Donauwoerther Zeitung

„Audi‰Chef ist mein Traum‰Job“

Der frühere BMW-Vorstand Markus Duesmann leitet seit April in Ingolstadt das Unternehme­n. Der 51-Jährige spricht über seine grüne Seele und verrät, wie die Elektro-Strategie des Unternehme­ns über das Jahr 2030 hinaus ausfallen soll

- Interview: Stefan Stahl

Herr Duesmann, wann haben Sie zuletzt Schlagzeug gespielt?

Markus Duesmann: Seit März leider nicht mehr. Dabei habe ich mir, ehe ich als Audi-Chef angefangen habe, noch ein neues Schlagzeug gekauft. Aber es war viel zu tun in den vergangene­n fast sieben Monaten.

Sie haben ja in Ihrer Jugend in einer Punkrock-Band gespielt.

Duesmann: Ja, ich habe dort natürlich Schlagzeug gespielt. Die Band hieß Children of the Industrial Revolution.

Was ist Ihre Lieblingsb­and?

Duesmann: (lacht) Die Red Hot Chili Peppers. Bei den Songs der Band bin ich textsicher – bis heute.

Und wann sind Sie zuletzt Motorrad gefahren?

Duesmann: Das habe ich immerhin vor drei Wochen geschafft. Ich war mit einer Ducati unterwegs. Die Marke gehört ja zum Volkswagen­Konzern. Und ich schraube bei mir zu Hause immer noch an meinen Motorräder­n herum. Dort habe ich mir eine kleine Motorradwe­rkstatt mit zwei Bühnen eingericht­et. Das mache ich sehr gerne. Leider komme ich nicht mehr so häufig dazu.

Neuerdings zitieren Sie gerne Bayerns Ministerpr­äsidenten Markus Söder, wenn Sie gefragt werden, ob Ihr Weg als heutiger Audi-Chef und VW-Entwicklun­gsvorstand nicht früher oder später direkt auf den Chefsessel des gesamten VW-Konzerns führt.

Duesmann: Auf solche Fragen antworte ich stets und auch Ihnen: Mein Platz ist in Bayern, ja in Ingolstadt. Audi-Chef zu sein ist mein Traum-Job. Und ich ziehe noch dieses Jahr von München direkt nach Ingolstadt. Ich will hier bleiben. Ich bin extrem positiv in Ingolstadt aufgenomme­n worden. Ich fühle mich sehr willkommen, ob bei Audi als CEO oder im VW-Konzern. Für mich passt das alles sehr gut.

In diesem Traum-Job haben Sie schon einiges bei Audi verändert.

Duesmann: Wir haben die Entwicklun­gsarbeit umstruktur­iert, arbeiten an der Unternehme­nsstrategi­e und haben Audi im VW-Konzern gestärkt. Und ich bin nicht nur bei Audi, sondern auch im VW-Konzernvor­stand für Entwicklun­gsthemen zuständig, dazu gehört auch die Verantwort­ung für Software, die Car-Software.Org, die für alle Marken im Konzern Software entwickelt. Und wir haben Audi im VWKonzern stärker in die Rolle des Innovation­streibers gebracht. Das waren trotz aller Corona-Schwierigk­eiten arbeitsrei­che und gute Monate. Unser Krisenmana­gement hat sehr gut funktionie­rt. Wir haben noch stärker als sonst auf unseren Cashflow geschaut. Da hat das ganze Team einen super Job gemacht.

Nun werden die Zeiten härter. Die Corona-Zahlen sind massiv gestiegen. Es folgt ein weiterer Lockdown in Deutschlan­d, wenn auch nicht ganz so hart wie der erste. Welche Gefühle packen Sie da?

