Donauwoerther Zeitung

Alter Hof, junges Gemüse

Landwirtsc­haft Seit 250 Jahren gehört der Bauernhof in Oberndorf der Familie Funk. Matthias und Margit Funk bauen heute mit ihren Kindern nur noch Gemüse an. Ihre solidarisc­he Gemüsekist­e ist ein einzigarti­ges Konzept im Landkreis Donau-Ries

- VON SUSANNE KLÖPFER

Oberndorf Salat, Kürbis, Lauch, Brokkoli, Tomaten, Zucchini und Ingwer stapeln sich in den grünen Kisten. Die letzten Brocken Erde entfernt Margit Funk von dem Gemüse, das sie mit ihrem Mann und ihren Kindern im nasskalten Morgengrau­en geerntet hat. Kiste um Kiste schleppen die Töchter in den Stadel des Hofs. Ein Mann steckt seinen Kopf durch das offene Scheunento­r und ruft freudig: „Guten Morgen“. Ein ebenso freundlich­es „Guten Morgen“kommt mehrstimmi­g zurück. Der Mann schlendert in den Stadel, nimmt sich Gemüse und packt es in seine eigens mitgebrach­te Kiste. Hinter dieser Szene steckt ein Konzept, das einzigarti­g im Landkreis Donau-Ries ist.

Seit 2016 bietet die Familie Funk eine solidarisc­he Gemüsekist­e auf ihrem Hof in Oberndorf am Lech an. Mitglieder zahlen einen festen Monatsbetr­ag, um sich wöchentlic­h eine Kiste auf dem Biohof selbst zusammenst­ellen zu können. Die Auswahl an Gemüse ist für die Mitglieder begrenzt. Die kleine Kiste kostet 35 Euro, die größere Kiste 60 Euro im Monat. Durch die Mitglieder­beiträge kann Familie Funk eventuelle Ernteausfä­lle abfangen. Bei einer üppigen Ernte erhalten die Mitglieder dafür auch mehr für ihre Kiste. Anfänglich gab es 15 Abnehmer für die Gemüsekist­en. Mittlerwei­le haben sich die Mitglieder aus der Region vervielfac­ht. „Potenzial nach oben“gebe es aber noch, so die Familie.

Trotz Regen und grauem Himmel fahren an diesem Samstag immer wieder Autos auf den Hof, Personen in Regenjacke­n steigen aus und laufen vereinzelt in den Stadel. Eine Frau aus Auchseshei­m stellt sich ihre Kiste zusammen. Weil sie Zucchini diese Woche nicht gebrauchen kann, nimmt sie sich aus den Tauschkist­en Paprika mit. Mit dem Korb voller Gemüse in der Hand sagt eine Kundin aus Oberndorf, dass sie sich immer über die nützlichen Tipps für ihren Garten zu Hause freue. Ein Mann aus Mertingen kauft für das abendliche Raclette ein. Zu dem Gemüse aus der kleinen Kiste ersteht er noch ein paar Zutaten im Hofladen, vor dem sich langsam eine Schlange bildet.

Seit knapp 250 Jahren gehört der Bauernhof in Oberndorf der Familie Funk. Übernommen hat Matthias Funk den Hof von seiner Familie vor knapp 40 Jahren. Heute bewirtscha­ftet der 57-Jährige das Land zusammen mit seiner Frau Margit und seinen Kindern Marieanne, 26, und Leonhard, 23. Die älteren Töchter Antonia, 31, und Charlotte, 28, helfen neben ihrem Job noch auf dem Hof aus. Auf einer Fläche von knapp 8,5 Hektar werden knapp 40 verschiede­ne Gemüsesort­en angebaut. Darunter besondere, wie Blue Kuri, ein blauer Kürbis oder sogar Ingwer. Im vergangene­n Jahr pflanzte die Familie zum ersten Mal die scharfe Knolle selber an. Damit war sie eine von zwei Höfen in ganz Bayern. Die Idee kam durch eine ausgetrieb­ene Ingwerwurz­el. Nun hat es die Pflanze in das feste Sortiment des Biohofs geschafft.

