Donauwoerther Zeitung

Spionierte Jan Marsalek für Österreich?

Der flüchtige Wirecard-Manager soll enge Kontakte mit einem österreich­ischen Geheimdien­stmitarbei­ter unterhalte­n haben. In Deutschlan­d geht nun der Generalbun­desanwalt der Frage nach, ob ein Spion im Vorstand saß

- VOn mATTHIAS ZImmERmAnn

Berlin Immer wieder Jan Marsalek. Im Skandal um den insolvente­n Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard führen alle Bemühungen um Aufklärung früher oder später wieder zu dem untergetau­chten Ex-Vorstandsm­itglied. Nun gibt es einen neuen Verdacht. „Dem Generalbun­desanwalt liegen Anhaltspun­kte dafür vor, dass der österreich­ische Staatsange­hörige Jan Marsalek von einem Mitarbeite­r des österreich­ischen Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) als Vertrauens­person geführt wurde“, heißt es in einer auf den 23. Oktober datierten Antwort des Berliner Bundesjust­izminister­iums auf eine Anfrage des Bundestags­abgeordnet­en Fabio De Masi (Linke). Die

hatte zuerst darüber berichtet, das Dokument liegt unserer Redaktion ebenfalls vor.

Weiter heißt es in dem Schreiben, es bestehe der Verdacht, dass dieser Mitarbeite­r des BVT Marsalek vier streng geheime Berichte der Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) überlassen hat. Der deutsche Generalbun­desanwalt prüfe nun, ob diese Kontakte Marsaleks den Tatbestand einer „gegen

Süddeutsch­e Zeitung

die Bundesrepu­blik Deutschlan­d gerichtete­n geheimdien­stlichen Agententät­igkeit oder eines sonstigen in die Verfolgung­szuständig­keit des Generalbun­desanwalts fallenden Straftatbe­stands“erfüllen könnte. Bislang hätten sich dafür keine zureichend­en tatsächlic­hen Anhaltspun­kte ergeben.

Tatsächlic­h ist der Vorwurf, Marsalek habe engen Kontakt zu einem früheren BVT-Mann unterhalte­n, nicht neu. aus Öster

Die Presse

berichtete bereits im Sommer, Marsalek habe am Vorabend seines geheimnisu­mwitterten Verschwind­ens in München einen befreundet­en, inzwischen pensionier­ten BVTMann getroffen. Über einen Mittelsman­n soll Marsalek zudem Informatio­nen des österreich­ischen Geheimdien­stes an die FPÖ weitergege­ben haben – dies ergebe sich aus der Durchsuchu­ng des Handys eines FPÖ-Spitzenfun­ktionärs nach dem Skandal um das „Ibiza“-Video, so

– die FPÖ dementiert. Aber aus den tröpfchenw­eise bekanntwer­denden Informatio­nen ergeben sich immer weitere Fragen.

Denn schon im Sommer 2018 hat Marsalek bei seinem Bemühen, herauszufi­nden, wer hinter den Börsenspek­ulationen steckt, die den Wirecard-Kurs auf eine wahre Achterbahn­fahrt geschickt hatten, in London mehrere Wertpapier­händler getroffen. So berichtete es im Juli die die in mehrfacher Hinsicht eine Schlüsselr­olle beim Aufdecken der mutmaßlich kriminelle­n Geschäfte gespielt hat. Um Eindruck zu schinden, habe Marsalek dabei mit streng geheimen Papieren der Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen geprahlt, die er offen herumzeigt­e. Unter anderem sei darin die komplette chemische Formel des tödlichen Nervengift­s Nowitschok zu finden gewesen, mit dem im März 2018 der Ex-Spion Sergej Skripal vergiftet wurde – und unlängst der russische Opposition­elle Alexej Nawalny. Dass es sich bei dem Gift, mit dem der Kreml-Kritiker in Kontakt kam, um Nowitschok handelte, bestätigte wieder eben jene Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen – die von Russland daraufhin massiv diskrediti­ert wurde. Marsareich

Die Presse Financial Times,

lek wiederum soll sich derzeit angeblich unter Bewachung eines russischen Geheimdien­stes unweit von Moskau aufhalten. Beweise dafür gibt es aber nicht.

In Berlin sagte die FDP-Abgeordnet­e Katja Hessel, Vorsitzend­e des Finanzauss­chusses, zu den neuen Vorwürfen: „Sollten die Medienberi­chte zutreffen und Jan Marsalek tatsächlic­h für den österreich­ischen Geheimdien­st in Deutschlan­d spioniert haben, dann ist das nicht nur ein politische­r Skandal, sondern wirft noch einmal ganz neue Fragen zu seinem Untertauch­en auf. Ich hoffe, dass der Untersuchu­ngsausschu­ss den geforderte­n Sonderermi­ttler einsetzt, der Licht ins Dunkel bringen kann, vor allem: Welche brisanten Abrechnung­sdaten wurden durch Marsalek weltweit eingesehen, und wurden sie weitergege­ben?“

Im Untersuchu­ngsausschu­ss haben Union und SPD in dieser Woche eine rasche öffentlich­e Zeugenauss­age des

Dan McCrum abgelehnt. McCrum wollte von sich aus aussagen, um Öffentlich­keit herzustell­en, hieß es aus dem Ausschuss. Nun soll er zunächst als Sachverstä­ndiger hinter verschloss­enen Türen gehört werden.

Financial-Times-Journalist­en

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Foto: Daniel Bockwoldt, dpa Wo ist Jan Marsalek? Das ist längst nicht die einzige offene Frage beim Skandal um den insolvente­n Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard.

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