„Jetzt fallen die Verträge anders aus“
Seit rund vier Jahren arbeitet Rouven Schröder bei Mainz 05 als Sportvorstand. Vor dem Spiel in Augsburg spricht er über Corona-Auswirkungen, den Trainingsstreik und Rassismus
Herr Schröder, seit vier Jahren sind Sie Sportvorstand in Mainz. Erleben Sie gerade Ihre schwierigste Phase?
Schröder: Es gehört zu einer Entwicklung dazu, dass nicht immer alles bergauf geht. Für einen Standort wie Mainz sind harte Spielzeiten normal. Das sind Erfahrungswerte. In den vergangenen Wochen gab es wiederholt Themen am Rande. Hinzu kommt, dass wir aktuell zu wenig gepunktet haben. Aber die letzten beiden Spiele haben gezeigt, dass wir konkurrenzfähig sind. Wir haben noch 29 Spieltage Zeit, die Dinge zu drehen.
Dass eine Mannschaft nicht auf den Trainingsplatz geht, weil sie sich mit dem freigestellten Adam Szalai solidarisiert, das dürfte Sie aber auch überrascht haben.
Schröder: Ich weiß, dieses Thema interessiert jeden, aber ich will dazu nichts mehr sagen. Es ist Wunsch der Mannschaft und des Vereins, dass wir einen Strich darunter setzen. Wir konzentrieren uns jetzt auf das nächste Spiel in Augsburg.
Ist es möglich, dass Szalai trotz der Vorfälle und seiner angedrohten Klage wieder für Mainz aufläuft?
Schröder: Er gehört wieder zur Gruppe, trainiert mit der Mannschaft und versucht, sich für den Kader und die Startelf anzubieten. Für ihn gilt wie für jeden anderen Spieler das Leistungsprinzip.
Sie haben mal gesagt, Sie durchleuchten Spieler vor einer Verpflichtung, schauen sich ihr Umfeld und öffentliches Verhalten an. Umso enttäuschender muss für Sie persönlich dann der Trainingsstreik gewesen sein.
Schröder: Die Spieler haben sich nicht gegen mich gestellt, sondern sich solidarisch mit ihrem Mitspieler gezeigt. Wenn überhaupt, haben sie sich gegen den Verein gestellt. Natürlich spricht man vor einem Transfer öfter mit einem Spieler, in der Gruppe verhält er sich aber situationsbezogen auch mal anders als erwartet. Entscheidend ist, dass man das Grundvertrauen in die Jungs nicht verliert. Ich werde nie den Stab über jemandem brechen. Wir arbeiten das auf und richten den Blick nach vorne.
Ist es über die Jahre schwieriger geworden, mit Spielern und Beratern einen Konsens zu finden?
Schröder: Ich will Corona nicht als Ausrede gelten lassen, aber das Virus löst eine gewisse Unruhe aus – ob privat oder beruflich. Früher hatten Spieler fünf, sechs Angebote, wollten wechseln, den nächsten Karriereschritt machen. Jetzt merken sie: Hoppla, ich habe gar kein Angebot. Diese Gedanken beschäftigen die Spieler.
Findet bei Profis ein Umdenken statt?
Schröder:
Wenn ich sehe, welche Gespräche ich im Winter geführt habe und welche im Sommer, sieht man große Unterschiede. Klubs bemühten sich, über Leihgeschäfte oder Verkäufe ihre Kader zu reduzieren und Budget zu sparen. Wer vor Corona seinen Vertrag unterschrieben hat, hat Glück gehabt. Jetzt fallen die Verträge ganz anders aus.
Ist in diesem Zusammenhang die Solidarität in der Liga größer geworden?
Schröder: Wir sitzen in einem Boot und wissen, dass wir uns gegenseitig brauchen. Niemandem ist geholfen, wenn wir nur noch mit acht Vereinen in der Bundesliga spielen.