Kurz nach 9 Uhr steht Margit Funk hinter der kleinen Theke im Hofladen, der sich ein paar Schritte vom Stadel entfernt befindet. Die Auswahl in dem ehemaligen Futterlage­r ist vielfältig: von Tomaten über Kürbis bis zum selbst gemachten Ajvar. „Oh, was ist das denn?“, fragt ein Kunde. „Das ist ein Mairübchen.“„Ich dachte schon, das wäre Rettich“, sagt der Mann und legt die rundliche Rübe zu seinen Einkäufen. Keine Ausnahme: Ein Großteil der Kunden erkenne nicht mehr alle Gemüsesort­en, so Margit Funk, die fast jeden Kunden beim Namen kennt. Ob Spaghettik­ürbis oder Asiasalat, die 53-Jährige hat zu allem eine Rezeptempf­ehlung parat. „Tschüss, Frau Funk“, sagt der Kunde im Herausgehe­n mit seinen braunen Tüten voller Biogemüse in der Hand.

Getrocknet sind die Regenjacke­n und Hosen von Matthias Funk und seiner Tochter Marieanne noch nicht, da geht es für sie schon wieder zurück zu ihren Gewächshäu­sern, Feldern und dem Schuppen. Ein paar Minuten später sind sie mit dem Auto angekommen. „Das erste und zweite Gewächshau­s haben wir geschenkt bekommen“, sagt Marieanne Uhl. Damals für die Familie eine

Gelegenhei­t, sich im Anbau von Gemüse auszuprobi­eren. In den heute sieben Gewächshäu­sern und umliegende­n Gemüsebeet­en gedeiht eine Vielfalt an Pflanzen. Zu jedem Gewächshau­s und jedem Gemüse hat die Tochter Marieanne Uhl, die Landwirtsc­haft studiert hat, etwas zu erzählen. In einem der Gewächshäu­ser türmen sich Papiertüte­n an Saatgut: Dort zieht Matthias Funk eigene Jungpflanz­en heran, die er später anpflanzt und zum Teil auch verkauft.

Das Gemüse für den Tag haben die drei Töchter und ihre Eltern bereits um 6.30 Uhr angefangen zu ernten. Sohn Leonhard ist heute nicht dabei. Bücken, knien, schneiden, graben, zupfen. Die Familie muss auch ernten, wenn das Wetter kalt, nass und regnerisch ist. Seit 1991 ist der Hof bio. Die Inspiratio­n kam von ihrem Nachbarn, der bereits nach den Demeter-Standards arbeitete. „Oft sucht man immer etwas, das zu einem richtig passt. Und das hat es“, sagt Matthias Funk.

Vater und Tochter müssen nun das Saatgut verladen. Die Saatkörner trocknet und lagert die Familie Funk auf ihrem Dachboden und verkauft sie dann für ein geringes Geld an eine Saatgutfir­ma. „Sautag heute“, schimpft der Landwirt, als Samen auf den Boden bröseln. Er hat trotzdem ein müdes Lächeln auf den Lippen, als er mit der Kehrschauf­el die Körner zusammenfe­gt. 120 Kilogramm Sonnenblum­enkerne zeigt die Waage an. Noch ein paar Stunden arbeiten sie weiter, bis sie die heiß ersehnte Mittagspau­se machen werden.

Übernommen hat Matthias Funk den Hof von seinen Eltern. Diese rieten ihm, „etwas Ordentlich­es zu lernen, weil von der kleinen Landwirtsc­haft kann man nicht leben“. Doch Matthias Funk sagt: „Ich wollte schon immer Bauer sein.“Sein Grund: „Freiheit“. Also ging er auf die Landwirtsc­haftsschul­e und machte seine Gärtnerprü­fung. Seine zwei Brüder hingegen sind Arzt sowie Rechtsanwa­lt und „irgendwas mit BWL“geworden. Matthias Funk fände es schön, wenn eines seiner Kinder den Hof übernehmen würde: „Der Hof hat sein eigenes Leben. Irgendwie ist man den Leuten von früher ja auch verpflicht­et.“

Endlich Mittagesse­n! Matthias Funk und Marieanne Uhl kehren in die Stube zurück, die vom grünen Kachelofen wohlig vorgeheizt ist. Zusammen mit den anderen beiden Töchtern nehmen sie am langen Holztisch Platz. Auberginen mit Käse und Tomaten überbacken, ein Topf mit gekochten Kartoffeln, Salat und Reste vom Vorabend. Natürlich kommt das Gemüse vom eigenen Grund und Boden. Das Gespräch dreht sich um eine Geburtstag­sfeier und die Hochzeit von Marieanne.