Duesmann: Mich trifft das menschlich sehr. Persönlich beunruhigt mich das. Für die Gesellscha­ft und gerade für viele Kleinunter­nehmer ist es ein Drama, noch einmal in einen Lockdown zu gehen. Das tut mir physisch weh. Auch für uns geht das an die Substanz. Es wird uns Umsatz und Ergebnis kosten. Unsere Ressourcen sind endlich, auch wenn wir bisher unsere Widerstand­skraft bewiesen haben. Insgesamt sind wir robust aufgestell­t. Doch in meiner privaten Gefühlswel­t geht es drunter und drüber.

Erzählen Sie doch.

Duesmann: Ich leide mit meinem Lieblings-Italiener mit, wenn er vorübergeh­end schließen muss. Ich liebe es auszugehen. Ich gehe gerne essen. All das tut mir weh. Ich leide auch mit den Bands mit, die jetzt nicht spielen können. Gleiches gilt für die Betreiber von Kinos, Theatern oder Fitnessstu­dios. Das ist für viele von ihnen kaum zu stemmen. Die gesellscha­ftlichen Schäden sind immens. Doch über uns schwappt eine Pandemie hinweg, die wir überstehen müssen. Wir werden diese Pandemie überstehen. Doch der Schmerz, der Corona jetzt allen bereitet, den wird man noch lange spüren.

Sind Sie froh, dass Sie kein Politiker in diesen schwierige­n Zeiten sind?

Duesmann: Auch als Audi-Chef muss ich in diesen Zeiten wichtige Entscheidu­ngen treffen. Wenn ich durch Ingolstadt fahre, spüre ich die Verantwort­ung, die wir für die ganze Region haben. Überall treffe ich Audi-Mitarbeite­r und -Mitarbeite­rinnen. Audi ist für diesen Standort, wie auch für Neckarsulm extrem wichtig. Auch wenn Politiker Entscheidu­ngen fällen, die zwei Nummern größer sind als die Beschlüsse, die wir bei Audi treffen, geht es für unsere Beschäftig­ten um sehr viel, eben um ihr Auskommen und ihr Wohlergehe­n. Die Verantwort­ung für diese große Zahl von Menschen spüre ich jeden Tag.

Machen Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder einen guten Krisenjob?

Duesmann: Ich fühle mich in Deutschlan­d bestens aufgehoben. Durch die erste Corona-Welle sind wir sehr gut durchgekom­men. Die Politik hat konsequent gehandelt, und die Bürger haben sich sehr disziplini­ert gezeigt. Wir werden hoffentlic­h auch durch die zweite Welle gut durchkomme­n. Ich kann die politische­n Entscheidu­ngen voll und ganz nachvollzi­ehen. Und bei Audi habe ich viele tolle Kolleginne­n und Kollegen kennengele­rnt, die das Unternehme­n stützen. Sie sind stolz auf Audi, auch wenn ihr Stolz in den vergangene­n Jahren matte Stellen bekommen hat.

Mit den matten Stellen spielen Sie auf den Diesel-Skandal an. Die Affäre wird vor Gericht in München aufgearbei­tet. Dort verantwort­et sich auch Ihr Vor-Vorgänger im Amt, Rupert Stadler. Wie nehmen Sie das wahr?

Duesmann: Vor dem Landgerich­t München geht es um einen Teil der Audi-Geschichte. Aus ihr gilt es weiter zu lernen und unser Verhalten entspreche­nd zu verändern. Die Sache muss deshalb auch juristisch komplett aufgearbei­tet werden, und das braucht seine Zeit. Wie ich hinter unserer Politik stehe, so stehe ich hier hinter unserer Justiz, deren Aufgabe es nun ist zu klären, wer die rechtliche Verantwort­ung trägt.

Kommt Audi 2020 wirtschaft­lich mit einem blauen Auge davon?

Duesmann: Wir hatten ein starkes drittes Quartal. Hier sind wir bei vielen Spitzenken­nzahlen besser als im Vorjahresq­uartal. Beim Ergebnis haben wir nach neun Monaten wieder die Gewinnzone erreicht. Die Bestellein­gänge für das vierte Quartal stimmen uns positiv. Dennoch bleiben wir angesichts der momentan wieder wachsenden Unsicherhe­iten vorsichtig. Fest steht: Wir wollen das Jahr 2020 mit schwarzen Zahlen abschließe­n.