Allein, weil keine Zuschauer zugelassen sind, distanziert sich der Fußball von seinen Fans. Wie steuern Sie gegen?
Schröder: Das ist ein riesiges Problem, wenn der Fan die Spieler nur noch am
Bildschirm sieht. Wir haben versucht, die Interaktion aufrecht zu erhalten und Nähe zu schaffen. Unter anderem über Fanfeste, natürlich unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln. Aber eines ist klar: Ohne Fans im Stadion ist das wirklich schwierig.
Fußball ist eine Freiluftveranstaltung, die Liga hat in Hygienekonzepte investiert, die funktioniert haben. Können Sie nachvollziehen, dass dennoch keine Fans zugelassen sind?
Schröder: Das ist ein schmaler Grat. Wir in Mainz haben volles Vertrauen in Behörden vor Ort und glauben, dass diese alles Mögliche ausreizen. Aber die Ampel steht nun mal auf Rot und die Infektionszahlen steigen.
In Berlin durften lange Zeit noch Fans ins Stadion, in anderen Bundesländern nicht. Wettbewerbsverzerrung?
Schröder: Natürlich sind Zuschauer im Stadion ein Vorteil, aber wir wollen das nicht als Alibi nutzen. Das Thema hatten wir ja schon in einem frühen Stadium der Pandemie, als es darum ging, ob in Gruppen auf dem Platz trainiert werden darf. Wir haben uns immer eine bundesweite Entscheidung gewünscht.
Sie gehören zum Zusammenschluss von Klubs, die TV-Gelder anders verteilen wollen. Grob zusammengefasst: Das Geld soll sich weniger am sportlichen Erfolg orientieren und alle sollen stärker von internationalen Ausschüttungen profitieren. Glauben Sie, dass Sie damit Erfolg haben können?
Schröder: Letztlich geht es darum, Meinungen zu vertreten und zu begründen. Am Ende der Diskussion sollte für den Verteilerschlüssel eine demokratische Lösung stehen, die alle mittragen. Ich finde es aber wichtig, dass jeder seine Meinung äußert und dass es am Ende einen Konsens gibt.
Stichwort Meinung. Im Sommer haben Sie deutlich auf die Kündigung eines Mitglieds reagiert. Dieses hatte rassistische Motive geäußert. Wie politisch sollte ein Bundesligist sein?
Schröder: Wir wollten anhand dieses Falls öffentlich machen, was leider immer noch viel zu oft vorkommt. Wir sind ein weltoffener Verein, der schon immer ausländische Spieler hatte. Vielfalt ist in unserem Leitbild und in unserer Vereinssatzung verankert. Wir dürfen solche Dinge nicht als Einzelfälle abtun, Rassismus ist allgegenwärtig. Wir gehen deshalb dagegen vor und müssen Grenzen ziehen.
Zum Spiel in Augsburg. Dort haben Sie sich oft schwergetan.
Schröder: In Augsburg ist es immer unangenehm. Jeder erwartet, dass der FCA uns zuhause schlägt. Aber ich denke, Sie werden sich momentan schwertun, uns einzuschätzen.
Trotz Niederlagen haben Sie Cheftrainer Jan-Moritz Lichte den Rücken gestärkt. Was passiert bei schlechten Resultaten gegen Augsburg und Schalke?
Schröder: Natürlich zählen Ergebnisse. Aber es gibt kein Endspiel und keine Punktepflicht. Die Spiele gegen Leverkusen und Mönchengladbach haben klar gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wenn die innere Überzeugung vorhanden ist, steht man Dinge gemeinsam durch. Wir bleiben optimistisch.
Rouven Schröder, 45, ist seit rund vier Jahren als Sportvorstand des FSV Mainz 05 tätig. Zuvor arbeitete der ExProfi bei verschiedenen Klubs als Videoanalyst, Scout, Co Trainer oder Sportlicher Leiter. Tä tig war er unter anderem in Nürn berg, Fürth und Bremen.