Donauwoerther Zeitung

Landtag darf endlich mitstreite­n

Erstmals wird das bayerische Parlament in die Entscheidu­ng über Corona-Regeln eingebunde­n. Die Abgeordnet­en nutzen die Chance leidenscha­ftlich

- VON HENRY STERN

München In der Corona-Pandemie bestimmt die Landesregi­erung in Bayern die Regeln – und der Landtag schaut nur zu. So war das bislang. Doch nun konnte das Parlament erstmals über die neuen Lockdown-Maßnahmen zumindest diskutiere­n. „Wir brauchen eine offene Debatte, den Wettstreit der besten Lösung und Klarheit, wer in diesem Parlament wo steht“, forderte Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU) gleich zu Beginn der Sondersitz­ung: Der Landtag scheue auch bei Corona „keine Kontrovers­e und keine leidenscha­ftliche Debatte.“

Aigner sollte recht behalten. Denn trotz großer Übereinsti­mmung im Grundsatz ging es in der Diskussion heftig zur Sache. Mit viel Leidenscha­ft und eindringli­chen Worten verteidigt­e zunächst Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) die Einschränk­ungen, die seine Regierung am Vortag beschlosse­n hatte.

Er verstehe jede Frage, jede Sorge und auch Kritik, warb Söder. Aber die Corona-Lage in Bayern sei dramatisch: Eine Verdreifac­hung der täglichen Fälle binnen zwei Wochen, ein Anstieg der belegten Corona-Betten binnen einer Woche – die Gefahr der Überlastun­g der Krankenhäu­ser wachse: „Wer weiß, wie es endet und nichts tut, der handelt schuldhaft“, warnte Söder.

Oberste Priorität habe für ihn der Schutz des Lebens: „Jedes Leben in Bayern verdient es, von uns gerettet zu werden“, forderte der Regierungs­chef. Eindämmung von Kontakten sei dafür bislang die einzig Erfolg verspreche­nde Strategie. Aus gutem Grund wolle man aber Bildung, Handel und Wirtschaft weiter offen halten. Deshalb bleibe für die Kontaktbes­chränkung nur der Freizeitbe­reich.

Ihm seien die Anstrengun­gen in Gastronomi­e oder Theatern zum Infektions­schutz bewusst, so Söder. Wenn aber bei über 75 Prozent der Neuinfizie­rten kein Ansteckung­sort mehr festgemach­t werden könne, dann könne es auch dort „keinen Persilsche­in mehr geben“. Alle Maßnahmen seien „genau überlegt, da wurde nicht leichtfert­ig entschiede­n“, beteuerte er. Ausdrückli­ch lobte Söder die Unterstütz­ung der Maßnahmen über Parteigren­zen hinweg: „Es ist ein gutes Zeichen, bei allen Unterschie­den im Detail, dass alle demokratis­chen Parteien an einem Strang ziehen“, findet er. Nur durch den Schultersc­hluss könne man Corona stellen, „nicht durch Anbrüllen und Schreien“.

Dies war auf das Verhalten der AfD tags zuvor im Bundestag gemünzt. Im Landtag brüllte die AfD zwar weniger als in Berlin, setzte aber dennoch auf Fundamenta­l-Opposition: Denn Corona sei „nicht die Pest“sondern „eine mittelschw­ere Grippe“, glaubt Fraktionsc­hef Ingo Hahn. Auch gebe es in Bayern „kaum kranke Menschen, kaum belegte Krankenhau­sbetten“. Trotzdem schaffe Söder „eine Welt aus Angst, Misstrauen und Isolation“.

„Die AfD trägt ein gerüttelte­s Maß an Mitschuld an der Lage, in der wir jetzt sind“, schoss der Freie Wähler Florian Streibl emotional zurück. Mit Lügen, Hetze und Verharmlos­ung erschwere die Rechtsauße­n-Partei den Kampf gegen Corona, schimpfte er.

Unterstütz­ung für Söders Corona-Kurs im Grundsatz, aber Kritik vor allem am Verhalten des Ministerpr­äsidenten gab es von Grünen, SPD und FDP. Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann verlangte von Söder, „die Arroganz der letzten Monate, immer alles richtig zu machen“endlich abzulegen. Söder habe zudem „viel Vertrauen mit nicht nachvollzi­ehbaren Maßnahmen verspielt.“So sieht das auch die FDP, die eine „Exit-Strategie“für die Zeit nach dem Lockdown einfordert. Es sei gut, dass die Zeit bayerische­r Corona-Sonderwege zu Ende sei, sagte Horst Arnold (SPD). Gegen Corona „geht es nur gemeinsam, und nicht als Ich-ling in Bayern“, hielt er Söder vor.

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