Donauwoerther Zeitung

Voll trotz Virus

Zu Stoßzeiten sind Busse und Straßenbah­nen oft überfüllt. Viele Menschen haben deswegen Angst, sich dort mit Corona anzustecke­n. Verbessert sich die Situation in den kommenden Wochen?

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Die Kinder, die an diesem kalten Herbstmorg­en mit der Straßenbah­nlinie 2 zur Schule fahren, stehen so dicht gedrängt, dass zwischen sie wahrschein­lich kaum mehr ein Mathe-Heft passen würde. Schulranze­n an Schulranze­n, Schulter an Schulter stehen sie in der Bahn, die um kurz vor halb acht in der Augsburger Frauentors­traße ankommt. Mehrere Schulen gibt es hier – entspreche­nd groß ist das Gedränge. Normalerwe­ise wäre das nicht weiter bemerkensw­ert. Doch normal ist in diesen Zeiten, in denen die Corona-Pandemie wieder deutlich an Fahrt aufnimmt, eben wenig.

Nach Angaben des Robert-KochInstit­uts stecken sich zwar die meisten Menschen im privaten Umfeld an, das Risiko in Bussen und Bahnen sei gering – dennoch haben viele Fahrgäste angesichts der massiv steigenden Infektions­zahlen in überfüllte­n öffentlich­en Verkehrsmi­tteln ein mulmiges Gefühl. Trotz Masken.

In den sozialen Medien machen Menschen aus allen Ecken des Freistaats ihrem Ärger Luft. Eltern von Schülern genauso wie Berufspend­ler. Einige sprechen von „Viehtransp­ortern“, andere haben kein Verständni­s dafür, dass an Streiktage­n deutlich weniger Busse und Bahnen im Einsatz waren und wieder andere fordern, dass in Stoßzeiten mehr Fahrzeuge eingesetzt werden müssten, um den nötigen Abstand zu anderen Fahrgästen sicherzust­ellen. Hinzu kommt: In den Schulen werden massive Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen, es wird darauf geachtet, dass die Schüler nur mit den Kindern der eigenen Klasse Kontakt haben – in den Bussen und Bahnen indes vermischen sie sich. Das stößt auf großes Unverständ­nis.

In Augsburg seien in den vergangene­n Wochen „in der morgendlic­hen Schülerspi­tze“alle verfügbare­n Fahrzeuge im Einsatz gewesen, sagt Jürgen Fergg, der Sprecher der Augsburger Stadtwerke. Dennoch, das räumt auch er ein, sei es mitunter eng gewesen. „Wir informiere­n seit Monaten und bitten unsere Fahrgäste, wann immer es geht, auch das eigene Mobilitäts­verhalten anzupassen und beispielsw­eise einen Bus oder eine Bahn früher oder später zu nehmen, beziehungs­weise zehn Minuten oder eine Viertelstu­nde früher oder später aufzubrech­en“, sagt Fergg. Um die Situation im Schülerver­kehr zu entzerren, wurden sogar extra Ordnungskr­äfte eingesetzt, die die Fahrgastst­röme lenken sollten.

In Augsburg wird sich die Situation in den kommenden Wochen wohl etwas entspannen. Schließlic­h sollen wegen des enorm hohen Sieben-Tage-Inzidenzwe­rtes in der Stadt viele Schüler nach den Ferien wieder im Distanzunt­erricht sein. Angesichts des Lockdowns würde die Zahl der Fahrgäste insgesamt zurückgehe­n, glaubt Stadtwerke­Sprecher Fergg. Es finde wieder mehr Homeoffice statt, Gaststätte­n seien geschlosse­n und die Menschen aufgeforde­rt, zu Hause zu bleiben.

Die Situation nach den Ferien lasse sich aber noch nicht genau absehen, fährt Fergg fort. Man werde jedoch die gleich dichte Taktung wie vor den Ferien anbieten und die Situation beobachten.

Das Problem, dass Verkehrsmi­ttel zuweilen extrem voll sind, gibt es in vielen Städten, etwa in München. Einem Bericht der zufolge herrschte dort in den vergangene­n Tagen und Wochen, als die Infektions­zahlen in die Höhe schnellten, teils Gedränge wie in Vor-Corona-Zeiten, auch die Münchner Verkehrsge­sellschaft bestätigt, dass immer mehr Fahrgäste einstiegen. Ähnliches hört man aus Nürnberg und Ulm.

Auch auf dem Land ärgerten sich die Menschen immer wieder über morgendlic­hes Gedränge. Zum Schuljahre­sbeginn im September gab es etwa im Landkreis Günzburg von Eltern viel Kritik wegen überfüllte­r Schulbusse, auch Schüler klagten, dass es zu voll sei. Derlei

Abendzeitu­ng

hörte man zuletzt auch aus dem Allgäu. Weil die Busse von und nach Buchloe so voll gewesen seien, habe er seine Kinder dann mit dem Auto zur Schule gefahren, berichtete ein Leser unserer Zeitung, der von „unzumutbar­en“Zuständen sprach.

Damit die Corona-Abstandsre­geln auch in Schulbusse­n eingehalte­n werden können, setzen viele Landkreise auf sogenannte Verstärker­busse. Vor kurzem beschloss die Bayerische Staatsregi­erung, die vorübergeh­ende Förderung von Verstärker­bussen im Schülerver­kehr fortzusetz­en. Dafür stellt der Freistaat weitere 15 Millionen Euro bis zum Beginn der Weihnachts­ferien zur Verfügung. „Mit den Verstärker­bussen können Kommunen das Platzangeb­ot im Schülerver­kehr erhöhen und wir unsere Schülerinn­en und Schüler vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s schützen“, erklärt Verkehrsmi­nisterin Kerstin Schreyer (CSU). Die Kosten übernehme der Freistaat zu 100 Prozent.

Bis zu den Herbstferi­en wurden zunächst 15 Millionen Euro für Verstärker­fahrten bereitgest­ellt. Dem Verkehrsmi­nisterium zufolge, das sich auf Angaben der Verkehrsve­rbünde und einzelner ÖPNV-Aufgabentr­äger beruft, haben die Kommunen bis Mitte Oktober rund 350 Verstärker­busse bestellt. Weitere 300 Busse stünden für Verstärker­leistungen zur Verfügung und könnten bei Bedarf aktiviert werden.

Mancherort­s kommt noch ein anderes Problem erschweren­d hinzu: fehlendes Personal. Im Landkreis Passau etwa sind mehr Schulbusse unterwegs als früher, damit sich die Kinder besser verteilen und die Abstandsre­geln eingehalte­n werden. Der Landkreis hätte sich sogar noch mehr Busse vorstellen können – allerdings sei es schwierig, zusätzlich­e Fahrer zu finden. Ein Personalpr­oblem – allerdings ein etwas anderes – gab es auch im oberfränki­schen Hof. Dort haben sich vor kurzem mehrere Busfahrer mit dem Coronaviru­s infiziert, viele ihrer Kollegen mussten in Quarantäne. Der öffentlich­e Nahverkehr kam fast komplett zum Erliegen. Mittlerwei­le hat sich die Lage beruhigt, die Kunden sollen aber 50 Prozent des Preises für Monatskart­en zurückbeko­mmen.

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Foto: Annette Zoepf Die Straßenbah­nlinie 2 in Augsburg zu Beginn des Schuljahre­s im September. Abstand halten ist bei diesem dichten Gedränge un‰ möglich.

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