Margit Funk nimmt am freien Platz am Kopf des Tisches Platz. Sie war noch im Hofladen und kommt nun auch dazu, etwas zu essen. Auf dem Hof gehen Personen im Stadel ein und aus und stellen sich selbst ihre Kiste zusammen.

Für den Nachmittag war die Apfelernte angedacht. Doch das Wetter ist einfach zu mies. Ein Vorteil als selbststän­diger Betrieb: Was und wie lange man arbeitet, bestimme man selbst. Dafür müsse die Arbeit aber an einem anderen Tag nachgeholt werden, sagt Marieanne Uhl. Also Apfelernte dann am Sonntag? Die älteste Tochter verneint: „Ich mag auch mal einen Sonntag frei haben.“„Ach, Toni“, kommt es ringsherum von den Familienmi­tgliedern, die noch mit Kuchen am Tisch sitzen.

Der Hof funktionie­rt durch die Hilfe der ganzen Familie und eben auch durch die Unterstütz­ung der Mitglieder der solidarisc­hen Gemüsekist­e. „Früher haben uns die größeren Bauern in der Region nicht mal beachtet“, sagt Matthias Funk. Mit der eigenen Anzucht von Jungpflanz­en, dem Anbau von Biogemüse und der solidarisc­hen Kiste habe sich das verändert. Nun interessie­rten sich die Menschen für ihre Arbeit, sagt Funk weiter.

Doch kann Landwirtsc­haft heute nur noch solidarisc­h funktionie­ren, wie es auch die Familie Funk macht? Matthias Funk sagt dazu: „Es wäre etwas für die Zukunft, alles wird nur noch im großen Stil angebaut.“So gehe das Wissen über Anbau und Zubereitun­g von Gemüse verloren, fügt seine Frau hinzu. Marieanne Uhl meint: „Die solidarisc­he Landwirtsc­haft wäre zumindest ein Ansatz für eine gute Zukunft.“

 ?? Fotos: Susanne Klöpfer ?? Matthias und Margit Funk mit ihrer Tochter Marieanne Uhl und ihrem Sohn Leonhard Funk (von rechts nach link) in ihrem Stadel auf ihrem Biohof in Oberndorf. Seit 2016 bieten sie eine solidarisc­he Gemüsekist­e an, bei der sich Mitglieder wöchentlic­h eine Kiste mit frischem Gemüse zusammenst­ellen können.
Fotos: Susanne Klöpfer Matthias und Margit Funk mit ihrer Tochter Marieanne Uhl und ihrem Sohn Leonhard Funk (von rechts nach link) in ihrem Stadel auf ihrem Biohof in Oberndorf. Seit 2016 bieten sie eine solidarisc­he Gemüsekist­e an, bei der sich Mitglieder wöchentlic­h eine Kiste mit frischem Gemüse zusammenst­ellen können.
 ??  ?? Reiche Ernte: Marieanne Uhl erntet frische Ingwerwurz­eln. Seit zwei Jahren baut die Familie die Pflanze an.
Reiche Ernte: Marieanne Uhl erntet frische Ingwerwurz­eln. Seit zwei Jahren baut die Familie die Pflanze an.
 ??  ?? Matthias Funk mit seinen Kindern Leonhard und Marieanne bei der Arbeit in einem der sieben Gewächshäu­ser.
Matthias Funk mit seinen Kindern Leonhard und Marieanne bei der Arbeit in einem der sieben Gewächshäu­ser.
 ??  ?? In einem Teil der Gewächshäu­ser zieht Matthias Funk eigene Jungpflanz­en an. Immer in der Nähe: die Hofkatzen, die durch die Gewächshäu­ser huschen.
In einem Teil der Gewächshäu­ser zieht Matthias Funk eigene Jungpflanz­en an. Immer in der Nähe: die Hofkatzen, die durch die Gewächshäu­ser huschen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany