws in Elektrizität umgesetzt, sondern für die Industrie, vielleicht auch für Nutzfahrzeuge eingesetzt werden.
Sie sagen über sich selbst: „Ich habe Benzin im Blut und bin grün im Herzen.“Sind Sie der erste grüne Chef eines deutschen Autoherstellers?
Duesmann: (lacht) Das Thema Ökologie beschäftigt mich schon immer. Trotzdem habe ich eine Leidenschaft für Autos und Motorräder. Das ist für mich kein Widerspruch. Wo ich kann, versuche ich mich ökologisch zu verhalten. So habe ich sehr viel in mein Haus investiert, um es energieautark zu machen, also selbst die Energie zu erzeugen. Dafür habe ich früh einen Energiespeicher eingesetzt, als das in privaten Haushalten noch nicht üblich war. Ich halte es eben für wichtig, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Ich habe also eine grüne Seele und trotzdem eine große Leidenschaft für alles, was sich bewegt. So fahre ich auch gerne Fahrrad und bin schon mal mit einem Elektrofahrrad oder einem E-Scooter in München unterwegs. In meiner Jugend war ich Fahrrad-Sportler. Ich genieße es, in meiner Position darin mitzuwirken, die Autobranche hin zur ökologischen E-Mobilität zu wandeln. Deswegen ist das mein Traum-Job.
Spart Audi noch weiter? Fallen mehr als die bisher geplanten 9500 Arbeitsplätze weg?
Duesmann: Es bleibt bei der mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten Beschäftigungsgarantie bis 2029. Wir bauen keine zusätzlichen Stellen ab. Und unter dem Strich fallen ja weniger Arbeitsplätze weg, weil wir im Gegenzug rund 2000 zusätzliche Stellen für Zukunftsfelder aufbauen.