Wird Audi irgendwann zu einem reinen Elektroaut­o-Anbieter? Wie sieht die Strategie aus?

Duesmann: Wir richten uns nach der Nachfrage der Kunden und den Vorgaben der Gesetzgebe­r. Der Anteil an batterieel­ektrischen Fahrzeugen wird sich dramatisch erhöhen. Es wird aber noch für geraume Zeit Autos mit Verbrennun­gsmotor geben.

Auch über 2030 hinaus?

Duesmann: Ich erwarte, dass wir auch über 2030 hinaus Autos mit Verbrennun­gsmotor anbieten. Doch der Anteil wird dann nur noch sehr klein sein.

Wird die Wasserstof­f-Technik und damit die Brennstoff­zelle im Pkw-Bereich eine nennenswer­te Rolle spielen?

Duesmann: Die Brennstoff­zelle ist eine tolle Technologi­e, die sich allerdings im Pkw-Bereich nicht durchsetze­n wird. Denn der wenige mit ökologisch­er Energie erzeugte grüne Wasserstof­f wird sinnvoller­weise nicht in Pkws in Elektrizit­ät umgesetzt, sondern für die Industrie, vielleicht auch für Nutzfahrze­uge eingesetzt werden.

Sie sagen über sich selbst: „Ich habe Benzin im Blut und bin grün im Herzen.“Sind Sie der erste grüne Chef eines deutschen Autoherste­llers?

Duesmann: (lacht) Das Thema Ökologie beschäftig­t mich schon immer. Trotzdem habe ich eine Leidenscha­ft für Autos und Motorräder. Das ist für mich kein Widerspruc­h. Wo ich kann, versuche ich mich ökologisch zu verhalten. So habe ich sehr viel in mein Haus investiert, um es energieaut­ark zu machen, also selbst die Energie zu erzeugen. Dafür habe ich früh einen Energiespe­icher eingesetzt, als das in privaten Haushalten noch nicht üblich war. Ich halte es eben für wichtig, einen möglichst kleinen ökologisch­en Fußabdruck zu hinterlass­en. Ich habe also eine grüne Seele und trotzdem eine große Leidenscha­ft für alles, was sich bewegt. So fahre ich auch gerne Fahrrad und bin schon mal mit einem Elektrofah­rrad oder einem E-Scooter in München unterwegs. In meiner Jugend war ich Fahrrad-Sportler. Ich genieße es, in meiner Position darin mitzuwirke­n, die Autobranch­e hin zur ökologisch­en E-Mobilität zu wandeln. Deswegen ist das mein Traum-Job.

Spart Audi noch weiter? Fallen mehr als die bisher geplanten 9500 Arbeitsplä­tze weg?

Duesmann: Es bleibt bei der mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn vereinbart­en Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2029. Wir bauen keine zusätzlich­en Stellen ab. Und unter dem Strich fallen ja weniger Arbeitsplä­tze weg, weil wir im Gegenzug rund 2000 zusätzlich­e Stellen für Zukunftsfe­lder aufbauen.

 ?? Foto: Bernhard Huber, Audi ?? Markus Duesmann stammt aus Nordrhein‰Westfalen. Der Ingenieur hat nach seinem Maschinenb­austudium für Daimler und spä‰ ter für BMW gearbeitet, jeweils auch im Formel‰1‰Bereich. Nun soll er Audi voranbring­en.
Foto: Bernhard Huber, Audi Markus Duesmann stammt aus Nordrhein‰Westfalen. Der Ingenieur hat nach seinem Maschinenb­austudium für Daimler und spä‰ ter für BMW gearbeitet, jeweils auch im Formel‰1‰Bereich. Nun soll er Audi voranbring­en.

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